25. März 2020
Im Zuge der „Corona-Krise“ benötigen viele betroffene Unternehmen dringend staatliche Unterstützung, um akute Liquiditätsengpässe zeitnah abwenden zu können und um ihre Eigenkapitalquote zu stärken. Am 25. März 2020 verabschiedete der Bundestag deswegen das Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WStFG), welches kurz darauf auch die Zustimmung des Bundesrats finden und unmittelbar nach seiner Verkündung, d.h. mit seiner Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, in Kraft treten soll.[1]
Einzelne Bundeländer (allen voran Bayern – vgl. den Kabinettsbeschluss der Bayerischen Landesregierung vom 24. März 2020)[2] planen ähnliche Maßnahmen.
Die bisherigen und in Reaktion auf die Corana-Krise zusätzlich aufgelegten KfW Programme existieren daneben weiterhin (Zu unserer Übersicht).
I. Überblick
Angelehnt an den Finanzmarktstabilisierungsfonds sieht das WStFG die Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) als nichtrechtsfähiges Sondervermögen des Bundes zur Stützung der Realwirtschaft vor. Gemäß § 20 Abs. 7 FMStG n.F. i.V.m. § 5 FMStG ist auch das Vermögen des WSF vom übrigen Vermögen des Bundes, seinen Rechten und Verbindlichkeiten getrennt, d.h. der WSF haftet nicht für die sonstigen Verbindlichkeiten des Bundes; dieser haftet aber für die Verbindlichkeiten des WSF.
Der WSF wird zunächst mit einem Gesamtvolumen von rd. EUR 600 Mrd. ausgestattet. Zurückgreifend auf die bewährten Regelungen und Instrumente des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (FMStG) und des Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes (FMStBG) aus den Jahren der Finanzmarktkrise (2008/2009) besteht das WStFG weitgehend aus Änderungen und Ergänzungen dieser beiden Gesetze.
Zentrale Instrumente des WSF zur Stabilisierung von Unternehmen der Realwirtschaft sind:
Die vorgesehenen Maßnahmen müssen im Einklang mit beihilferechtlichen Vorgaben stehen und bedürfen daher der Zustimmung der Europäischen Kommission.
Der Gesetzgeber erkannte, dass sich Maßnahmen zur Rekapitalisierung und Stärkung der Eigenkapitalausstattung von Unternehmen (z. B. über stille Beteiligungen, nachrangige Schuldverschreibungen oder über die Zeichnung von Anteilen im Rahmen einer Kapitalerhöhung) nur dann hinreichend zeitnah und transaktionssicher umsetzen lassen, wenn bestimmte Regelungen des Gesellschaftsrechts modifiziert werden. Diese sind jedoch zeitlich befristet und in ihrer Anwendbarkeit auf Stabilisierungsmaßnahmen des WSF beschränkt.
Antragsberechtig für Unterstützungsmaßnahmen nach dem WStFG sind nur Unternehmen der Realwirtschaft (also keine Unternehmen des Finanzsektors, keine Kreditinstitute und keine Brückeninstitute), die in den letzten beiden vor dem 1. Januar 2020 abgeschlossen Geschäftsjahren mindestens zwei der drei nachfolgenden Kriterien erreichten (§ 16 Abs. 2 FMStG n.F.):
Im Einzelfall können auch kleinere Unternehmen berücksichtigt werden, wenn sie in einem der in § 55 AWV genannten Sektor tätig sind (§§ 21 Abs. 1 S. 2, 22 Abs. 2 S. 3 FMStG n.F.), was vor allem Unternehmen betrifft, die für kritische Infrastrukturen wichtig sind.
