Mit dem Vormarsch der Digitalisierung in nahezu sämtlichen Lebens- und Geschäftswelten hat auch die Bedeutung von Tech M&A-Transaktionen spürbar zugenommen – ein Trend, der sich in den kommenden Jahren noch weiter verstärken wird. Etablierte Geschäftsmodelle von traditionellen Industrieunternehmen werden durch digitale, leicht skalierbare Angebote herausgefordert, und institutionelle Anleger und Finanzinvestoren, die mit Niedrig- bzw. Negativzinsen kämpfen, suchen inmitten der vorherrschenden „Geldschwemme“ nach geeigneten, lukrativen Anlagemöglichkeiten bei gleichzeitiger Risikominimierung. Demzufolge umwerben Unternehmen wie Finanzinvestoren aufstrebende Start-ups, speziell in den Bereichen IT/Software und Gesundheit, mit offenen Armen: Allein in 2020 sammelten europäische Start-Ups laut PitchBook (European Venture Report 2020) knapp 43 Milliarden Euro an Investorengeldern, davon knapp 20 Milliarden Euro von strategischen Investoren, ein – beides Rekorde, die (vermutlich) in 2021 abermals eingestellt werden.
Interessenlagen und Instrumente
Finanzinvestoren verfolgen bei ihren (Co-) Investments in Start-ups vornehmlich eine möglichst hohe finanzielle Rendite, die sie bei einem Exit, d.h. einem Verkauf oder Börsengang des jeweiligen Unternehmens, realisieren. Je nach Industrie- und Unternehmensphasen-Fokus werden hierzu entsprechende Venture Capital-Fonds aufgesetzt, deren Mittel über einen bestimmten Zeitraum in mehrere Start-ups investiert werden. Die Motivlage von Industrieunternehmen ist dagegen vielschichtiger, vorwiegend aber strategisch getrieben und zielt unter anderem auf den Zugang zu neuen, innovativen Technologien, eine Stärkung der Innovationspipeline oder allgemein „Lerneffekte“ und / oder Präsenz im sich neu herausbildenden branchenspezifischen Ökosystem von Marktteilnehmern ab. Unternehmen können dabei auf unterschiedlichen Wegen mit Start-ups zusammenarbeiten bzw. sich an ihnen beteiligen. Je nach strategischer Zielsetzung und branchenabhängig kommen in Betracht: (Technologie-) Entwicklungs- und Kooperationsvereinbarungen, Lizenzierungsverträge, Joint Ventures, Inkubations-/Accelerator-Programme oder Investments in Start-ups, für die Unternehmen im Gegenzug eine Minderheitsbeteiligung erhalten. Dabei investieren Unternehmen zumeist über eigens aufgesetzte Investitionsvehikel (sogenanntes „Corporate Venture Capital“ / CVC), zum Teil aber auch direkt „aus der Bilanz“. In Deutschland und Europa ist Corporate Venture Capital heutzutage ein fester Bestandteil der (externen) Innovationsstrategie von Unternehmen.
Strukturierung von (Co-) Investments
Finanzinvestoren und strategische Investoren, die in Tech-Unternehmen investieren, streben in der Regel eine Minderheitsbeteiligung in Höhe von zehn bis 25 Prozent an. Je nach Entwicklungsstufe oder Liquiditätsbedarf des jeweiligen Start-ups werden alternativ auch zunächst Wandeldarlehen (Convertible Notes) ausgegeben, die es dem Investor ermöglichen, im Rahmen einer zeitlich nachfolgenden Finanzierungsrunde zu einer gedeckelten Unternehmensbewertung (zuzüglich eines etwaigen Nachlasses) Gesellschafter des Unternehmens zu werden. Finanzinvestoren schauen vor allem exit-orientiert auf ihre Investments und mischen sich in die operativen Themen des Managements eher weniger ein. Dagegen legen strategische Investoren insbesondere Wert auf vertragliche Regelungen, die es ihnen ermöglichen, das Start-up zu einem späteren Zeitpunkt vollständig zu erwerben, zumindest aber ein Veto-Recht im Hinblick auf die Veräußerung an Konkurrenzunternehmen einräumen, sowie eine aktive Einwirkung und Einbindung in relevante Entscheidungsprozesse, was sich entsprechend in der Governance des Start-ups niederschlägt. Die vertragliche Fixierung von Erwerbsrechten zugunsten von strategischen Investoren ist allerdings ein zweischneidiges Schwert: Sie limitiert das Start-up auf eine konkrete Exit-Variante und kann sich daher langfristig negativ auf dessen (in einem Exit-Falle realisierbare) Bewertung auswirken.
