In einem aktuellen Beschwerdeverfahren beschloss das Landesarbeitsgericht Köln, dass für einen Schiedsrichter im professionellen Fußball der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist. Die noch nicht rechtskräftige Entscheidung weicht von der bisherigen Rechtsprechung ab und birgt rechtliche Risiken. Dabei könnte der Streit über den Arbeitnehmerstatus von Profi-Schiedsrichtern vor dem Bundesarbeitsgericht in die „Verlängerung“ gehen.
Fall: Rüge der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte
Ein zuletzt in der 3. Liga tätiger Schiedsrichter klagt vor dem Arbeitsgericht Bonn auf Entschädigungsansprüche wegen Altersdiskriminierung gegen die Gesellschaft, die für die Organisation der Schiedsrichter im deutschen Profi-Fußball zuständig ist. Die Beklagte rügte die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Das Arbeitsgericht Bonn erklärte daraufhin den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 12. Februar 2025, 4 Ca 2061/24). Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Bonn bestehe zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis, denn der Kläger sei in seiner Tätigkeit als Schiedsrichter nicht weisungsgebunden und fremdbestimmt. Insbesondere während des Fußballspiels träfe ein Schiedsrichter selbständig Entscheidungen, die nur durch ihn zurückgenommen oder korrigiert werden können („Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift“). Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn legte der Kläger sofortige Beschwerde ein.
Entscheidung: Rechtsweg zu Arbeitsgerichten zulässig
Das im Beschwerdeverfahren zuständige Landesarbeitsgericht Köln erklärte den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig (Beschluss vom 16. Juni 2025, 5 Ta 58/25). Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts liege ein Arbeitsverhältnis vor, weil der Kläger von der Beklagten persönlich abhängig sei. Um im professionellen Fußball als Schiedsrichter tätig sein zu können, müsse der Kläger mit der Beklagten aufgrund ihrer „Monopolstellung“ einen Vertrag abschließen. Dem Schiedsrichter stünde faktisch keine Entscheidungsfreiheit bezüglich der von ihm zu leitenden Spielen zu, da er bei einer Ablehnung der zugewiesenen Spiele mit Sanktionen seitens der Beklagten rechnen müsse. Dagegen könne die Beklagte ohne Begründung eine Einteilung des Schiedsrichters unterlassen. Die ihm zugewiesenen Spiele habe der Schiedsrichter höchstpersönlich zu leiten, wobei die Beklagte eine einheitliche Auslegung des Regelwerks unter anderem durch verpflichtende Fortbildungsmaßnahmen für die Schiedsrichter anstrebe.
Hintergrund: Abweichung von bisheriger Rechtsprechung
Bisher verneinte die Rechtsprechung die Arbeitnehmereigenschaft von Profi-Schiedsrichtern. Insbesondere das Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (Urteil vom 12. Februar 2020, AZ. 2 Sa 172/19) und das Hessischen Landesarbeitsgericht (Urteil vom 15. März 2018, AZ. 9 Sa 1399/16) nahmen eine abweichende Gewichtung der Umstände vor. Demnach seien Profi-Schiedsrichter nicht weisungsgebunden, weil sie die ihnen unterbreiteten Spielleitungen ohne nachteilige Folgen ablehnen könnten (Konsensprinzip). Ferner ergebe sich auch nicht aus den verpflichteten Lehrgängen, der vorgegebenen Ausrüstung und den festgelegten Spielzeiten eine fremdbestimmte Tätigkeit.
Ausblick: Rechtsbeschwerde möglich
Der noch nicht rechtskräftige Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln zeigt exemplarisch, dass die Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbstständigen Tätigkeit komplex ist. Dabei hat die rechtliche Einordnung der Tätigkeit eines Profi-Schiedsrichters nicht nur prozessuale Bedeutung mit Blick auf die Zuständigkeit des Gerichts. Ein etwaiger rechtswidriger Einsatz von Fremdpersonal birgt grundsätzlich das Risiko einer Scheinselbstständigkeit mit entsprechenden sozialversicherungs- und lohnsteuerrechtlichen Folgen. Allerdings bleibt abzuwarten, ob Schiedsrichter aus dem Profi-Fußball tatsächlich zukünftig als Arbeitnehmer vor den Arbeitsgerichten klagen können. Das Landesarbeitsgericht Köln ließ die Rechtsbeschwerde zu, weshalb das Bundesarbeitsgericht sich mit der Rechtsfrage möglicherweise beschäftigen wird.