Das Fremdbesitzverbot ist ein zentrales Thema in der Diskussion um die Unabhängigkeit von Steuerberater- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Es regelt, dass Nicht-Berufsträger keine Anteile an entsprechenden Berufsausübungsgesellschaften halten dürfen.
Am 7. August 2025 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den Referentenentwurf für das Neunte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) veröffentlicht. Versteckt in einer scheinbar technischen Änderung des § 55a StBerG steckt eine weitreichende Reform:
Künftig sollen sich nur solche Wirtschaftsprüfungs- und Buchprüfungsgesellschaften an Steuerberatungsgesellschaften beteiligen dürfen, die selbst sämtliche Anerkennungsvoraussetzungen nach dem StBerG erfüllen. Damit würde eine bislang gängige Struktur, über die sich Finanzinvestoren regelmäßig über EU-/EWR-Prüfungsgesellschaften mittelbar an Steuerberatungsgesellschaften beteiligen, faktisch ausgeschlossen.
In unserer Beitragsserie beleuchten wir die rechtlichen, wirtschaftlichen und praktischen Folgen der geplanten Neuregelung und halten Sie über den aktuellen Stand auf dem Laufenden.
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Was ist das Fremdbesitzverbot?
Das Fremdbesitzverbot untersagt es Personen oder Unternehmen, die selbst nicht zur Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung, Buchprüfung oder Rechtsberatung befugt sind – etwa Finanzinvestoren oder Family Offices – Anteile an einer Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu halten oder maßgeblichen Einfluss auf deren Geschäftstätigkeit auszuüben.
Ziel der Regelung ist der Schutz der beruflichen Unabhängigkeit von Steuerberaterinnen und Steuerberatern sowie die Vermeidung von Interessenkonflikten, die entstehen könnten, wenn Investoren Renditeinteressen über berufsrechtliche Pflichten stellen.
In Deutschland zählt das Fremdbesitzverbot zu den strengsten in Europa. Ähnliche Vorgaben gelten auch für andere freie Berufe – etwa für Rechtsanwälte nach der BRAO.
Warum das Fremdbesitzverbot aktuell so relevant ist
Das Fremdbesitzverbot steht wieder im Fokus, weil das BMF mit dem neuen Referentenentwurf eine erhebliche Verschärfung des § 55a StBerG plant.
Bislang konnten sich auch EU- oder EWR-Prüfungsgesellschaften an deutschen Steuerberatungsgesellschaften beteiligen – eine Gestaltung, die internationale Kooperationen und Investitionen erleichterte. Diese Möglichkeit soll nun weitgehend entfallen.
In einer Zeit, in der der Berufsstand mit Fachkräftemangel, Nachfolgeproblemen und hohem Digitalisierungsdruck konfrontiert ist, stellt sich die Frage, ob ein strengeres Fremdbesitzverbot wirklich der Unabhängigkeit dient – oder ob es vielmehr Innovation, Kapitalzufluss und Modernisierung behindert.
Ist das Fremdbesitzverbot eine Innovationsbremse?
Nach Einschätzung der Taylor-Wessing-Rechtsanwälte Anne-Kathrin Hoppe und Dr. Martin Jäger greift die Argumentation vieler Befürworter des Fremdbesitzverbots zu kurz.
„Ein zu rigides Fremdbesitzverbot droht den Zugang zu dringend benötigtem Kapital zu blockieren – und damit die notwendige Modernisierung des Berufsstands zu erschweren“, warnt Anne-Kathrin Hoppe, Salary Partnerin bei Taylor Wessing.
Die Realität: Viele Steuerberaterinnen und Steuerberater der Babyboomer-Generation stehen vor dem Ruhestand, während jüngere Berufsträger zunehmend die Sicherheit einer Anstellung bevorzugen. Gleichzeitig wächst der Investitionsbedarf für digitale Plattformen, Automatisierung und KI-gestützte Tools – ohne externes Kapital kaum realisierbar.
