Viele Unternehmen bereiten sich bereits intensiv auf ihre neuen Nachhaltigkeitsberichtspflichten nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (EU) 2022/2464; „CSRD“) vor. Die CSRD ist am 5. Januar 2023 in Kraft getreten. Seitdem sind die nationalen Gesetzgeber aufgerufen, diese in nationales Recht umzusetzen. Dafür hatten sie bis zum 6. Juli 2024 Zeit. Von den 27 EU-Ländern haben laut Website der EU bisher 15 EU-Länder (Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn) die Richtlinie umgesetzt, bei den übrigen 12 EU-Ländern steht die Umsetzung noch aus – darunter auch Deutschland. Dementsprechend hat die EU-Kommission am 26. September 2024 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einige EU-Länder, einschließlich Deutschland, eingeleitet.
In Deutschland liegt derzeit ein Regierungsentwurf zur Umsetzung der CSRD vom 24. Juli 2024 vor, der eine 1:1 Umsetzung der Richtlinie vorsieht. Die Umsetzung soll insbesondere durch eine Änderung der §§ 289b ff. und §§ 315b ff. HGB erfolgen. Der Rechtsausschuss hat sich in einer öffentlichen Anhörung am 16. Oktober 2024 mit dem Regierungsentwurf befasst. Geplant war eine Umsetzung noch in diesem Jahr.
Nach dem Scheitern der Regierungskoalition ist dieser Zeitplan allerdings weitestgehend in Frage zu stellen, wenn nicht sogar auszuschließen. Zwar hat der neue Bundesjustizminister Volker Wissing im Rechtsausschuss am 13. November 2024 verlauten lassen, dass die Umsetzung der CSRD noch in der verbleibenden Legislaturperiode wünschenswert sei, was allerdings die notwendige Mehrheit im Bundestag voraussetzen würde, die derzeit in weiter Ferne erscheint. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die CDU/CSU-Fraktion dahingehend geäußert hat, dem Regierungsentwurf in dieser Form nicht zuzustimmen, sondern Nachbesserungen auf EU-Ebene für erforderlich hält. Inwiefern dies umsetzbar sein wird, ist fraglich.
Dennoch fragen sich nun viele der ca. 15.000 zukünftig berichtspflichtigen Unternehmen, welche Folge es für sie haben könnte, wenn die EU-Richtlinie nicht mehr in diesem Jahr umgesetzt werden würde. Dies soll im Folgenden näher beleuchtet werden:
Anwendungsbereich der CSRD
Um mögliche Auswirkungen der Nichtumsetzung darzustellen, sollte man sich erst noch einmal verdeutlichen, für wen und wann die CSRD überhaupt Anwendung finden soll. Die Pflichten aus der CSRD werden in vier Stufen eingeführt:
- Ab 2025 müssen diejenigen Unternehmen für ihr Geschäftsjahr 2024 einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen, die bereits heute nach der Vorgängerregelung, der Non Financial Reporting Directive („NFRD“), berichtspflichtig sind („Stufe 1“). Dies betrifft „große“ börsennotierte Unternehmen, Finanzdienstleister und Versicherungen mit einer Bilanzsumme von mehr EUR 25 Mio. oder Nettoumsatzerlösen von mehr als EUR 50 Mio. und mit mehr als 500 Mitarbeitern.
- Ab 2026 müssen große Unternehmen - oder bei konsolidierter Betrachtung Unternehmen von großen Gruppen - für ihr Geschäftsjahr 2025 einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Ein „großes“ Unternehmen oder eine „große Gruppe“ liegt vor, sobald zwei der drei nachstehenden Merkmale überschritten werden: (1) Bilanzsumme: EUR 25 Mio., (2) Nettoumsatzerlöse: EUR 50 Mio., (3) Mitarbeitende: 250.
- Ab 2027 müssen Unternehmen für ihr Geschäftsjahr 2026 einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen, die als „kleines“ oder „mittelgroßes“ Unternehmen klassifiziert werden und die zugleich auch börsennotiert sind („Stufe 3“).
- Ab 2029 müssen Unternehmen für ihr Geschäftsjahr 2028 einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen, die ihren Sitz in einem Drittstaat (= Non-EU) haben („Stufe 4“). Voraussetzung ist, dass dieses Drittstaatenunternehmen in der EU einen Umsatz über EUR 150 Mio. erzielt und entweder ein EU-Tochterunternehmen hat, das die Voraussetzungen von Stufe 1 bis 3 erfüllt, oder eine EU-Zweigniederlassung mit einem Umsatz über EUR 50 Mio. vorweisen kann.
Insbesondere die Unternehmen, die von der ersten und zweiten Stufe umfasst sind, bereiten bereits ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht gemäß der CSRD vor.
Keine unmittelbare Anwendbarkeit der CSRD
Voranzustellen ist, dass eine unmittelbare Anwendung der CSRD auf Unternehmen nicht in Betracht kommt, da belastende EU-Richtlinien ihre rechtliche Wirkung für das jeweils betroffene Unternehmen erst nach Umsetzung in nationales Recht entfalten. Solange also die Richtlinie nicht umgesetzt ist, finden die darin enthaltenen Regelungen auf die betroffenen Unternehmen keine Anwendung, auch wenn dies nicht EU-compliant ist.
