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6. September 2023

ACTION REQUIRED: Wesentliche Neuerungen bei den Kollektivverträgen für Spedition und Logistik

  • Briefing

Stichworte wie „4-Tage-Woche“ und „Inflation“ sind im Arbeitskontext seit Monaten medial präsent. Die hohe Inflationsrate war für die Arbeitnehmer:innenseite Leitmotiv der diesjährigen Kollektivvertragsverhandlungen. Das war im Bereich Spedition und Logistik nicht anders.

Resultat der Verhandlungen der Sozialpartner ist die Reduktion der wöchentlichen Normalarbeitszeit von bisher 40 auf 38,5 Stunden ab 1. Oktober 2023. Die kollektivvertraglichen Mindestlöhne und Gehälter wurden bereits am 1. April 2023 um mindestens 7% erhöht – also vielleicht etwas moderater als bei anderen Kollektivverträgen.  Das bedeutet im Ergebnis, dass Vollzeitmitarbeiter:innen 1,5 Stunden weniger arbeiten müssen, und das nicht nur bei vollem Lohnausgleich, sondern mit einer zusätzlichen Anhebung des kollektivvertraglichen Mindestentgelts. Damit betragen – laut Gewerkschaft – die Erhöhungen für eine Normalarbeitsstunde umgerechnet jedenfalls deutlich mehr als 10%.

Damit nicht genug, es gab weitere wichtige Änderungen in folgenden Bereichen:

  • Eine Teuerungsprämie war für die Monate April, Mai, Juli und August in Höhe von € 150 (für Vollzeitbeschäftigte, über 50%-Teilzeitbeschäftigte und Lehrlinge im 3. und 4. Lehrjahr) bzw. € 75 (für Teilzeitbeschäftigte bis inklusive 50% und Lehrlinge im 1. und 2. Lehrjahr) auszubezahlen. Der berechtigte Personenkreis ist weit gefasst (u.a. geringfügig Angestellte, überlassene Arbeitskräfte). Keine Prämie stand allerdings Mitarbeiter:innen während entgeltfreien Zeiten zu (z.B. Karenz, Langzeitkrankenstand).
  • Die Berufsgruppe 8 „Raumpfleger“ wurde im Arbeiter-Kollektivvertrag ersatzlos gestrichen und es hat mit 1. April eine „Umreihung“ in die Berufsgruppe 5 stattgefunden (Einstufung in die neue Gruppe abhängig von den Jahren der Betriebszugehörigkeit – ohne Verlust). 

Die Herabsetzung der Normalarbeitszeit erfolgt dann mit Stichtag 1. Oktober.

Teilzeitbeschäftigte hatten bis zum 30. August die Möglichkeit, ein einmaliges Wahlrecht auszuüben und dabei eine anteilige Lohn-/Gehaltserhöhung unter gleichbleibendem Arbeitszeitausmaß oder eine anteilige Arbeitszeitverkürzung unter gleichbleibendem Lohn/Gehalt zu verlangen. Dabei würde es konkret zu einer Erhöhung des Lohns/Gehalts um 3,89 Prozent bzw. zu einer Reduktion der Teilzeitarbeitszeit um 3,75 Prozent kommen. Falls von diesem Wahlrecht nicht (rechtzeitig) Gebrauch gemacht wurde, wird die erste Variante schlagend, d.h. der Lohn/ das Gehalt ist entsprechend zu erhöhen.

Es ist nach dem Wortlaut des KV wohl das tatsächliche Ist-Entgelt gemeint. Weniger klar ist, ob bei Vollzeitbeschäftigten mit überkollektivvertraglichem Ist-Entgelt dieses trotz Arbeitszeitreduktion gleichbleiben muss oder aber vielleicht reduziert werden kann. Die Untergrenze bildet aber jedenfalls das/der für die neue Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden zu zahlende jeweilige kollektivvertragliche Mindestgehalt/-lohn.

Welcher Handlungsbedarf ergibt sich in der Praxis?

Es ist nicht das erste und wohl kaum das letzte Mal, dass es zu einer kollektivvertraglichen Reduktion der gesetzlichen Normalarbeitszeit kommt.  Die Auswirkungen erscheinen auf den ersten Blick auch naheliegend – gleicher bzw. sogar erhöhter (Mindest-)Verdienst bei 1,5 Stunden weniger wöchentlicher Arbeitszeit.

