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5. November 2020

Kündigung in der Kurzarbeit – Höhe des Lohnanspruchs während Kündigungsfrist

Einleitung 

Der infolge der Covid-19-Pandemie in Deutschland eingetretene Konjunkturabschwung wurde zu Beginn des Jahres vielfach als nur vorübergehender Auftragsrückgang betrachtet. Um trotz des hierdurch entstandenen Arbeitskräfteüberhangs Entlassungen zu vermeiden, griffen viele Unternehmen daher zunächst auf das staatliche geförderte Instrument der Kurzarbeit zurück. Inzwischen stellt sich die Situation indes als langanhaltendere Wirtschaftskrise dar, die zahlreiche namhafte Unternehmen bereits zur Ankündigung von umfangreichen Personalabbaumaßnahmen veranlasst hat. Dass sich betriebsbedingte Kündigungen und Kurzarbeit nicht grundsätzlich ausschließen, wurde bereits in unserem Newsletter vom 2. April 2020 thematisiert – entfällt die Beschäftigungsmöglichkeit für von Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend sondern aufgrund später eingetretener weiterer Umstände oder veränderter wirtschaftlicher bzw. organisatorischer Rahmenbedingungen auf Dauer, so kann trotz der Kurzarbeit ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung bestehen. Gelingt dem Arbeitgeber ein entsprechender Nachweis und ist die Kündigung nicht aus anderen Gründen unwirksam, stellt sich allerdings die im heutigen Newsletter zu erörternde Folgefrage, in welcher Höhe der Arbeitgeber zur Lohnzahlung während der Kündigungsfrist verpflichtet ist.

1. Ausgangssituation

§ 98 Abs. 1 Drittes Sozialgesetzbuch (SGB III) setzt als persönliche Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld unter anderem voraus, dass sich der Arbeitnehmer in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet. Das mit der Gewährung von Kurzarbeitergeld verfolgte arbeitsmarktpolitische Ziel der Vermeidung von Entlassungen kann bei Ausspruch einer Kündigung nicht mehr erreicht werden. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Gewährung von staatlichem Kurzarbeitergeld entfällt daher grundsätzlich ab dem Zugang der Kündigungserklärung beim Arbeitnehmer.

Vom Fortfall des Anspruchs auf staatliches Kurzarbeitergeld zu unterscheiden ist allerdings die Frage, inwieweit hierdurch die zwischen den Arbeitsvertragsparteien individual- oder kollektivvertraglich vereinbarte Arbeitszeit- und Gehaltsreduzierung (Kurzarbeitsvereinbarung) berührt wird. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diese Frage bislang dahingehend beantwortet, dass die Kurzarbeitsvereinbarung vom Fortfall des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld grundsätzlich unberührt bleibt (BAG, Urteil vom 11.07.1990 – 5 AZR 557/89; BAG, Urteil vom 22.04.2009 – 5 AZR 310/08).

Hierdurch scheint der Arbeitnehmer im Falle der Kündigung in eine Lage gebracht zu werden, in der er einerseits kein Kurzarbeitergeld mehr beanspruchen kann, aufgrund der fortbestehenden Kurzarbeitsvereinbarung andererseits aber auch nicht seinen vollen, sondern nur den – im Extremfall bis auf null – reduzierten Lohn erhält.

2. Koppelung

Das vorstehende – aus Sicht des in finanzielle Bedrängnis geratenen Arbeitgebers willkommene – Ergebnis wird in der Praxis regelmäßig dadurch konterkariert, dass jedenfalls kollektivrechtliche Kurzarbeitsvereinbarung häufig Regelungen zur Vergütungspflicht während der Kündigungsfrist oder zur Koppelung der Reduzierung von Arbeitszeit und Arbeitsentgelt an den Bezug von Kurzarbeitergeld vorsehen. Ist eine solche Koppelungsregelung explizit enthalten oder lässt sich die Kurzarbeitsvereinbarung dahingehend auslegen, findet die Vereinbarung keine Anwendung mehr, wenn der Anspruch auf Kurzarbeitergeld entfällt. Der volle Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers lebt wieder auf und ist nach § 615 BGB grundsätzlich auch bei fehlender Beschäftigung während der Kündigungsfrist geschuldet.