Umsetzung der CSRD noch in 2024
Sofern der ursprüngliche Fahrplan eingehalten wird und die Umsetzung noch in 2024 erfolgen würde, ist bisher nicht in Frage gestellt worden, dass börsennotierte Unternehmen, Finanzdienstleister und Versicherungen in 2025 für das Geschäftsjahr 2024 einen Bericht nach den Vorgaben der CSRD und den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) vorlegen müssen (Stufe 1). Das würde bedeuten, dass ein Gesetz und die dazugehörige Berichtspflicht auf ein Geschäftsjahr Anwendung findet, welches zumindest teilweise in der Vergangenheit liegt. Allerdings erachtet das BVerfG eine solche „unechte Rückwirkung“, die sich auf in der Vergangenheit begonnene und zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes noch nicht abgeschlossene Sachverhalte bezieht, grundsätzlich für zulässig. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung ist zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens (also der durch das Vertrauen auf den Fortbestand der günstigeren Rechtslage entstandene Schaden) einerseits und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit andererseits abzuwägen. Hier kommt es auch entscheidend darauf an, ob sich die Betroffenen auf die Rechtslage vorbereiten konnten. Dies ist mit guten Gründen zu bejahen, da die CSRD seit bzw. schon vor ihrem Inkrafttreten Anfang 2023 in aller Munde ist, so dass genug Zeit zur Vorbereitung bestand. Zu diesem Ergebnis kommt auch ein vom IDW in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, welches von der Zulässigkeit der unechten Rückwirkung ausgeht.
Für die nachfolgenden Stufen 2 bis 4 würde die Umsetzung der CSRD in nationales Recht im Jahr 2024 bedeuten, dass die stufenweise Einführung der Nachhaltigkeitsberichtspflicht entsprechend den vorgesehenen Regelungen erfolgt, da die Umsetzung in nationales Recht vor der ersten Berichterstattungspflicht erfolgen würde.
Umsetzung der CSRD in 2025
Sofern die Umsetzung, wie nun zu erwarten ist, erst im Jahr 2025 erfolgt, könnte sich die Lage anders darstellen.
Börsennotierte Unternehmen, Finanzdienstleister und Versicherungen könnten sich dann ggf. für ihre Berichtspflicht im Jahr 2025 bezogen auf das Geschäftsjahr 2024 auf den Standpunkt stellen, dass diese nicht nach dem CSRD-Umsetzungsgesetz erfolgen muss, sondern nur nach den bisherigen Regelungen im HGB auf Basis der NFRD. Hierfür würde sprechen, dass das Umsetzungsgesetz erst in Kraft treten würde, nachdem das für die Berichtspflicht entscheidende Geschäftsjahr 2024 vollständig abgelaufen ist. Das Umsetzungsgesetz und die daraus resultierende Pflicht würde sich damit auf einen Sachverhalt beziehen, der vollständig in der Vergangenheit abgeschlossen wurde. Eine solche „echte Rückwirkung“ erachtet das BVerfG grundsätzlich für unzulässig. Das Vertrauen in den Fortbestand der den Sachverhalt betreffenden Rechtslage wird in der Regel als schutzwürdiger angesehen. Ausnahmen vom Grundsatz des Verbots der echten Rückwirkung sind nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG jedoch auch in engen Grenzen zulässig. Vorliegend wird allerdings überwiegend eine echte Rückwirkung abgelehnt. Zu diesem Ergebnis kommt auch das vom IDW in Auftrag gegebene Rechtsgutachten. Insoweit besteht unseres Erachtens allerdings eine gewisse Rechtsunsicherheit, da es basierend auf der Rechtsprechung des BVerfG auch Argumente geben könnte, die eine echte Rückwirkung ausnahmsweise für zulässig erachten könnte, insbesondere, weil bereits ein Regierungsentwurf vorliegt, der eine 1:1 Umsetzung der seit langem bekannten CSRD vorsieht. Folgt man allerdings der derzeitig vorherrschenden Auffassung, dass keine CSRD-Berichtspflicht besteht, bliebe es für das Geschäftsjahr 2024 bei der bestehenden im HGB verankerten Berichtspflicht, die auf der NFRD basiert. Dies schließt, wie in den Vorjahren, dann auch die Angaben nach Art. 8 der Taxonomie-Verordnung mit ein. Die ESRS wären in diesem Fall allerdings nicht anwendbar, da sie nicht durch eine Verweisungsvorschrift im HGB verankert wären. Eine Prüfungspflicht dieses Berichtes bestünde dann - mangels entsprechender Umsetzung der relevanten Vorschriften aus der CSRD - ebenfalls nicht. Von den Abschlussprüfern ist in diesem Fall gemäß § 317 Abs. 2 HGB nur zu prüfen, ob der nichtfinanzielle Bericht vorliegt. Um allerdings Rechtunsicherheiten insoweit zu vermeiden, wäre zumindest eine Stellungnahme der Bundesregierung hierzu wünschenswert, sofern die Umsetzung der CSRD erst im Jahr 2025 erfolgt.