Was spricht für und was gegen das Fremdbesitzverbot?
Die Befürworter einer Verschärfung des Fremdbesitzverbots führen regelmäßig an, dass ein stärkerer Kapitalschutz notwendig sei, um die berufliche Unabhängigkeit von Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen zu gewährleisten. Sie argumentieren, dass externe Investoren potenziell Einfluss auf fachliche Entscheidungen nehmen könnten und damit das Mandantenvertrauen gefährden.
Nach unserer Einschätzung greift diese Argumentation zu kurz. Ein generelles Fremdbesitzverbot kann die Branche strukturell schwächen und notwendige Modernisierungsprozesse behindern:
- Erschwerte Kapitalaufnahme für Investitionen in Digitalisierung, KI und Automatisierung
- Behinderung von Nachfolgelösungen im Mittelstand
- Wettbewerbsnachteil gegenüber liberaleren europäischen Märkten
- Verlust an Innovationskraft und internationaler Anschlussfähigkeit
Moderne Governance-Strukturen, Transparenzpflichten und aufsichtsrechtliche Mechanismen könnten dieselbe Schutzwirkung entfalten – ohne die Branche strukturell auszubremsen.
Welche Auswirkungen hätte ein Fremdbesitzverbot?
Ein verschärftes Fremdbesitzverbot würde die Konsolidierung des Steuerberatungsmarkts bremsen und den Zugang zu Investitionskapital massiv einschränken. Besonders betroffen wären kleine und mittelgroße Kanzleien, die auf externe Partner zur Finanzierung von Nachfolge- und Digitalisierungsprojekten angewiesen sind.
Langfristig droht ein Innovationsrückstand gegenüber internationalen Wettbewerbern, die dank offenerer Eigentumsmodelle flexibler agieren und stärker in Technologie investieren. Für Mandantinnen und Mandanten könnte dies weniger Wettbewerbsvielfalt, höhere Preise und geringere digitale Serviceangebote bedeuten – eine Schwächung der gesamten Beratungslandschaft in Deutschland.
Unsere Position: Unabhängigkeit ja, Pauschalverbote nein
Unabhängigkeit ist das Fundament des Berufsstands. Doch wer sie ausschließlich durch pauschale Fremdbesitzverbote sichern will, schneidet der Branche ihre Entwicklungschancen ab.
Governance-Regeln und berufsaufsichtliche Kontrolle wären das differenziertere Instrument, um beides zu erreichen: Unabhängigkeit und Zukunftsfähigkeit.
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Aktuelle Entwicklungen und der neueste Stand
- Am 7. August 2025 veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen den Referentenentwurf für das Neunte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes.
- Kernpunkt ist die geplante Verschärfung des § 55a StBerG: Künftig sollen auch Wirtschafts- und Buchprüfungsgesellschaften, die sich an Steuerberatungsgesellschaften beteiligen, die vollen Anerkennungsvoraussetzungen nach dem StBerG erfüllen müssen – indirekte Beteiligungsmodelle über EU/EWR-Prüfungsgesellschaften wären damit ausgeschlossen.
- Der Entwurf befindet sich derzeit im Stadium eines Referentenentwurfs. Als nächstes soll der Referentenentwurf im Bundeskabinett beschlossen werden. Der Termin der Beschlussfassung verschiebt sich aber immer wieder, was für Uneinigkeit innerhalb der Bundesregierung hinsichtlich dieses Themas spricht. Bundeswirtschaftsministern Katherina Reiche äußerte sich zuletzt kritisch zum Vorstoß des Finanzministers. Eine Einigung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Sicht. Nach der Kabinettsbefassung folgen Verbandsanhörungen, Stellungnahmen und das reguläre parlamentarische Verfahren.
- Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat bereits formelle Stellungnahmen abgegeben und verfassungs- sowie europarechtliche Bedenken geäußert.