Unternehmen haben seit dem 1. Juni 2025 die Möglichkeit, bedeutsame Rechtsstreitigkeiten in München beim Commercial Court des Oberlandesgerichts (OLG) München auszutragen. Seit dem 1. Juni 2025 sind am OLG München zwei neue Zivilsenate (40. und 41. Zivilsenat) als Commercial Court eingerichtet – das auch zuständig ist für die OLG-Bezirke Bamberg und Nürnberg. Auf Wunsch können die Beteiligten das Verfahren auch vollständig in englischer Sprache führen. Der Gesetzgeber nimmt zudem auf die Geheimhaltungsbedürfnisse der Unternehmen Rücksicht.
Der Commercial Court ist als erstinstanzliches Gericht ab einem Streitwert von EUR 500.000,00 zuständig für
- Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmen innerhalb der Lieferkette, also Streitigkeiten zwischen einem Hersteller und einem Zulieferer oder Zulieferern untereinander (mit Ausnahme von Streitigkeiten auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, des Urheberrechts sowie über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), sowie
- Rechtsstreitigkeiten zwischen einer Gesellschaft und Mitgliedern des Leitungsorgans oder Aufsichtsrats (mit Ausnahmen u.a. für Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Beschlüssen der Gesellschafter oder Gesellschaftsorgane).
Die Parteien müssen zudem die Zuständigkeit des Commercial Courts in der ersten Instanz ausdrücklich vereinbaren (§ 119b Abs. 2 S. 3 GVG). Alternativ lässt sich die andere Partei nach Klageerhebung beim Commercial Court in der Klageerwiderung rügelos ein (§ 119b Abs. 2 S.3 GVG) oder eine Partei beantragt nach Klageerhebung beim Landgericht– ohne Vereinbarung über die Zuständigkeit des Commercial Courts – die Verweisung an den Commercial Court (§ 611 Abs. 1 ZPO). Zur Vermeidung von Unsicherheiten sollten die Parteien die Zuständigkeit in der Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich festlegen.
Hintergrund für die Einrichtung des Commercial Courts beim OLG München ist das „Gesetz zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit“ (BT-Drucksache 20/8649). Damit werden die Bundesländer ermächtigt, spezialisierte Spruchkammern für Handelssachen einzurichten. Davon hat der Freistaat Bayern nun Gebrauch gemacht in § 1a der Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz – GZVJu.
Stärkung des Justizstandortes Deutschland: Geheimhaltung und Abkehr von Schiedsverfahren
Ausdrückliches Ziel der Einführung von Commercial Courts am Oberlandesgericht München ist es, dass Unternehmen von (internationalen) Schiedsverfahren absehen und sich verstärkt der staatlichen Gerichtsbarkeit zuwenden. Aus wirtschaftlicher Sicht ist dieser Schritt begrüßenswert. Denn internationale Schiedsverfahren verursachen oft hohe Kosten für die Parteien.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil der Commercial Courts liegt darin, dass die Streitigkeiten von erfahrenen Richtern am Oberlandesgericht entschieden werden und damit eine hohe Qualität ab der ersten Instanz gewährleistet ist. Zudem haben die Parteien gemäß § 614 ZPO die Möglichkeit, gegen die Urteile des Commercial Courts sofort die Revision zum Bundesgerichtshof einzulegen – ohne dass der Revision Zulassungsbeschränkungen entgegenstehen.
Dem Bedürfnis der Unternehmen nach einer Geheimhaltung von sensiblen Geschäftsinformationen trägt der Bundesgesetzgeber Rechnung mit der Einführung des §273a ZPO (Geheimhaltung). Die Parteien können nun beantragen (auch in Verfahren außerhalb des Commercial Courts), dass das Gericht bestimmte streitgegenständliche Informationen als ganz oder teilweise geheimhaltungsbedürftig einstuft. Ist das der Fall, sind Nutzung und Offenlegung solcher Informationen untersagt – wobei hieran sowohl die Parteien als auch alle anderen Beteiligten des Rechtsstreits gebunden sind. Auch das Recht Dritter auf Akteneinsicht ist gemäß § 16 Abs. 3 GeschGehG auf geschwärzte Unterlagen beschränkt. Das Gericht kann zudem den Zugang zur Hauptverhandlung und zu den im Verfahren vorgelegten Dokumenten beschränken (§ 19 GeschGehG).
Praxishinweise:
Deutsche Unternehmen haben nun mit dem Commercial Court des OLG München die Möglichkeit, ihr vertrautes deutsches Recht und die Zuständigkeit vertrauter deutschen Gerichte zu halten und dabei gleichzeitig in englischer Sprache zu verhandeln – ohne kostspielige Schiedsverfahren zu wählen. Die Parteien sollten die Zuständigkeit des Commercial Court in der Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich festlegen, um Unsicherheiten über das zuständige Gericht zu vermeiden (beispielsweise mit einem Zulieferer: „Für alle Streitigkeiten mit Ausnahme von […] und einem Streitwert ab EUR 500.000,00 ist zuständig der Commercial Court am OLG München“).