17. Dezember 2020
Die EU hat am 20.09.2019 die Verordnung (EU) 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten erlassen – und betritt damit Neuland. Denn sie reguliert in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Unternehmen im B2B-Geschäft hinein und greift damit – über die bisherige Klausel-Richtlinie hinaus – deutlich in die Vertragsfreiheit ein. Freilich unterliegen bereits jetzt die AGB der Plattform-Betreiber einer gewissen Kontrolle – nämlich dann, wenn sie deutschem Recht unterliegen (§ 310 Abs. 1 BGB) sowie dann, wenn die Plattform-Betreiber marktbeherrschend bzw. markmächtig sind.
Umstellungsbedarf besteht bei sog.
und zwar spätestens seit Geltungsbeginn der Verordnung am 12.07.2020 ,
Nicht-europäische Online-Dienste und Suchmaschinen aufgepasst: Die Verordnung gilt international sehr weitreichend unabhängig davon, ob die Diensteanbieter in der EU niedergelassen sind. Für ihre räumliche Anwendbarkeit genügt, dass zwei Voraussetzungen vorliegen:
(i) die gewerblichen Nutzer (bei Online-Vermittlungsdiensten) bzw. die Nutzer mit Unternehmenswebsite (bei Online-Suchmaschinen) sind in der EU niedergelassen; und
(ii) die Nutzer bieten ihre Waren / Dienstleistungen Verbraucher an, die sich zumindest für einen Teil der Transaktion in der EU befinden; dies richtet sich laut Verordnung maßgeblich danach, ob der jeweilige gewerbliche Nutzer offenkundig seine Tätigkeit auf Verbraucher in der EU ausrichtet („direct their activities to consumers“ / „orientent leurs activités vers des consommateurs“), ausgelegt gemäß der EuGH-Rechtsprechung zum Ausrichten einer Tätigkeit auf Verbraucher gemäß Art. 17 Abs. 1 c) Brüssel-Ia-Verordnung und Art. 6 Abs. 1 b) der Rom-I-Verordnung . Maßgeblich ist dafür nach der EuGH-Rechtsprechung die bloße Zugänglichkeit einer Webseite noch kein Ausrichten .
Die P2B-Verordnung beschränkt sich auf Plattformen im P2B2C-Verhältnis, gilt also nicht für reine B2B-Plattformen. Veranschaulicht gilt die P2B-Verordnung mithin für das Verhältnis zwischen Providern und Business bei folgender Konstellation:
Provider (Plattform) -> Business (Unternehmer) -> Consumer (Verbraucher)
Vorteil für diejenigen Unternehmen, deren AGB auf deutschem Recht beruhen: sie sind ohnehin schon an sehr strengen Vorgaben ausgerichtet, sprich: der Umsetzungsaufwand dürfte bei AGB, die auf anderen Rechtsordnungen beruhen, größer sein – allerdings auch nicht viel größer, da selbst das deutsche AGB-Recht den Großteil der nun geforderten Regelungen so bislang nicht verlangt (dazu sogleich).
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind in der Verordnung – unnötig angesichts des Gesamtzusammenhangs – enger als üblich definiert (also auch enger als in § 305 Abs. 1 S. 1 BGB), indem sie auf B2B-Verträge bzgl. Online-Vermittlungsdiensten beschränkt sind . Danach sind Allgemeine Geschäftsbedingungen (i) Bedingungen / Bestimmungen, die das Vertragsverhältnis zwischen dem Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und ihren gewerblichen Nutzen regeln und (ii) einseitig vom Anbieter der Online-Vermittlungsdienste festgelegt werden – wobei letzteres per Gesamtbewertung festzustellen ist.
Online-Vermittlungsdienste müssen ihre AGB anpassen. Dazu hier der Überblick über die wesentlichen Pflichten:
Anforderung:
Diese Anforderungen gehen – bis auf die klare, verständliche AGB-Sprache , die Verfügbarkeit / Zur-Verfügung-Stellung der AGB sowie die grundsätzliche Unwirksamkeit rückwirkender AGB-Anpassungen – deutlich über das hinaus, was das schon strenge deutsche AGB-Recht vorschreibt.
Zudem müssen Online-Vermittlungsdienste und auch Online-Suchmaschinen ihre Gestaltung anpassen und unter anderem auch ein internes Beschwerdemanagement einführen. Dazu hier der Überblick über die wesentlichen Gestaltungsvorgaben:
Anforderung an die Gestaltung:
Künftig folgen, weil in der P2B-VO angekündigt, Leitlinien der Kommission bzgl. der Ranking-Regelungen in Art. 5. Zugleich sind die Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen aufgefordert, zusammen mit ihren Nutzern Verhaltenskodizes auszuarbeiten .
Die Durchsetzung der Verordnung soll durch „repräsentative Organisationen“ oder Verbände und öffentliche Stellen erfolgen, wobei Deutschland wie alle anderen EU-Mitgliedstaaten für die angemessene und wirksame Durchsetzung sorgen muss . Die Europäische Kommission wird die Auswirkungen der Verordnung in der Praxis beobachten und erstmals zum 13.01.2022 (und danach alle drei Jahre) die Verordnung evaluieren .
Interessant wird sein, ob die Umsetzung der P2B-Verordnung sich auf vertriebsrechtliche Beziehungen auswirkt, insbesondere auf die Frage, ob Plattformen als Handelsvertreter agieren (dazu Rohrßen, ZVertriebsR2019, 153, 159) . So können Plattformen und sonstige Internet-Vermittlungsdienste, die als Vertragshändler agieren , gemäß deutschem Vertragshändlerrecht eventuell zum Ausgleichsanspruch gelangen, wenn sie ihre Vertriebskanäle aufgrund entsprechender Plattform-AGB offenlegen, wie es die Verordnung zwar nicht fordert, aber zumindest freistellt . Darüber hinaus zeigen sich jedenfalls zahlreiche Schnittstellen zum Kartell-, Wettbewerbs- und Datenschutzrecht .
>>> Mehr Details und Nachweise zur P2B-Verordnung sowie zum Internetvertrieb in der Erstveröffenlichung: Rohrßen, ZVertriebsR 2019, 341 ff.: Internetvertrieb 2019/20 – Vertriebsvorgaben, (Best-)Preise & Platform-to-Business-Verordnung.
von mehreren Autoren
OLG Köln zur Reichweite und Grenzen des § 86 I HGB