Autor

Dr. Klara Pototzky

Salary Partnerin

Read More
Autor

Dr. Klara Pototzky

Salary Partnerin

Read More

4. März 2021

Vorsicht vor „unfairen“ Aufhebungsverträgen

  • Briefing

Der Aufhebungsvertrag gilt als sicheres Mittel zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Ist die Tinte unter dem Vertrag erst einmal getrocknet, sind beide Seiten vor nachträglicher Reue gefeit. Eine Beseitigung durch Anfechtung bei einer Drohung, Täuschung (§ 123 BGB) oder Irrtum (§ 119 BGB) ist zwar denkbar, jedoch werden die Voraussetzungen von Gerichten streng ausgelegt, sodass dies praktisch wenig durchsetzbar war. Diese Gewissheit ist ins Wanken gekommen, seitdem das Bundesarbeitsgericht zur Lösung von „bereuten“ Aufhebungsverträgen das verletzte „Gebot des fairen Verhandelns“ entwickelte. Wie faires Verhandeln vor unwirksamen Aufhebungsverträgen schützt, erläutern wir in diesem Newsletter.


Urteil des BAG vom 7.2.2019: Geburt des Gebots des fairen Verhandelns

Das „Gebot des fairen Verhandelns“ wurde erstmals im Urteil vom 7.2.2019 (6 AZR 75/18) vom BAG genannt. Das Gericht führte aus, dass als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis (§ 241 Abs. 2 BGB) im Vorfeld des Abschlusses eines Aufhebungsvertrags ein Mindestmaß an Fairness gewahrt sein müsse. Hiergegen werde verstoßen, wenn der Arbeitgeber eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine freie und überlegte Entscheidung des Arbeitnehmers erheblich erschwert oder unmöglich macht. Ein schuldhafter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns führt im Regelfall zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags und zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

Als Beispiele für unfaire Situationen nannte das BAG:

  • Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken
  • Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche 
  • Ausnutzung unzureichender Sprachkenntnisse
  • Nutzung eines Überraschungsmoments/Überrumpelung

 

Als nicht unfaire Umstände wurden allerdings auch aufgeführt:

  • Bedenkzeit oder ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht nicht erforderlich
  • Vorankündigung des Unterbreitens eines Aufhebungsvertrags nicht erforderlich 

Letztlich bedarf es sodann einer Abwägung aller Umstände der konkreten Situation. Angewendet auf den zu entscheidenden Fall sinnierte das BAG, dass das unangekündigte Aufsuchen der Arbeitnehmerin in ihrer Wohnung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags einer Überrumpelung gleichkäme. Zudem sei diese an jenem Tag krank gewesen. Beide Umstände könnten das Gebot des fairen Verhandelns verletzen. Letztlich ließ das BAG diese Entscheidung jedoch offen.

Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 19.5.2020 – Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrags wegen unfairem Verhandeln

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern wendete in einer weiteren Entscheidung die neue Rechtsprechung an und brachte einen „unfair verhandelten“ Aufhebungsvertrag eines Vertretungslehrers zu Fall (Urteil v. 19.5.2020 – 5 Sa 173/19; ebenso bereits die Vorinstanz ArbG Schwerin v. 26.6.2019 – 4 Ca 1702/18).

Dem Aufhebungsvertrag war eine Beurteilung durch die Schulleiterin vorausgegangen, die seinen Unterricht besucht hatte. Der Kläger war von der Kritik sehr getroffen und wurde noch am gleichen Tag krankgeschrieben. Am Nachmittag wurde der Kläger telefonisch vom Justiziar des Schulamts zu einem Termin am nächsten Tag eingeladen. Dieses persönliche Gespräch dauerte ca. 15 Minuten und endete mit dem unterschriebenen Aufhebungsvertrag. 

Folgende Umstände zog das Gericht heran, um zu begründen, dass der Aufhebungsvertrag unfair verhandelt wurde und daher unwirksam sei:

  • Die unwirksame Vereinbarung einer Probezeit im Arbeitsvertrag trotz Vorbeschäftigung hätte den Arbeitnehmer überzeugt, dass er sich noch in der Probezeit befinde und jederzeit kündbar sei.
  • Äußerungen der Schulleiterin über seine Arbeit wie „So geht es bei uns an der Schule nicht“ habe bei dem nicht einschlägig ausgebildeten und unerfahrenen Kläger einen massiven Druck aufgebaut, sodass er an sich und seinen Fähigkeiten zweifelte.
  • Der Arbeitnehmer sei zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig krank gewesen.
  • Er sei erkenntlich „völlig verzweifelt“ und „mit seinen Nerven am Ende“ gewesen.
  • Die Kürze des Gesprächs habe keine Gelegenheit geboten, sich zu beruhigen und einen klaren Gedanken zu fassen; es sei weder über die Ursachen der Verzweiflung gesprochen noch alternative Einsatzmöglichkeiten oder anderweitige Hilfestellungen erörtert worden.

 

Praxishinweis

Die aufgezeigten Entscheidungen lassen befürchten, dass das neu entwickelte Gebot fairen Verhandelns als Allzweckwaffe zur Beseitigung unliebsamer Aufhebungsverträge genutzt werden könnte. Aufgrund der Tatsache, dass es immer einer Abwägung der Umstände im Einzelfall bedarf, besteht für Gerichte ein erheblicher Spielraum – und für Arbeitgeber eine erhöhte Unsicherheit. Der Abschluss und die Befriedung, die durch einen Aufhebungsvertrag erreicht wird, ist damit in Gefahr. 

Arbeitgeber sollten daher verstärkt darauf achten, unter welchen Rahmenbedingungen Aufhebungsverträge verhandelt und abgeschlossen werden. Dies kann beispielsweise bedeuten, den Arbeitnehmer nicht Zuhause aufzusuchen, sondern zu einem Personalgespräch im Betrieb zu laden und Vertrauenspersonen, Zeugen oder Dolmetscher hinzuzuziehen. Bei kranken Arbeitnehmern ist besondere Sorgfalt walten zu lassen. Rechtsrat zahlt sich hier aus: Aufhebungsverträge, die unter Einbeziehung von Rechtsanwälten auf beiden Seiten geschlossen werden, sollten Vorwürfen von unfairer Drucksituation, fehlender Sprachkenntnisse oder Überrumpelung standhalten. 

 
Call To Action Arrow Image

Newsletter-Anmeldung

Wählen Sie aus unserem Angebot Ihre Interessen aus!

Jetzt abonnieren
Jetzt abonnieren

Related Insights

Employment, Pensions & Mobility

Neues EuGH-Urteil zur Massenentlassungsanzeige: Kündigungen (nicht) unwirksam?

26. Juli 2023
Briefing

von Dr. Klara Pototzky

Klicken Sie hier für Details
Employment, Pensions & Mobility

BAG: Resturlaubsansprüche verjähren nicht automatisch – was das für Arbeitgeber bedeutet

Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers unterliegt nicht der Verjährung, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten nicht nachkommen ist.

22. Dezember 2022
Briefing

von Dr. Klara Pototzky und Johannes Loch, LL.M. (Cape Town)

Klicken Sie hier für Details
Employment, Pensions & Mobility

Work from anywhere - Insights into the new way of working after the Covid-19 lockdowns

An analysis by Taylor Wessing's international Employment, Pensions & Mobility team

30. November 2022
In-depth analysis

von mehreren Autoren

Klicken Sie hier für Details