Um die teils massiven Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die deutsche Wirtschaft abzumildern, hat der Bund in Kooperation mit den Ländern bereits unmittelbar zu Beginn der Pandemie verschiedene Hilfsprogramme aufgelegt (s. dazu auch unseren Artikel vom 24. Oktober 2023). Derzeit sind die Behörden damit beschäftigt, die ausgezahlten „Corona-Hilfen“ schlussabzurechnen. Viele Empfänger der „Corona-Hilfen“ sehen sich mit Rücknahme- und Rückforderungsbescheiden, oftmals über den kompletten Zuwendungsbetrag, konfrontiert. Jüngst hat sich auch der EuGH (Urteil vom 3. Juli 2025, Rs. C 653/23 – TOODE) zu den EU-beihilferechtlichen Grundlagen der Förderung geäußert.
Aktueller Stand der behördlichen Praxis / gerichtlicher Entscheidungen
Nach wie vor vertreten die Bewilligungsstellen häufig sehr strenge Auffassungen. Insbesondere wird vorgebracht, es handele sich bei den geltend gemachten Umsatzeinbußen (Voraussetzung für eine Zuwendung) nicht um „coronabedingte Umsatzrückgänge“. Vielmehr sollen diese Einbußen auf wirtschaftlichen Faktoren allgemeiner Art beruhen (z.B. geändertes Konsumverhalten der Kunden, Angst vor Inflation, globale Lieferengpässe etc.) und somit dem generellen unternehmerischen Risiko unterliegen. In vielen Fällen bestätigen die Verwaltungsgerichte in erster Instanz die Rückforderungen. Es gibt aber auch einige Entscheidungen zu Gunsten der Zuwendungsempfänger. So hatte das Land Nordrhein-Westfalen dem Zweitligisten Fortuna Düsseldorf während der Pandemie EUR 1,7 Mio. gezahlt. Diese Zuwendung wollte das Land mit der Argumentation zurückfordern, die Umsätze seien nicht allein coronabedingt gewesen, sondern auch auf den Abstieg des Vereins aus der Bundesliga zurückzuführen. Das VG Düsseldorf (Urteil vom 15. April 2025 – 16 K 937/22) hob den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid auf. Die Rückforderung sei ermessensfehlerhaft gewesen. Verschiedene Landesbehörden hätten – auch im Falle des Profisports – die Frage der Coronabedingtheit des Umsatzrückganges nicht einheitlich bewertet. In einem Fall aus Ostwestfalen sei der Ligaabstieg z.B. nicht berücksichtigt worden. Das Land hat gegen das Urteil beim OVG des Landes Nordrhein-Westfalen einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt.
Es ist daher unerlässlich, die Begründungen der Behörden für eine Rückforderung von „Corona-Hilfen“ genau zu prüfen. Nicht immer ist das behördenseits oft vorgebrachte Argument der einheitlich (strengen) Verwaltungspraxis ausreichend.
Die EuGH-Entscheidung in Sachen TOODE
Die „Corona-Hilfen“ sind – in den EU-rechtlichen Rahmen eingeordnet – tatbestandliche Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV, die mit dem Binnenmarkt vereinbar (und daher rechtmäßig sind). Das kann auch im Rahmen von Transaktionen bei der Beurteilung von Rückforderungsrisiken relevant werden (s. dazu Beitrag vom 24. Oktober 2023). Die (Beihilfe)¬Rechtmäßigkeit der „Corona-Hilfen“ beruht auf dem von der EU-Kommission beschlossenen „Befristeten Rahmen“, der zur Bewältigung der Corona-Pandemie den Mitgliedsstaaten erlaubte, Unternehmen unter gewissen Voraussetzungen Beihilfen zu gewähren. Das Wirtschaftsministerium gab auf Basis des „Befristeten Rahmens“ die nationalen Förderbedingungen bekannt. Die „Corona-Hilfen“ sind daher EU-rechtskonform, solange sie den jeweils einschlägigen, nationalen Vorschriften entsprechen (hier den Förderbedingungen der „Corona-Hilfen“).
Der EuGH (Urteil vom 3. Juli 2025, Rs. C 653/23 – TOODE) musste unlängst auf Vorlage eines lettischen Gerichts im Wege der Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV entscheiden, wie die rechtswidrige Ablehnung einer „Corona Hilfe“ durch eine Behörde zu beurteilen ist, wenn ein Gerichtsentscheid später zugunsten des Antragstellers ausfällt. Denn im lettischen Fall war im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung die zugrundeliegende Beihilferegelung bereits abgelaufen. Damit lag strenggenommene keine EU-beihilferechtliche Grundlage mehr vor.
Der EuGH entschied, dass in diesem Fall der Zeitpunkt des Rechtsanspruchs des antragsstellenden Unternehmens entscheidend sei – also der Zeitpunkt der unrechtmäßigen Ablehnung der „Corona-Hilfe“ – und eben nicht der Zeitpunkt der späteren gerichtlichen Entscheidung. Das begründete der EuGH u.a. mit dem in Art. 47 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta garantierten „Recht auf einen Rechtsbehelf“. Denn dieses Recht liefe leer, wenn man im lettischen Fall auf den Zeitpunkt der späteren Gerichtsentscheidung abgestellt hätte.
Die Entscheidung des EuGH ist somit unmittelbar für Fälle relevant, in denen die „Corona-Hilfen“ zu Unrecht erst gar nicht ausgezahlt wurden. Hier stärkt der EuGH die Rechte der betroffenen Unternehmen und stellt klar, dass langwierige Gerichtsverfahren nicht zu Lasten der Antragsteller gehen dürfen.
Was ist zu tun?
Die Auszahlung von „Corona-Hilfen“ wurde Ihnen zu Unrecht verweigert? Sie haben einen Rücknahme- und Rückforderungsbescheid erhalten und haben Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit? Das Target einer bevorstehenden Transaktion hat „Corona-Hilfen“ erhalten?
Ihr Taylor Wessing Team berät Sie gerne!