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11. Mai 2020

Den Bürgern ihre Freiheit zurückgeben – Darf der Staat das?

Teil 4

„Der Verlust des Grundrechts der Freiheit der Person ist Tag für Tag der Freiheitsbeschränkung ein endgültiger Nachteil. Er kann für die verstreichende Zeit nicht wieder ausgeglichen werden.“ – stellt der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes („VerfGH“) in seinem Beschluss vom 28.04.2020 zu Recht fest. Er hat die weitgehenden saarländischen Ausgangsbeschränkungen gekippt und sich in seinem Beschluss intensiv mit grundrechtlichen Abwägungsfragen auseinandersetzt:

Hintergrund war, dass das Verlassen der eigenen Wohnung nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt war, so z.B. mit dem Ziel von Besorgungen des täglichen Bedarfs oder der Absicht, bestimmte Ladengeschäfte aufzusuchen oder Sport zu treiben. Nicht erlaubt war hingegen beispielsweise das Verlassen der eigenen Wohnung ohne konkretes Ziel oder um auf einer Parkbank zu sitzen. Die Regelungen waren inkonsistent. Das stellte der VerfGH sehr anschaulich dar: „Es leuchtet nicht ein, dass sich Geschwister in gebührendem Abstand in einem Möbelmarkt oder Baumarkt treffen dürfen, nicht aber in der eigenen Wohnung […].“

Die Ausgangsbeschränkung tangiere jeden in seiner verfassungsrechtlich verbürgten Bewegungsfreiheit. Bei der Rechtfertigung dieses schwerwiegenden Eingriffs in die Bewegungsfreiheit gelte: „Maß-nahmen, die in der Stunde der Not der – zu diesem Zeitpunkt nur über Bruchstücke wissenschaftlicher Erkenntnisse verfügenden – Exekutive einen weiten Spielraum der Risikobeurteilung und der Einschätzung der Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen zuzugestehen erlauben, müssen mit dem Ver-streichen der Zeit und damit der Tiefe der Grundrechtseingriffe einerseits, der Breite und Validität wissenschaftlicher Erkenntnisse andererseits jeweils neuen Maßstäben gerecht werden.“ Auch der damit erzielte Gewinn an Gesundheitsschutz müsse nachvollziehbar dargelegt werden. Gerade diesem Maßstab entspreche die Ausgangsbeschränkung allerdings nicht (mehr). In Ermangelung ersichtlicher Vor-teile einer derart tiefgreifenden Freiheitsbeschränkung der Bürger sei die geforderte Glaubhaftmachung eines triftigen Grundes zum Verlassen der Wohnung für den Bürger unzumutbar und die Ausgangsbeschränkung daher in ihrer konkreten Ausgestaltung verfassungsrechtlich nicht haltbar.

Dieser Beschluss legt deutlich dar, dass der durch jegliche Maßnahmen erhoffte und zu erzielende Gewinn an Gesundheitsschutz nachvollziehbar und überzeugend dargelegt werden muss. Regelungen des Gesetzgebers müssen überzeugend und konsistent sein. Je länger sie dauern, umso höhere Anforderungen sind an die Kohärenz und Konsistenz ihrer Rechtfertigung zu stellen.

Juristisch spannend ist auch die durch den VerfGH dargelegte Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Verfassungsgerichten und Fachgerichten mit Blick auf den Subsidiaritätsgrundsatz: Der auch im Eilrechtsverfahren geltende Subsidiaritätsgrundsatz des verfassungsgerichtlichen Rechtschutzes gegen-über fachgerichtlichem Rechtschutz könne laut VerfGH da nicht gelten, wo der Zweck des fachgerichtlichen Vorrangs – nämlich fachlich fundierte Grundlagen vorab zu ermitteln – schon gar nicht erreicht werden könne. In einer solchen Lage befinde sich die Rechtsprechung in der Corona-Pandemie angesichts der in virologischen Fachkreisen nach wie vor bestehende Unsicherheit und angesichts der engen Taktung neuer Maßnahmenpakete der Länder. In Ermangelung eines in absehbarer Zeit erreichbaren fachgerichtlichen Erkenntnisvorsprungs gehe es im Ergebnis daher – zumindest im zu entscheiden-den Fall – allein um die Abwägung zwischen Verfassungsgütern und die Frage nach Reichweite und Grundlagen einer Einschätzungsprärogative. Diese Fragen seien originär verfassungsgerichtlicher Natur und daher auch genau dort zu klären.

Angesichts dieser sehr deutlichen Ansage zu Zulässigkeit und Begründetheit verfassungsgerichtlichen Rechtschutzes bleiben weitere Entscheidungen zu Corona-Maßnahmen mit Spannung zu erwarten.

Zur PDF-Version: Den Bürgern ihre Freiheit zurückgeben

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