Insbesondere seit Inkrafttreten der Sanktionen der EU gegen Russland im Zuge der Ukraine-Krise hat eine wirksame Sanktions-Compliance massiv an Bedeutung gewonnen. Es bestehen weitreichende Beschränkungen in verschiedenen Sektoren und Sanktionsverstöße können harte Konsequenzen für Unternehmen sowie die handelnden natürlichen Personen haben. Da die strafrechtlichen Regelungen – anders als die Sanktionsmaßnahmen selbst – in der Kompetenz der Mitgliedsstaaten liegen, ist die Handhabung von Sanktionsverstößen in der EU bislang noch sehr unterschiedlich. Das soll sich jetzt ändern.
Mit der gerade veröffentlichten Richtlinie (EU) 2024/1226 zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union („EU-Richtlinie“) wird nach längerer Vorankündigung ein Katalog an Sanktionsverstößen eingeführt, die national als Straftatbestände ausgestaltet werden müssen. Die EU-Richtlinie sieht mitunter sehr hohe Mindest-Maximalstrafen sowohl für natürliche Personen als auch Unternehmen vor. Auch der deutsche Gesetzgeber wird nicht umhinkommen, innerhalb des einjährigen Umsetzungszeitraumes (Stichtag 20. Mai 2025) die Straftatbestände des Außenwirtschaftsgesetzes anzupassen und den Bußgeldrahmen deutlich zu erhöhen. So sieht die Richtlinie ein Höchstbußgeld für Unternehmen von bis zu EUR 40 Mio. bzw. 5 % des weltweiten Jahresumsatzes vor. Derzeit liegt das maximale Bußgeld (lediglich) bei EUR 10 Mio.
Im Folgenden geben wir einen kurzen Überblick:
1. Konkrete Inhalte der neuen EU-Richtlinie
Die neue Richtlinie (EU) 2024/1226 enthält in erster Linie Mindestvorschriften in Bezug auf bestimmte Sanktionsverstöße, die einen Straftatbestand darstellen sollen, sowie den anzuwendenden (Mindest-)Strafrahmen.
Der Katalog an strafbaren (vorsätzlichen) Sanktionsverstößen (Art. 3 der EU-Richtlinie) umfasst u.a. Verstöße gegen die folgenden restriktiven Maßnahmen der EU:
- Bereitstellungsverbote und Einfriergebote (Art. 3 Abs. 1 lit. a und b)
- Ein- und Durchreiseverbote (Art. 3 Abs. 1 lit. c)
- Verbot des Abschlusses oder der Fortführung von verbotenen Transaktionen mit (Unternehmen in) Drittstaaten (Art. 3 Abs. 1 lit. d)
- Warenbezogene Beschränkungen der Einfuhr, Ausfuhr, Verkauf, Kauf, Verbringung, Durchfuhr, Beförderung oder das Erbringen von technischer Hilfeleistung (Art. 3 Abs. 1 lit. e)
- Verbot des Erbringens bestimmter Finanzdienstleistungen (Art. 3 Abs. 1 lit. f)
- Dienstleistungsverbote (Art. 3 Abs. 1 lit. g)
- Umgehungsverbote (Art. 3 Abs. 1 lit. h)
- Genehmigungsbedingungen (Art. 3 Abs. 1 lit. i).
Dabei können die Mitgliedsstaaten nach Art. 3 Abs. 2 einen Schwellenwert von EUR 10.000 vorsehen, bei dessen Unterschreitung keine Strafbarkeit besteht. Gemäß Art. 3 Abs. 3 sollen auch grob fahrlässig begangene Verstöße eine Straftat darstellen, jedenfalls wenn Militärgüter oder Dual-Use-Güter betroffen sind. Im Übrigen sollen die Mitgliedsstaaten nach Art. 4 auch Regelungen zur Anstiftung, zur Beihilfe und zum Versuch treffen.
Hinsichtlich des Strafrahmens finden sich die maßgeblichen Regelungen für natürliche Personen in Art. 5 und für Unternehmen in Art. 7 der EU-Richtlinie. Neben strafrechtlichen Sanktionen drohen auch flankierende nicht-strafrechtliche Sanktionen:
- Bei natürlichen Personen soll für alle o.g. Tatbestände als Höchststrafe Freiheitsentzug drohen (Art. 5 Abs. 2), mindestens jedoch eine Geldstrafe (Art. 5 Abs. 5). Bislang gelten viele der Verstöße (insb. bei fahrlässiger Begehung) nach deutschem Recht lediglich als Ordnungswidrigkeit Bei Verstößen gegen bestimmte Sanktionsmaßnahmengelten gelten zusätzliche Bestimmungen. So sollen etwa Verstöße gegen Bereitstellungs- oder Umgehungsverbote im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren geahndet werden, wenn die Tat Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen (Waren) im Wert von mindestens EUR 100.000 betreffen. Neben Geldbußen können natürlichen Personen außerdem der Entzug von Genehmigungen, das Verbot des Bekleidens von Führungspositionen oder der Kandidatur für öffentliche Ämter drohen.
- Für Unternehmen wird der Straf- bzw. Bußgeldrahmen erheblich verschärft. Während Unternehmen in Deutschland derzeit im Falle vorsätzlicher Verstöße gegen sanktionsrechtliche Straftatbestände maximal mit einem Bußgeld von EUR 10 Mio. belegt werden können (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 OWiG), sollen zukünftig bei nahezu sämtlichen Verstößen Bußgelder von bis zu 5% des weltweiten Gesamtumsatzes des Unternehmens oder EUR 40 Mio. verhängt werden können. Davon abgesehen drohen nicht-strafrechtliche Maßnahmen wie z.B. der Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen, der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen, die Entziehung von Genehmigungen und Zulassungen und als letztes Mittel die gerichtlich angeordnete Auflösung oder die Schließung von Einrichtungen.
Die weiteren Regelungen der EU-Richtlinie beinhalten zudem Umstände, die strafschärfend (etwa Handeln im Rahmen einer kriminellen Vereinigung) oder strafmildernd (etwa Zusammenarbeit mit den Behörden bei der Aufklärung) berücksichtigt werden sowie weitere prozessuale Regelungen.
2. Ausblick
Die Mitgliedsstaaten haben nun ein Jahr Zeit, die Vorgaben der EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Auch der deutsche Gesetzgeber wird tätig werden und die vorhandenen Straf- und Bußgeldvorschriften (in AWG und AWV) teilweise anpassen müssen. Gerade in Bezug auf die Höhe der Unternehmensbußgelder ist von großer Bedeutung, ob eine Koppelung an die absolute Summe von EUR 40 Mio. oder den weltweiten Jahresumsatz erfolgt.
Mit Blick auf die weitreichend verschärften und zukünftig EU-weit geltenden Strafandrohungen gewinnt eine wirksame Sanktions-Compliance noch weiter an Bedeutung (siehe dazu auch bereits unseren Beitrag). Unternehmen sollten nicht leichtfertig riskieren, enorme Bußgelder verhängt zu bekommen oder mit anderen Maßnahmen belegt zu werden und daher die Wirksamkeit ihrer internen Prozesse zur sanktionsrechtlichen Compliance überprüfen.
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