Beschäftigt man sich allerdings etwas eingehender mit der Materie, wird schnell klar, dass ein Überprüfungs- und allenfalls auch Anpassungsbedarf für Arbeitgeber:innen die Folge ist:

a. Es beginnt bei der Vereinbarung der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag. Sofern dieser eine Normalarbeitszeit von 40 Stunden festlegt, ist dies anzupassen (es sei denn, die Klausel verweist diesbezüglich auf den anwendbaren Kollektivvertrag).

b. Durch die Reduktion der Normalarbeitszeit verringert sich zudem auch der „Teiler“ für die Normalstunde, nämlich von bisher 173,2 auf 166,705. Dies bewirkt zwar keine direkte (weitere) Erhöhung der Monatslöhne/-gehälter, ist aber z.B. bei Deckungsprüfungen für All-In Verträge (siehe auch Punkt d) zu beachten, sowie auch bei der Abgeltung von Mehrarbeit von Teilzeitmitarbeiter:innen.

c. Dasselbe gilt bei den Angestellten für Überstunden. Hier kommt ab dem 1. Oktober ein für die Arbeitnehmer:innen günstigerer „Teiler“ zur Anwendung. Konkret beträgt der Grundstundenlohn für Überstunden dann 1/155 des Brutto-Monatsgehalts, statt bisher 1/160. Bei Arbeiter:innen bleibt es beim bisherigen „Teiler“ für Überstunden von 1/164.

d. Überprüfungsbedarf besteht ferner bei Überstundenpauschalen und All-In-Vereinbarungen.

Einerseits ist zu überprüfen, ob mit den festgelegten Pauschalen die vereinbarten Leistungen durch die Erhöhung der „Wertigkeit“ der Mehrarbeit und Überstunden noch hinreichend gedeckt sind.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Vereinbarungen dahingehend zu prüfen und gegebenenfalls so anzupassen sind, dass sie auch die Differenzmehrarbeit abdecken (sofern dies gewünscht ist). Als Differenzmehrarbeit bezeichnet der Kollektivvertrag die 38,5te bis 40te Stunde pro Woche.

Bei bestehenden Vereinbarungen kommt es jeweils auf die konkrete Formulierung und Auslegung an. Zu Überstundenpauschalen lauten diese meist nur auf Überstunden und „decken“ somit die Differenzmehrarbeit meist nicht ausdrücklich ab. Mitarbeiter:innen könnten daher auf die Idee kommen, trotz Überstundenpauschale die 1,5 Stunden Differenzmehrarbeit gesondert einzufordern.  Es gibt ein gewisses Risiko, dass trotz guter Gegenargumente, die sich aus der Auslegung des Arbeitsvertrages oft finden lassen, ein Gericht dieser Argumentation folgen könnte. Ist Rechtssicherheit gewünscht, sollten Pauschalvereinbarungen zur Überstundenabgeltung angepasst werden.

Ähnlich ist es bei All-In Vereinbarungen: Auch hier ist der Vertrag auszulegen und zu prüfen, was genau der Wortlaut sagt. Spricht der Wortlaut nur von Überstunden, ist etwa zu prüfen, was die Arbeitsvertragsparteien regeln wollten bzw. was redliche Vertragsparteien für eine solche Situation vereinbart hätten.  Beinhaltet die Vereinbarung z.B. eine Formulierung, dass sämtliche über die vereinbarte Normalarbeitszeit hinausgehenden Arbeitsleistungen, gleich welcher Art, samt allen Zuschlägen abgegolten sind, sollte die Differenzmehrarbeit mitabgegolten sein. Für den Fall, dass allerdings bestimmte Mehrleistungen, also etwa nur Überstunden, aufgezählt werden, stellen sich die erwähnten Auslegungsfragen und es besteht Rechtsunsicherheit. Die Verträge sollten dann klarer gefasst werden.

e. Für die Differenzmehrarbeit wird ausdrücklich die Zuschlagsfreiheit festgelegt, und zwar unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Arbeitszeitverteilung (daher auch bei Durchrechnung, Gleitzeit etc.).

Bei einer Durchrechnung der Arbeitszeit gibt es hier allerdings eine Besonderheit im 1. Jahr: Zwischen 1.10.2023 bis 30.9.2024 geleistete Differenzmehrarbeit darf nicht in der Durchrechnung berücksichtigt werden, sondern ist im Folgemonat, also nachdem die Differenzmehrarbeit geleistet wurde, auszubezahlen.

Teilzeitbeschäftigte kommen erst bei Überschreiten der 38,5 Stunden in die Differenzmehrarbeit, darunter gelten für sie weiterhin die gesetzlichen Regelungen zur Mehrarbeit (§ 19d AZG).

Hinsichtlich der Arbeitszeitreduktion wird sich in sehr vielen Fällen ein Überprüfungsbedarf bei den Arbeitsverträgen ergeben, vor allem, wenn diese Überstundenpauschalen oder ein All-In festlegen.

Bei einem Anpassungsbedarf könnte man sich bei bestehenden Mitarbeiter:innen mit entsprechenden Nachträgen zu den Dienstverträgen behelfen. Für neue Mitarbeiter:innen sollten jedenfalls auch die Musterverträge angepasst werden.

Darüber hinaus ist eine Überprüfung von Durchrechnungs-/Gleitzeitvereinbarungen, Schichtvereinbarungen etc. auf Regelungen, die sich auf eine Normalarbeitszeit von 40 Stunden beziehen, zu empfehlen. Gleitzeitvereinbarungen werden z.B. die Lage der fiktiven Arbeitszeit grundsätzlich auf Basis einer 40 Stunden Woche festlegen. Dies gilt es anzupassen.


Autor:innen:

Mag. Walter Pöschl
Mag. Sandra Popp
Mag. Nadejda Taneva

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