Der WSF wird zu dem Zweck errichtet, Unternehmen der Realwirtschaft zu stabilisieren, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt hätte (§ 16 Abs. 1 FMStG n.F.). Über Anträge von Unternehmen der Realwirtschaft auf Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen sollen die beteiligten Ministerien (BMF und BMWi) im beidseitigen Einvernehmen nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden unter Berücksichtigung
Damit ihnen Stabilisierungsmaßnahmen gewährt werden können, müssen Unternehmen zudem folgende Voraussetzungen erfüllen (§ 25 Abs. 1 und 2 FMStG n.F.):
Bis zu einem Gesamtvolumen von EUR 400 Mrd. wird der WSF dazu ermächtigt, Garantien für Verbindlichkeiten und Schuldtitel von Unternehmen der Realwirtschaft zu gewähren, jedoch nur für solche neuen Schuldtitel oder Verbindlichkeiten, die ab dem Inkrafttreten des WStFG und bis zum 31. Dezember 2021 begeben bzw. begründet worden sind (§ 21 Abs. 1 FMStG n.F.). Die Laufzeiten der Garantien und der durch sie abzusichernden Verbindlichkeiten darf 60 Monate nicht übersteigen. Für die Übernahme der Garantien ist eine marktgerechte Gegenleistung zu erheben. Nähere Einzelheiten der Garantiegewährung durch den WSF können durch eine Rechtsverordnung geregelt werden (u.a. die Art der Garantie und Risiken, die durch sie abgedeckt werden können, die Berechnung und Anrechnung von Garantiebeträgen, die Gegenleistung und die sonstigen Bedingungen der Garantie, Obergrenzen für die Übernahme von Garantien für Verbindlichkeiten einzelner Unternehmen sowie für bestimmte Arten von Garantien und sonstige Bedingungen, die zur Sicherstellung des Stabilisierungszweckes erforderlich sind). Die Regelungen des § 6 Abs. 1a bis 3 FMStG gelten für Garantien des WSF entsprechend.
Bis zu einem Gesamtvolumen von EUR 100 Mrd. wird der WSF dazu ermächtigt, Rekapitalisierungsmaßnahmen vorzunehmen. Diese umfassen den Erwerb von nachrangigen Schuldtiteln, Hybridanleihen, Genussrechten, stillen Beteiligungen, Wandelanleihen, den Erwerb von Anteilen an Unternehmen und die Übernahme sonstiger Bestandteile des Eigenkapitals dieser Unternehmen, wenn dies für die Stabilisierung des Unternehmens erforderlich ist (§ 22 Abs. 1 FMStG n.F.). Sie müssen zu marktgerechten Bedingungen vorgenommen werden.
Im Wege der Rechtsverordnung können nähere Bestimmungen erlassen über die von den begünstigten Unternehmen zu erfüllenden weiteren Anforderungen erlassen werden, u.a. hinsichtlich der/den
Die Anforderungen können sich nach Art und Adressaten der Stabilisierungsmaßnahme unterscheiden und können auf der Grundlage des WStFG und der hierzu ergangenen Rechtsverordnung durch Vertrag, Selbstverpflichtung oder Verwaltungsakt festgelegt werden. Die Rechtsverordnung soll auch Rechtsfolgen einer Nichtbeachtung der vorgenannten Anforderungen regeln können.
Die Verwaltung des WSF (mit Ausnahme der Entscheidungen über Stabilisierungsmaßnahmen nach § 20 Abs. 1 FMStG n.F. und der Wahrnehmung der Aufgaben nach § 20 Abs. 3 FMStG n.F.) obliegt der Finanzagentur, welche insoweit der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums (BMF) untersteht (§ 18 Abs. 2 S. 3 FMStG n.F.).
Hinsichtlich Entscheidungen über Stabilisierungsmaßnahmen wird die Fachaufsicht vom BMF im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ausgeübt (§ 18 Abs. 2 S. 4 FMStG n.F.), d.h. beide Ministerien entscheiden im Einvernehmen über die Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen (§ 20 Abs. 1 FMStG n.F.).
Die fachlich allein zuständige Behörde für die Entgegennahme von Anträgen und für Verhandlungen mit Unternehmen über beantragte Stabilisierungsmaßnahmen ist das BMWi (§ 20 Abs. 4 FMStG n.F.). Durch Rechtsverordnung kann dies (zum Teil) aber auch auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) übertragen werden.
Die Führung der im Rahmen von Stabilisierungsmaßnahmen erworbenen Beteiligungen und die Verwahrung und Verwaltung der anderen im Rahmen von Rekapitalisierungsmaßnahmen nach § 22 FMStG n.F. übernommenen Instrumente obliegt dem BMF (§ 20 Abs. 3 FMStG n.F.).
Für Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft sieht das WStFG besondere gesellschaftsrechtliche Privilegierungen für eine raschere und transaktionssicherere Umsetzung von Stabilisierungsmaßnahmen vor (vgl. §§ 5 – 8 Wirtschaftsstabilisierungsgesetz, WStFBG[4]), welche nach § 9 WStFBG sinngemäß auch für Europäische Gesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien gelten. Dies sind u.a.:
Ein Teil der gesellschaftsrechtlichen Privilegierungen gilt auch für Stabilisierungsmaßnahmen bei Unternehmen anderer Rechtsformen, u.a. für die GmbH, die GmbH & Co. KG und stille Gesellschaften.
Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht: Stabilisierungsmaßnahmen sind komplexe Transaktionen, die auf die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens maßgeschneidert werden müssen. Auch wenn das WStFG bereits weitreichende Privilegierungen für die Anforderungen des Gesellschaft- und Kapitalmarktrechts vorsieht, umschifft es bei weitem nicht alle Klippen, die sich bei derart (zeit-)kritischen Transaktionen typischerweise auftun. Unsere profunde Transaktionserfahrung hilft uns bei der hierfür erforderlichen „Lotsentätigkeit“.
EU-Beihilferecht: Die Vorschriften des EU-Beihilferechts stehen einer Beteiligung der öffentlichen Hand an Unternehmen grundsätzlich nicht entgegen. Aufgrund des private-investor-Tests / der pari-passu-Kriterien ist sicherzustellen, dass durch die Kapitalbeiträge des Staates keine rechtswidrigen Beihilfen gewährt werden. Sind staatliche Beihilfen tatbestandlich nicht auszuschließen, gewährleisten wir, dass die Maßnahmen gemäß den einschlägigen Vorgaben des EU-Beihilferechts als mit dem Binnenmarkt vereinbar genehmigt werden könnten. Wir haben dazu bereits im Zuge der „Finanzkrise“ umfassend beraten.
Finanzierungsrecht: Will ein Unternehmen von den staatlichen Bürgschaften und Garantien profitieren, wird die Abstimmung mit den sonstigen Gläubigern des Kreditnehmers der Schlüssel zum Erfolg sein. Daneben spielen auch die Antragsberechtigung, die Gruppenstruktur (insbesondere bei Private Equity Portfoliogesellschaften) und das Wechselspiel mit bestehenden Finanzkennzahlen eine entscheidende Rolle. Die Schnittstellen zu bestehenden Finanzierern zu definieren und sie zum obligatorischen Eigenbeitrag zu bringen, erfordern Know-How und Verhandlungsgeschick.
Steuerrecht: Wir wissen, wie wichtig es ist, staatliche Unterstützungsmaßnahmen in steuerlicher Hinsicht so strukturieren, dass ihr Sanierungsbeitrag für die begünstigten Unternehmen bei einer Inanspruchnahme nicht zu vermeidbaren Steuerschäden führt.
Haushaltsrecht / Corporate Governance Kodex des Bundes: Auch wenn die Vorgaben der §§ 65 – 69 BHO für Beteiligungen des Bundes an Unternehmen mittels Rekapitalisierungsmaßnahmen des WStFG keine Anwendung finden (§ 22 Abs. 2 FMStFG n.F.), müssen die weiteren Vorgaben des Bundeshaushaltsrechts bzw. die einschlägigen Vorgaben der Landeshaushaltsordnungen eingehalten werden (z.B. für Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Sinne von § 7 Abs. 2 BHO).
Für alle Fragen rund um das Thema Beteiligungen der öffentlichen Hand an Unternehmen stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.
[1] Diese Zusammenfassung beruht auf der am 23. März 2020 vom Bundesministerium für Finanzen veröffentlichten Entwurfsfassung.
[2] https://www.bayern.de/bericht-aus-der-kabinettssitzung-vom-24-maerz-2020/?fbclid=IwAR32ru6E4iC_Kmk08pIwmJQPWwhPJn2TdARzdyE8jeySl2DcpHEApYgz258.
[3] Vgl. hierzu die Kriterien nach Rn. 20 der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (Amtsblatt der EU C 249/1 vom 31.07.2014) sowie nach Art. 2 Ziffer 18 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Amtsblatt der EU L 187/1 vom 26.06.2014).
[4] Gemäß Artikel 2 des WStFG soll das FMStBG in Wirtschaftsstabilisierungsgesetz umbenannt werden, wofür nachfolgend die Abkürzung WStFBG verwendet wird.
zur PDF-Version: Stabilisierungsmaßnahmen und Beteiligungen der öffentlichen Hand an Unternehmen nach dem Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz (WStFG) – unsere Expertise
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