Bereits 13 Tage nach der Bundestagswahl haben sich die beiden Verhandlungsgruppen der Christdemokraten (CDU und CSU) und der Sozialdemokraten (SPD) auf Eckpunkte für eine Große Koalition geeinigt. Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche betreffen vor allem Einigungen zur Wirtschaft, Migration und Arbeits- und Sozialpolitik und dienen als Grundlage für nun folgende Koalitionsverhandlungen.
Wirtschafts- und Energiepolitik
- Die Stromsteuer soll auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden, die Übertragungsnetzentgelte sollen in einem ersten Schritt halbiert und später dauerhaft gedeckelt werden und die Strompreiskompensation soll erweitert und verlängert werden
- Im Rahmen einer Kraftwerksstrategie sollen unter anderem Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von 20 Gigawatt gebaut werden (bis 2030). Ebenso sollen Erneuerbare Energien sollen ausgebaut werden. In Deutschland soll der weltweit erste Fusionsreaktor gebaut werden.
- Die Nutzung der CCS-Technologie (Abscheidung und Speicherung von CO2) soll ermöglicht werden.
- Strategisch wichtige Industrien, wie zum Beispiel die Auto-, Halbleiter- oder Pharma-Industrie sollen gestärkt werden, unter anderem durch eine sogenannte Hightech-Agenda.
- Die Koalition wird sich für den Abschluss von Freihandelsabkommen, zum Beispiel mit den USA, einsetzen.
Arbeits- und Sozialpolitik
- Es soll eine neue Grundsicherung für Arbeitssuchende erarbeitet werden (Reform des sogenannten Bürgergelds); bei fehlender Mitwirkung der Arbeitssuchenden soll ein vollständiger Leistungsentzug möglich sein. Bestehende Sozialleistungen sollen zusammengefasst und besser aufeinander abgestimmt werden.
- Der Mindestlohn soll auf 15 EUR steigen (bis 2026).
- Künftig soll es eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit geben, ebenso sollen Rahmenbedingungen für die Digitalisierung und Nutzung von KI in der Arbeitswelt geschaffen werden.
- Die Koalition sagt eine Sicherung des derzeitigen Rentenniveau zu; der Übergang zwischen Arbeit und Rente soll verbessert und durchlässiger werden, sodass auch freiwillige Arbeit im Rentenalter (wirtschaftlich) attraktiv bleibt.
Steuerpolitik
- Die Koalition möchte die Einkommenssteuer sowie die Unternehmenssteuer reformieren.
- Wenn Arbeitnehmer Mehrarbeit verrichten, soll sich das steuerlich positiv auswirken.
- Die Agrardiesel-Rückvergütung wird wieder eingeführt.
ESG
- Bürokratie und nicht notwendige Berichts-, Dokumentations- und Statistikpflichten sollen im Rahmen des Möglichen abgeschafft werden.
- Die Bürokratisierung soll in den nächsten vier Jahren um 25% gesenkt werden.
- Behördengeschäfte sollen digitalisiert und automatisiert werden.
Migration
- Bürokratische Hürden, die die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte behindert, sollen abgeschafft werden; Berufsqualifikationen sollen schneller anerkannt werden. Um die qualifizierte Einwanderung zu verbessern, wird eine Agentur für Fachkräfteeinwanderung errichtet.
- Irreguläre Migration soll reduziert werden, unter anderem durch Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Außengrenzen. Freiwillige Ausnahmeprogramme werden beendet und der Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten wird (befristet) ausgesetzt.
Sonstige Vorhaben
- Die Krankenhausversorgung in der Stadt und auf dem Land soll bedarfsgerecht ausgestaltet sein. Ebenso plant die künftige Koalition eine umfassende Pflegereform.
- Die Mietpreisbremse soll für zwei Jahre verlängert werden; Planungsverfahren sollen beschleunigt und Baustandards vereinfacht werden.
- Derzeit gilt in Deutschland die Schuldenbremse, wonach der Bundestag maximal 0,35% des Bruttoinlandsprodukts als Neuschulden aufnehmen darf. Es wird eine Expertenkommission eingesetzt, die Reformvorschläge für eine Anpassung der Schuldenbremse erarbeitet, um diese etwas zu flexibilisieren.
- Es wird über einen Zeitraum von 10 Jahren ein Sondervermögen in Höhe von 500 Mrd. Euro für Investitionen in die Infrastruktur, sprich in Straßen, Schienen, Bildung, Digitalisierung, Energie und Gesundheit, bereitgestellt. Verteidigungsausgaben sollen von der Schuldenbremse ausgenommen sein, wenn sie 1% über dem Bruttoinlandsprodukt liegen.
Weiteres Vorgehen
Sofern die Parteigremien der CDU, CSU und SPD zustimmen, treten die Parteien in Koalitionsgespräche ein. Dort werden die vorgenannten Themen, aber auch weitere in den Sondierungsgesprächen noch nicht geeinigte Themen, vertieft in Arbeitsgruppen diskutiert, Einigungen gefunden und Vorhaben geplant. Die Koalitionsverhandlungen sind im Vergleich zu den Sondierungsgesprächen deutlich konkreter und auch personell breiter aufgestellt. Sollten sich die Parteien in den Grundzügen der Politik einig bleiben, verabreden sie ihre künftige (politische) Zusammenarbeit als Koalition mit dem sogenannten Koalitionsvertrag. Im Anschluss an (erfolgreiche) Koalitionsverhandlungen steht in der Regel die Wahl des Bundeskanzlers im Deutschen Bundestag. Sollten die Koalitionsverhandlungen scheitern ist es an der CDU/CSU neue Sondierungsgespräche (mit anderen Parteien) zu führen. Derzeit gibt es allerdings keine Anzeichen, dass die Koalitionsverhandlungen scheitern; ganz im Gegenteil ist der erfolgreiche Abschluss der Sondierungsgespräche eher ein Indiz dafür, dass ein grundsätzlicher Konsens hinsichtlich der politischen Ziele und Vorhaben vorliegt.