Die Verordnung (EU) 2017/745 (Medizinprodukteverordnung – „MDR“) steht schon seit längerer Zeit in der Kritik. Kern der Kritik ist insbesondere, dass die strengen regulatorischen Vorgaben der MDR zu einer Verknappung dringend benötigter Medizinprodukte auf dem europäischen Medizinproduktemarkt führen würden.
Die Verknappung sei zum einen auf eine grundsätzliche Überregulierung der Medizinprodukte zurückzuführen, die sich in immer komplexeren und teureren Konformitätsbewertungsverfahren niedergeschlagen hat. Zum anderen sei die Verknappung auch auf Kapazitätsengpässe bei den durch die MDR ebenfalls stark regulierten Benannten Stellen zurückzuführen, die in die Durchführung der meisten Konformitätsbewertungsverfahren zwingend einzubeziehen sind und die Nachfrage schlichtweg nicht abdecken können. In der Folge würden Unternehmen den europäischen Markt für Medizinprodukte zunehmend meiden, was die Patientenversorgung in ganz Europa gefährde.
Eine am 23. Oktober 2024 vom Europäischen Parlament verabschiedete Resolution zur „dringend notwendigen Überarbeitung der Verordnung über Medizinprodukte“ (2024/2849(RSP)) soll diesen Problemen nun entgegenwirken. Hierdurch soll der Druck auf die Europäische Kommission erhöht werden, die erforderlichen Änderungen der MDR nun zeitnah zu realisieren. In der Resolution formuliert das EU-Parlament konkrete Forderungen an die EU-Kommission zur Überarbeitung verschiedener Bereiche der MDR, in denen das EU-Parlament besonderen Handlungsbedarf zur Überarbeitung des Rechtsrahmens sieht.
Gefordert werden unter anderem die folgenden Punkte:
- Die Unterstützung der Benannten Stellen soll erhöht und die Zusammenarbeit (auch mit den einzelnen Mitgliedstaaten) verstärkt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Benannten Stellen über die optimalen Kapazitäten und Fähigkeiten verfügen, um den Rechtsrahmen für Medizinprodukte umzusetzen zu können. In diesem Zusammenhang richtet sich eine Forderung des Parlaments auch direkt an die Benannten Stellen selbst, nämlich dafür Sorge zu tragen, dass ausreichende Ressourcen zur Verfügung stehen, um die Nachfrage auf dem Markt rechtzeitig bedienen zu können.
- Die – nach Auffassung des EU-Parlaments: unnötige – Rezertifizierung von Produkten soll abgeschafft werden. In diesem Zusammenhang betont das EU-Parlament auch noch einmal, dass Produktaktualisierungen oder -anpassungen nicht zwangsläufig eine komplette Neuzertifizierung der Produkte erforderlich machen sollten.
- Weiterhin gefordert wird die Schaffung beschleunigter Verfahren und prioritärer Wege für die Genehmigung innovativer Technologien. Die beschleunigten Verfahren sollen sich dabei insbesondere auf Bereiche mit ungedecktem medizinischem Bedarf sowie auf Produkte im Zusammenhang mit medizinischen Notfällen beziehen, um den Marktzugang dieser Produkte zu erleichtern.
- Die Verfügbarkeit von Produkten, insbesondere der letzten verbliebenen Produkte einer bestimmten Art, soll kontinuierlich überwacht werden. Dabei sollen auch geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um diese Produkte auf dem EU-Markt verfügbar zu halten. In diesem Zusammenhang wird auch die rechtzeitige und vollständige Umsetzung der Datenbank Eudamed gefordert, um die Transparenz der Informationen über Medizinprodukte und Hersteller zu erhöhen, den Zugang der Öffentlichkeit und der Angehörigen der Gesundheitsberufe zu diesen Informationen zu erleichtern und die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern.
In seiner Resolution fordert das Parlament die Kommission schließlich dazu auf, bis zum Ende des ersten Quartals 2025 delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte zur MDR vorzuschlagen, um die mit der MDR verbundenen Herausforderungen – insbesondere die bestehenden Versorgungsengpässe – zu bewältigen und eine systematische Überarbeitung der MDR zu ermöglichen. Angesichts der von allen großen Fraktionen des EU-Parlaments verabschiedeten Resolution dürfte der Druck auf die EU-Kommission für eine entsprechende Änderung der Verordnung nun deutlich gestiegen sein. Da die Resolution des Parlaments jedoch rechtlich nicht bindend ist, bleibt abzuwarten, ob bzw. wie die EU-Kommission eine Novellierung der MDR tatsächlich in Angriff nehmen wird.