20. Mai 2021

Maskenbefreiung – Arbeitsunfähigkeit?

  • Briefing

Der heutige Beitrag greift das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. April 2021 (2 SaGa 1/21) auf. Die Entscheidung liegt noch nicht im Volltext vor. Interessant ist sie bereits jetzt (Pressemitteilung). Denn das LAG entschied nicht nur, dass selbst bei Vorliegen eines ärztlichen Attests einem Arbeitnehmer ohne Schutzmaske die Beschäftigung verweigert werden könne. Der Arbeitgeber müsse auch keinen Arbeitsplatz daheim für ihn einrichten.

Sachverhalt und Entscheidung

Die beklagte Kommune beschäftigt den Kläger als Verwaltungsmitarbeiter im Rathaus. Die Tätigkeit erfordert jedenfalls zeitweise auch die Anwesenheit im Rathaus. Nachdem die Beklagte dort das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung für Besucher und Beschäftigte angeordnet hatte, verweigerte der Kläger das Tragen einer solchen Maske, ebenso wie das Tragen eines Gesichtsvisiers, aus gesundheitlichen Gründen. Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung legte er der Arbeitgeberin vor. Die Arbeitgeberin beschäftigte den Kläger daraufhin nicht mehr im Rathaus. Per Eilverfahren wollte der Kläger seine Beschäftigung im Rathaus ohne Gesichtsbedeckung erreichen; alternativ wollte er im Homeoffice beschäftigt werden.

Kann ein Arbeitnehmer in Ausübung seiner Tätigkeit und belegt durch ein ärztliches Attest keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, darf der Arbeitgeber seine Beschäftigung im Betrieb verweigern. Der Arbeitnehmer sei in diesem Fall arbeitsunfähig, so das LAG, ebenso wie zuvor das Arbeitsgericht Siegburg. Das LAG wies daher mit Urteil vom 12.04.2021 die Anträge des Klägers ab. Eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Rathaus der beklagten Kommune bestehe bereits gemäß Coronaschutzverordnung des Landes NRW (§ 3 Abs. 1 d) der ab dem 07.04.2021 geltenden Fassung). Wegen § 2 Abs. 5 Nr. 3 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021 (in der Fassung vom 11.3.2021) habe die Beklagte als Arbeitgeberin zum größtmöglichen Schutz der Beschäftigten auch die Maskenpflicht anordnen müssen. Die Anordnung der Maskenpflicht gegenüber dem Kläger sei aber auch von dem Direktionsrecht gedeckt. Denn das Tragen einer FFP-2-Maske diene dem Infektionsschutz nicht nur der Mitarbeiter und Besucher des Rathauses, sondern auch dem Schutz des Klägers selbst. Könne er nicht mit Maske arbeiten - ärztlich attestiert -, sei er arbeitsunfähig und deshalb nicht zu beschäftigen.

Der Kläger begehrte für diesen Fall, dass die Beklagte ihn doch im Homeoffice beschäftigen möge bzw. ihm hierfür wohl einen Arbeitsplatz einzurichten. Das LAG ließ aber auch dies nicht durchgehen. Da die Tätigkeit des Klägers seine zeitweise Anwesenheit im Rathaus verlangt, würde eine Beschäftigung im Homeoffice die Arbeitsunfähigkeit nicht beseitigen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes in Form einer Beschäftigung im Homeoffice. Die Beklagte sei derzeit nicht verpflichtet, einen Arbeitsplatz daheim einzurichten.

Einordnung und Ausblick

Im Ergebnis so einleuchtend aus Arbeitgebersicht, stolpert man doch über einige Formulierungen: „Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes in Form einer Beschäftigung im Homeoffice“, der die Arbeitsunfähigkeit beseitigt? War der Kläger denn schwerbehindert?
In der arbeitsrechtlichen Praxis taucht der Begriff „leidensgerechter Arbeitsplatz“ immer häufiger auf, obwohl gesetzlich nicht definiert. Tatsächlich haben nicht nur schwerbehinderte Arbeitnehmer Anspruch auf einen ihrer Behinderung entsprechenden Arbeitsplatz, § 164 Abs. 4 und 5 SGB IX. Soweit in der Regel noch geläufig. Das BAG sieht auch bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern den Arbeitgeber in der Pflicht, den Arbeitnehmer mit dessen Einverständnis auf einem seiner Leistungsfähigkeit und seinen Kenntnissen entsprechenden geeigneten, beiden Parteien zumutbaren freien Arbeitsplatz einzusetzen (BAG, NZA-RR 2010, Seite 420). Dafür muss der Arbeitgeber in zumutbarer Weise den aktuellen Arbeitsplatz des Arbeitnehmers leidensgerecht umgestalten, ggf. die Arbeitsabläufe geringfügig anpassen oder dem Mitarbeiter einen anderen bestehenden Arbeitsplatz zuweisen. Einen leidensgerechten Arbeitsplatz schaffen, muss er nicht!

Zurück zum Fall:

Das LAG musste nicht entscheiden, ob mit der Einrichtung eines Arbeitsplatzes daheim ein neuer Arbeitsplatz geschaffen würde, da das Homeoffice die Arbeitsunfähigkeit hier nicht beseitigen konnte. Der Kläger musste ja auch im Rathaus arbeiten. Die Entscheidung des LAG scheint daher in der Pandemielage auch im Lichte des neuen § 28b Abs. 7 Infektionsschutzgesetzes konsequent, wonach Arbeitgeber Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anbieten müssen, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen und Beschäftigte dieses Angebot anzunehmen haben, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. So bleibt es spannend wie sich die Rechtsprechung zu Fragen der Einrichtung von Telearbeitsplätzen nicht nur unter Pandemiebedingungen entwickeln wird.

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