Seit dem 1. Januar 2025 ist die überarbeitete EU-Kommunalabwasserrichtlinie (EU) 2024/3019 – kurz KARL – in Kraft. Sie zielt darauf ab, Mikroverunreinigungen im Abwasser, insbesondere Rückstände von Arzneimitteln und Kosmetika, wirksamer zu entfernen. Zentrales Element ist der verpflichtende Ausbau einer vierten Reinigungsstufe in großen Kläranlagen. Hersteller dieser Produkte müssen künftig mindestens 80 Prozent der entstehenden Kosten tragen.
Das Problem: Mikroschadstoffe im Abwasser
Bestehende dreistufige Kläranlagen (mechanisch, biologisch, chemisch) reichen oft nicht aus, um Mikroschadstoffe zu entfernen. Diese gelangen über Alltagsanwendungen ins Abwasser und reichern sich in Umwelt und Organismen an. KARL schließt eine Regelungslücke der alten Richtlinie aus dem Jahr 1991 und verpflichtet große Kläranlagen zur Nachrüstung mit einer vierten Reinigungsstufe, die gezielt Mikroschadstoffe eliminieren soll.
Technische Vorgaben und Zeitplan
KARL sieht mehrere Reinigungsstufen in kommunalen Kläranlagen vor:
Die erste Stufe ist die mechanische Reinigung, die grobe Schmutzpartikel herausfiltert. Danach folgt mit der zweiten Reinigungsstufe eine biologische Behandlung, die vor allem organisch abbaubare Stoffe entfernt. Die Zweitbehandlung ist ab dem 31. Dezember 2035 auch für Einleitungen aus kommunalen Kläranlagen mit einem Einwohnerwert von 1.000 bis 2.000 verpflichtend. „Einwohnerwert (EW)“ ist dabei eine fiktionale Rechengröße, die ausdrückt, wie stark das Abwasser verschmutzt ist. Einwohnerwert 1 ist die Menge von Abwasser, die ein einzelner Mensch pro Tag verursacht. Die dritte Reinigungsstufe dient der Entfernung von Stickstoff- und Phosphorverbindungen. Diese Nährstoffe können Gewässer belasten und zu deren Überdüngung (Eutrophierung) führen. Eine Drittbehandlung ist für Kläranlagen mit mehr als 10.000 EW vorgesehen, die in Gebiete einleiten, die von Eutrophierung betroffen oder bedroht sind, sowie für Anlagen mit 150.000 EW und mehr.
Neu hinzu kommt außerdem eine vierte Reinigungsstufe, die für Kläranlagen in Städten ab 150.000 EW verpflichtend ist. In besonders gefährdeten Gebieten gilt diese Pflicht bereits ab einer Größe von 10.000 EW. Sie soll gezielt Mikroschadstoffe wie z.B. Medikamentenrückstände oder Kosmetika aus dem Wasser entfernen. Für ihre Einführung gilt ein gestaffelter Fahrplan: Bis zum 31. Dezember 2033 müssen mindestens 20 Prozent der Kläranlagen mit 150.000 EW und mehr über eine vierte Reinigungsstufe verfügen, bis zum 31. Dezember 2039 sind es 60 Prozent und bis spätestens zum 31. Dezember 2045 alle Anlagen dieser Größe.
Verursacherprinzip und Herstellerpflichten
KARL führt das Verursacherprinzip ein: Hersteller von Humanarzneimitteln und Kosmetika müssen den Großteil der Kosten für Ausbau, Betrieb und Überwachung der neuen Reinigungsstufe sowie für die erforderliche Datenerhebung übernehmen. Auch müssen sie jährlich Daten über Mengen, Abbaubarkeit und Umweltgefahren ihrer Produkte melden.
Widerstand aus der Industrie
Die Pharma- und Kosmetikindustrie kritisiert die hohen Kosten und die langfristige Zahlungspflicht. Branchenverbände befürchten negative Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung. Mehrere Pharmaunternehmen haben daher Klage beim EU-Gericht eingereicht. Experten raten Unternehmen, sich frühzeitig vorzubereiten, um Kosten und Risiken zu minimieren.