Besonderheiten bei Tech-Investments
Der wesentliche Wert von Tech-Unternehmen besteht in der von ihnen entwickelten Technologie, ihrem Know-how und Schlüsselmitarbeitern. Daher spielt bei Tech-Investments die „Absicherung“ dieser wesentlichen Assets eine große Rolle. Diese erfolgt zum einen über vertragliche Garantien, mit denen das jeweilige Unternehmen (und die dahinterstehenden Gründer) zusichern, dass die Rechte an der relevanten Software und dem dahinterstehenden Source Code bei dem Unternehmen liegen und die etwaige Verwendung von „Open Source“-Software das Unternehmen nicht zur Offenlegung seines Source Codes („Copy-Left“-Effekt) verpflichtet. Solche standardmäßigen Garantien sind indes bei Start-ups oftmals nicht viel wert (und entsprechende W&I-Versicherungen haben sich bislang noch nicht durchgesetzt). Je nach Größe des konkreten Investments kann es daher Sinn machen, das Start-up einer eingehenden IP/IT-Due Diligence zu unterziehen und zum Beispiel mittels einer sogenannten „Back Duck“-Due Diligence Risiken im Hinblick auf die Verwendung von Open Source Software zu identifizieren sowie die bestehende/n IT-Infrastruktur und Datenschutzmanagement-Systeme zu analysieren. Um die Risiken gewissermaßen zu „strecken“ machen Finanz- und strategische Investoren ihre Investments in Tech-Unternehmen, deren Technologie noch am Anfang ihrer Entwicklung und Kommerzialisierung steht, auch vom Erreichen bestimmter technologischen und / oder kommerziellen Meilensteine abhängig – und erst bei Erreichen dieser Meilensteine werden dann vertraglich festgelegten Tranchen des Gesamt-Investments fällig. Und schließlich kommt der Incentivierung der Gründer und weiteren wesentlichen Mitarbeiter als auch ihrem Verbleib im Unternehmen eine besondere Bedeutung bei Tech-Investments zu. Besonderes Augenmerk ist daher auf entsprechende Regelungen zur Bindung der wesentlichen Mitarbeiter an das Start-up zu legen als auch übliche Wettbewerbsverbotsklauseln (und deren Unterlegung durch entsprechende Vertragsstrafen) bei Ausscheiden aus dem Unternehmen.
Erfolgsfaktoren für Tech-Investments
Wesentliche strukturelle Erfolgsfaktoren für Investitionsstrategien für Tech-Investments, insbesondere von Industrieunternehmen im Rahmen ihrer Corporate-Venture-Capital-Aktivitäten, sind: Ein Team mit ausgewiesenen Industrieexperten, die nicht nur exzellente Verbindungen und Netzwerke in die Venture-Capital-Szene haben, sondern ebenso gut in das Mutterunternehmen selbst vernetzt sind; ein klarer, auf die Strategie des Industrieunternehmens abgestimmter Investitionsfokus sowie klare Erfolgskennziffern, nach denen Tech-Investments im Unternehmen beurteilt werden (und ggf. beendet werden); schnelle Entscheidungsprozesse in Bezug auf (Folge-) Investments, die nicht durch Hierarchieebenen und Gremienvorbehalte des Mutterunternehmens ausgehebelt werden; und schließlich die Einrichtung von organisatorischen und personellen „Brücken“ zwischen Start-up und Unternehmen, die es dem Start-up einerseits ermöglichen, an kritische Ressourcen und Experten des Unternehmens zu gelangen, und durch die andererseits die aus dem Tech-Investment für das Unternehmen gewonnenen Erkenntnisse bestmöglich und an der richtigen Stelle im Unternehmen verwertet werden.
Ausblick
(Co-) Investments in Tech-Unternehmen eröffnen Finanzinvestoren und strategischen Investoren große Chancen, um finanziell und / oder strategisch an aktuellen Wachstumstrends zu partizipieren. Gleichzeitig bringt die Strukturierung solcher Investments eine nicht zu unterschätzende Komplexität mit sich. Aufgrund gesenkter Aufgriffsschwellen (nach der aktuell geltenden 17. Novelle der Außenwirtschaftsverordnung bereits ab einem Erwerb von zehn bzw. 20 Prozent der Anteile) und einer weiteren Ausdehnung auf sicherheitsrelevante Bereiche – insbesondere Tech-relevante Bereiche wie zum Beispiel Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, Robotik oder Cybersicherheit – müssen, je nach Herkunft des Investors, bei Tech-Investments zunehmend auch außenwirtschaftsrechtliche Hürden mitberücksichtigt und adressiert werden – eine Entwicklung, die sich angesichts des Ringens zwischen den USA, China und Europa um die globale Vormachtstellung in technologischen Schlüsselindustrien in den kommenden Jahren noch verschärften dürfte.