Für große Unternehmen oder Unternehmen einer großen Gruppe, die ab 2026 für das Geschäftsjahr 2025 berichtspflichtig wären, gilt für den Fall der Umsetzung der CSRD im Jahr 2025 das unter Ziffer 3 zur unechten Rückwirkung Gesagte. Diese Unternehmen müssten dann bereits im Jahr 2026 einen CSRD-Nachhaltigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 2025 abgeben, sofern das Umsetzungsgesetz nichts Abweichendes regelt.
Fortsetzung der Anstrengungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
Wir empfehlen, trotz aller rechtlichen Unsicherheit, die Bemühungen und Anstrengungen rund um das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung fortzusetzen oder aufzunehmen, um vorbereitet zu sein, wenn der erste Nachhaltigkeitsbericht verpflichtend wird.
Insbesondere auch das Vorhandensein internationaler Konzernstrukturen könnten ein Argument sein, frühzeitig einen freiwilligen Konzernnachhaltigkeitsbericht nach den Vorgaben der CSRD zu erstellen. Ist z.B. ein deutsches, zukünftig berichtspflichtiges Unternehmen Muttergesellschaft in einem EU-weiten Konzern mit einer/mehreren Tochtergesellschaften in einem EU-Land, welches bereits die CSRD 1:1 umgesetzt hat, und will der Konzern (zukünftig) von der Möglichkeit Gebrauch machen, nur einen einzigen Konzernnachhaltigkeitsbericht zu erstellen, wäre es aus unserer Sicht überlegenswert, damit dann zu beginnen, wenn das erste Tochterunternehmen berichtspflichtig wird, um die notwendigen Strukturen für die Berichterstattung von Anfang an effizient aufzusetzen. Sofern dieser erste freiwillige Konzernnachhaltigkeitsbericht nach den Vorgaben der CSRD erstellt wird, könnte er das Tochterunternehmen ggf. von der eigenen Berichtspflicht befreien, sofern die nationalen Regelungen des Umsetzungsgesetzes dies nicht ausschließen. Insoweit ist allerdings stets eine Einzelfallprüfung erforderlich.
Zudem sind auch börsennotierte Unternehmen, Finanzdienstleister und Versicherungen, die sich ohnehin bereits auf die CSRD vorbereiten bzw. vorbereitet haben, gut beraten, ihre Bemühungen für die Erstellung eines CSRD-Nachhaltigkeitsberichtes fortzusetzen, auch wenn die Umsetzung der CSRD in Deutschland erst 2025 erfolgt und eine echte Rückwirkung für unzulässig erachtet wird. Damit bliebe es für diese Unternehmen in Bezug auf das Geschäftsjahr 2024 zwar bei der Berichterstattungspflicht gemäß den Vorschriften des HGB auf Basis der NFRD, aber es bestünde die Möglichkeit freiwillig die Vorgaben der CSRD und der ESRS umzusetzen. Insoweit ist derzeit keine Begründung ersichtlich, warum ein solcher freiwillig erstellter CSRD-konformer Bericht nicht den Anforderungen der NFRD genügen sollte. Als möglicher Nachteil wird derzeit diskutiert, dass durch die erstmalige freiwillige Berichterstattung ggf. zeitlich befristete Erleichterungen um ein Jahr verkürzt werden, wenn das freiwillige Berichtsjahr bereits mitgezählt würde. Die EFRAG hat allerdings in den am 6. Dezember 2024 veröffentlichten FAQ (Frage # 1090) klargestellt, dass ein freiwilliger Nachhaltigkeitsbericht keine Auswirkung auf die erste verpflichtende Berichterstattung hat, so, dass die Erleichterungen erst für das erste verpflichtende Berichtsjahr gelten. Dennoch empfehlen wir in dem Nachhaltigkeitsbericht klargestellt werden, dass der Bericht noch auf dem geltenden Recht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung basiert, sich aber bereits an den Vorgaben der CSRD orientiert.
Indes gilt auch für alle anderen großen Unternehmen und Unternehmen einer großen Gruppe, nicht von der Vorbereitung abzulassen, da es derzeit noch wahrscheinlich ist, dass ein entsprechendes Umsetzungsgesetz voraussichtlich noch in 2025 kommen wird. Insoweit ist derzeit nicht zu erwarten, dass von der Nachhaltigkeitsberichtspflicht in Gänze Abstand genommen und die CSRD zurückgenommen wird. Der Ankündigung der Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen folgend, ist allenfalls mit Anpassungen und weiteren Erleichterungen zu rechnen, insbesondere auch um die Regelungen der CSRD, EU-Taxonomie und CSDDD aufeinander abzustimmen. Für die zukünftig berichtspflichtigen Unternehmen besteht daher kein Grund, in ihren Bemühungen um eine CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung nachzulassen.