EuGH: Mitgliedstaaten dürfen Anbietern von Kommunikationsplattformen mit Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat keine generell-abstrakten Verpflichtungen auferlegen.
Der EuGH hat mit Urteil vom 9. November 2023 zum Az. C-376/22 (Google Ireland Limited, Meta Platforms Ireland Limited, Tik Tok Technology Limited gegen Kommunikationsbehörde Austria) im Ergebnis entschieden, dass Mitgliedstaaten im sog. koordinierten Bereich keine generell-abstrakten Maßnahmen erlassen dürfen, die sich auf eine Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehen und unterschiedslos für alle Anbieter dieser Kategorie von Diensten gelten. Solche Maßnahmen sind nicht vom Ausnahmetatbestand des Art. 3 Abs. 4 E-Commerce-Richtline (RL 2000/31/EG) erfasst und entsprechend nicht mit dem in der E-Commerce-Richtlinie verankerten Herkunftslandprinzip vereinbar.
In seiner Begründung greift der EuGH weitgehend die Schlussanträge von EuGH-Generalanwalt Szpunar auf und betont, dass die E-Commerce-Richtlinie auf der Anwendung der Grundsätze der Aufsicht im Herkunftsmitgliedstaat und der gegenseitigen Anerkennung der Rechtssysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten beruhe. Die Missachtung dieser Grundsätze würde
„das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten untergraben und dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zuwiderlaufen“ (Rn. 53).
Dem Urteil ging ein Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs voraus. In jenem Verfahren gingen Google, Meta und TikTok gegen einen Bescheid der österreichischen Kommunikationsbehörde vor, die jeweils festgestellt hatte, dass das österreichische Kommunikationsplattformen-Gesetz (kurz: KoPl-G), das Kommunikationsplattformen u.a. die Einrichtung von Meldesystemen für bestimmte Inhalte Dritter vorschreibt und dadurch die Verbreitung von Hassrede im Internet eindämmen soll, auf die in Irland ansässigen Diensteanbieter anwendbar sei. Die Diensteanbieter ersuchten gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Bescheide und machten u.a. geltend, dass das KoPl-G gegen das Herkunftslandprinzip verstoße. Ihre Ansicht wurde nun durch den EuGH bestätigt.
Die Feststellungen des EuGH dürften gleichermaßen für das ähnlich ausgestaltete deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gelten. Auch wenn sich die Medienanstalten in Deutschland bislang auf einen anderen Standpunkt stellen (siehe Pressemitteilung), dürften nationale Gesetze zur Regulierung von Internetintermediären, wie z.B. der Medienstaatsvertrag (MStV), nach diesem Urteil kaum noch durchzusetzen sein, zumal die Harmonisierung im digitalen Bereich durch das Gesetz über Digitale Dienste, das seit August 2023 für die sehr großen und ab Mitte Februar 2024 für sämtliche Digitale Dienste gilt, weiter fortschreitet und die Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten nochmals einschränkt.