Autor

Dr. Johanna Post

Senior Associate

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29. Juli 2021

Anrechnung von Einkünften während der Freistellung – BAG stärkt die Arbeitgeberposition

  • Briefing

Bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer freistellen und ihn so von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung befreien. Dies erfolgt entweder einseitig durch Erklärung des Arbeitgebers oder einvernehmlich im Rahmen einer vertraglichen Regelung. Bei einer vertraglichen Abrede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Freistellung im Rahmen eines Aufhebungsvertragen ist Gegenstand der Verhandlungen typischerweise, zu welchen Konditionen der Arbeitnehmer freigestellt wird. Neben der Fortzahlung der monatlichen Vergütung bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt wird in Aufhebungsverträgen häufig auch eine sog. Sprinterklausel vereinbart. Diese ist in der Regel so ausgestaltet, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis im Falle einer neuen Beschäftigung gegen Zahlung einer zusätzlichen Abfindung auch vor dem im Aufhebungsvertrag vereinbarten Beendigungszeitpunkt vorzeitig lösen kann. Der Arbeitgeber spart auf diese Weise Personalkosten, der Arbeitnehmer profitiert von der erhöhten Abfindung unter Beziehung der Vergütung aus der Anschlussbeschäftigung.

In diesem Zusammenhang hatte sich das BAG jüngst mit der Frage zu befassen, welche Auswirkungen es auf den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers hat, wenn der Arbeitnehmer eine Anschlussbeschäftigung während der Freistellungsphase aufnimmt, von dem vorzeitigen Lösungsrecht jedoch keinen Gebrauch macht (BAG, Urt. v. 23.02.2021 – 5 AZR 314/20).

I. Anrechnung anderweitigen Verdienstes während der Freistellung

Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer einseitig von der Arbeitsleistung freistellen. In der Freistellungserklärung ist die Ablehnung der Annahme der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung zu sehen, wodurch der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug gerät. Der Arbeitnehmer behält in diesem Fall kraft Gesetzes seinen Vergütungsanspruch, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein (§ 615 S. 1 BGB). Er muss sich jedoch einen anderweitigen Verdienst, den er durch andere Verwendung seiner Arbeitskraft ggf. erwirbt, auf den Vergütungsanspruch anrechnen lassen (§ 615 S. 2 BGB).

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können hingegen auch einvernehmlich in einem Aufhebungsvertrag eine Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung vereinbaren. Dies führt zu einer Suspendierung der beiderseitigen vertraglichen Pflichten – Erbringung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer und Zahlung der vereinbarten Vergütung durch den Arbeitgeber. Grundsätzlich schuldet der Arbeitgeber daher (aus dem Arbeitsvertrag) keine Vergütung mehr, da § 615 S. 1 BGB mangels Annahmeverzug keine Anwendung findet. Die Verpflichtung zur Fortzahlung der Vergütung bis zum Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses wird jedoch regelmäßig im Aufhebungsvertrag vereinbart. Eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes, beispielsweise die Vergütung aus einem neuen Arbeitsverhältnis oder der Bezug von Leistungen der Agentur für Arbeit, kann in diesem Fall nicht „automatisch“ über § 615 S. 2 BGB erfolgen, sondern muss entsprechend vereinbart werden.

II. Sachverhalt

In dem vom BAG zu entscheidenden Fall hatten Arbeitnehmer und Arbeitgeber im September einen Aufhebungsvertrag geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. April des Folgejahres enden sollte. Der Arbeitnehmer wurde unter Anrechnung aller noch bestehender Urlaubsansprüche sowie Zeitguthaben aus dem Arbeitszeitkonto unter Fortzahlung des monatlichen Entgelts unwiderruflich von der Arbeit freigestellt. Der Aufhebungsvertrag enthielt zudem eine Klausel, wonach der Arbeitnehmer das Recht erhielt, mit einer Ankündigungsfrist von drei Werktagen durch schriftliche Erklärung vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Einen Teil der bei einer vorzeitigen Beendigung ersparten Gehälter sollten dem Arbeitnehmer in diesem Fall als zusätzliche Abfindungssumme ausbezahlt werden (sog. Sprinter- oder Turboklausel). Eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes wurde nicht ausdrücklich vereinbart.

Anfang Januar nahm der Arbeitnehmer – ohne von der Sprinterklausel Gebrauch zu machen – eine neue Tätigkeit auf, bei der er eine höhere monatliche Vergütung erzielte als in seinem bisherigen Arbeitsverhältnis. Der (bisherige) Arbeitgeber zahlte daher für Januar bis April keine Vergütung mehr.

Mit seiner Klage begehrte der Arbeitnehmer Zahlung des Entgelts für den Zeitraum von Januar bis April. Er war der Meinung, dass der anderweitig erzielte Verdienst aus dem neuen Arbeitsverhältnis auf die noch ausstehenden Vergütungsansprüche gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber nicht anzurechnen sei. Die Sprinterklausel statuiere lediglich das Recht zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nicht hingegen eine Pflicht hierzu im Falle der Begründung eines anderen, neuen Arbeitsverhältnisses.

III. Entscheidung über die Anrechnung anderweitigen Verdienstes

Das BAG hat den zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossenen Aufhebungsvertrag dahingehend ausgelegt, dass durch die einvernehmliche Vereinbarung der unwiderruflichen Freistellung unter Urlaubsanrechnung in Kombination mit einer Sprinterklausel konkludent auch die Anrechnung anderweitigen Verdienstes vereinbart wurde.

Die Interessenlage der Vertragsparteien rechtfertige die Annahme, in der Sprinterklausel nicht nur die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu sehen, sondern gerade die Pflicht des Arbeitnehmers hierzu. Der Arbeitnehmer muss nach Ansicht der Bundesrichter das Arbeitsverhältnis durch das ihm in Form der Sprinterklausel gewährte „Sonderkündigungsrecht“ bei einer Anschlussbeschäftigung vorzeitig auflösen. Sofern der Arbeitnehmer hiervon jedoch – wider Erwarten – keinen Gebrauch mache, müsse der anderweitig erzielte Verdienst auf die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers angerechnet werden. Denn erst die unwiderrufliche Freistellung ermögliche es dem Arbeitnehmer, überhaupt anderweitigen Verdienst zu erzielen. Ein angemessener Interessenausgleich bei Nichtbeendigung durch den Arbeitnehmer erfordere daher, dass der anderweitige Verdienst angerechnet wird, so das BAG. Der Sinn und Zweck der Sprinterklausel, den Arbeitgeber zu einer vorzeitigen Aufnahme einer Anschlussbeschäftigung zu motivieren und das Arbeitsverhältnis durch Ausübung des Sonderkündigungsrechts frühzeitig zu beenden, könne andernfalls nicht erreicht werden.

IV. Praxishinweis

Im vorliegenden Fall hat das BAG zu Gunsten des Arbeitgebers die konkludente Anrechnung anderweitigen Verdienstes bei einer unwiderruflichen Freistellung aus dem Sinn und Zweck der Sprinterklausel hergeleitet. Bei der Auslegung eines Vertrages würdigt das Gericht jedoch stets die konkreten Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung. Auch wenn das BAG hier eine Lanze für den Arbeitgeber gebrochen hat – die Vorinstanz hatte noch anders entschieden – sollte der Arbeitgeber nicht auf ein solches Auslegungsergebnis vertrauen. Vielmehr sollte die Anrechnung anderweitigen Verdienstes stets im Aufhebungsvertrag – und zwar unabhängig von einer Sprinterklausel – vereinbart werden.

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