3. Keine Koppelung

Was aber gilt, wenn die Kurzarbeitsvereinbarung keine entsprechende Regelung vorsieht? Auf Basis der Kurzarbeitsvereinbarung stünde der gekündigte Arbeitnehmer einerseits deutlich schlechter als der ungekündigte Arbeitnehmer, der neben seinem Arbeitsplatz auch den Anspruch auf Kurzarbeitergeld behält. Wäre das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt worden, stünde dem Arbeitnehmer andererseits aber auch nicht der volle Lohnanspruch, sondern nur das auf Basis der Kurzarbeitsvereinbarung geschuldete Entgelt und das Kurarbeitergeld zu.

In den beiden vorstehend zitierten Entscheidungen schlägt das BAG einen Mittelweg ein und geht davon aus, dass ein Lohnanspruch in Höhe des auf Basis der Kurzarbeitsvereinbarung geschuldeten Entgelts zuzüglich des (entfallenen) Kurzarbeitergeldes bestehe. Der Arbeitgeber habe nach § 615 S. 3 BGB grundsätzlich das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko zu tragen. Auch wenn der Arbeitnehmer aus betriebstechnischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht beschäftigt werde, entbinde dies den Arbeitgeber also grundsätzlich nicht von seiner Pflicht zur Lohnzahlung. Über die Möglichkeit zur Einführung von Kurzarbeit und des Bezugs von staatlicher Hilfe in Form des Kurzarbeitergeldes reduziere sich das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers in Höhe des gewährten Kurzarbeitergeldes. Dieses Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers lebe in diesem Umfang zwangsläufig wieder auf, wenn der Anspruch auf das Kurzarbeitergeld entfalle. Der Arbeitnehmer könne infolge des Fortfalls des Kurzarbeitergeldes demgegenüber nicht bessergestellt werden, als wenn der Anspruch auf Kurzarbeitergeld nicht entfallen wäre; der Arbeitnehmer ist auf Basis der Kurzarbeitsvereinbarung nur in vermindertem Umfang zur Arbeit verpflichtet – ein Anspruch auf volle Vergütung könne daher nicht bestehen. Neben der auf Basis der Kurzarbeitsvereinbarung geschuldeten Entgelthöhe behalte der Arbeitnehmer im Ergebnis daher seinen Lohnanspruch in Höhe des Kurzarbeitergelds.

4. Fazit 

Ist die Kurzarbeitsvereinbarung ausdrücklich an den Bezug von Kurzarbeitergeld gekoppelt, lebt der volle Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bei Fortfall des Anspruches auf Kurzarbeitergeld wieder auf. Besteht eine derartige Koppelung nicht, steht dem Arbeitnehmer auf Basis der bislang hierzu ergangenen Entscheidungen des BAG demgegenüber ein Lohnanspruch in Höhe des auf Basis der Kurzarbeitsvereinbarung geschuldeten Entgelts zuzüglich des entfallenen Kurzarbeitergeldes zu.

Ob sich die vorstehenden Grundsätze auch auf Kurzarbeitsvereinbarungen erstrecken lassen, die keinerlei inhaltlichen Bezug zur gleichzeitigen Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld aufweisen oder die ausdrücklich unabhängig hiervon Geltung beanspruchen sollen, erscheint zweifelhaft. Auf Basis einer solchen Vereinbarung soll das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers gerade unabhängig vom Umfang der Gewährung staatlicher Hilfe auf den Arbeitnehmer übertragen werden. Sofern eine derart weitgehende Verlagerung des grundsätzlich dem Arbeitgeber zugewiesenen Wirtschaftsrisikos individualvertraglich zulässig ist – insoweit existiert bislang keine belastbare Entscheidung des BAG – erscheint es gerechtfertigt, dem Arbeitnehmer in diesem Fall einen Lohnanspruch lediglich auf Basis der Kurzarbeitsvereinbarung einzuräumen.

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