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24. März 2023

Die (Nicht-)Anwendbarkeit von § 313 BGB auf Indexklauseln

  • Briefing

Einleitung

Mietern von Gewerberaumimmobilien droht aufgrund der allgemeinen Preissteigerungen als Folge der bereits durch die COVID-19-Pandemie und dann durch den Ukraine-Krieg deutlich gestiegenen Inflation zunehmend die Insolvenz, wie unlängst einem Seniorenwohnheimbetreiber in Bad Soden-Salmünster. Grund hierfür sind die in Gewerberaummietverträgen gewöhnlich vereinbarten Indexklauseln.

Dabei einigen sich die Parteien auf einen Mietanpassungsmechanismus, der durch einen vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex bestimmt wird, üblicherweise der Verbraucherpreisindex (VPI), der wiederum die Inflation abbildet. Eine am VPI angelehnte Indexklausel führt demnach zu einer Erhöhung der Miete, sobald die Lebenshaltungskosten steigen. Angesichts von kaum wahrnehmbaren Inflationsraten von zum Teil weniger als 0,5 Prozent p.a. führte die Indexklausel jahrzehntelang ein Schattendasein. Das änderte sich schlagartig mit einer Inflationsrate, die sich mittlerweile knapp unterhalb von 10 Prozent p.a. eingependelt hat.

Während der COVID-19-Pandemie konnten Mieter unter Hinweis auf die pandemiebedingte Sondersituation zum Teil durchsetzen, dass die Miete von Gesetzes wegen reduziert wurde. Möglich machte dies der mittlerweile berühmt gewordene § 313 BGB, die sogenannten Regelung über die Störung der Geschäftsgrundlage. Und erneut werden nun aufseiten der Mieter Stimmen laut, die die Anwendbarkeit der Indexklauseln abermals wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage einschränken wollen.
Für abgeschlossene Verträge gilt zunächst der hehre Grundsatz des Privatrechts „Pacta sunt servanda“, demnach Verträge so einzuhalten sind, wie sie geschlossen wurden. Dieser Grundsatz darf einseitig lediglich in ausdrücklich normierten Ausnahmefällen durchbrochen werden. Das gilt auch bei der Anwendung von § 313 BGB, der zahlreiche Bedingungen voraussetzt, damit die Regelung überhaupt greift.

Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)

Allgemeines

Das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) lässt nur in wenigen Fällen die Ausnahme vom o.g. Grundsatz zu, wodurch einseitig die Anpassung eines Vertrages verlangt werden kann und in Extremfällen eine vertragliche Korrektur ermöglicht wird. Allerdings führt die Regelung nicht aus, in welcher Art und Weise die Anpassung eines Vertrages erfolgen muss. Das ist im Streitfall letztlich dem Ermessen eines Richters überlassen, falls sich die Parteien nicht einigen können. Eine solche Vertragsanpassung könnte in Bezug auf Indexklauseln in Form einer temporären Aussetzung der Indexklausel und/oder Regulierung der Indexanpassung durch eine Deckelung der maximalen Anpassungshöhe erfolgen.
Sinn und Zweck der Regelung über die Störung der Geschäftsgrundlage ist es, das Spannungsverhältnis zwischen Vertragstreue und der Notwendigkeit der Vertragsanpassung wegen gravierender Veränderungen zu lösen. Dabei bedarf es stets einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls.

Voraussetzungen der Störung der Geschäftsgrundlage

Die Anwendbarkeit von § 313 BGB setzt dabei voraus, dass

  • sich Tatsachen/Umstände, die die Parteien zur Geschäftsgrundlage gemacht haben, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben;
  • die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, sofern sie die Veränderung vorausgesehen hätten und
  • das Festhalten am unveränderten Vertrag für die benachteiligte Partei unzumutbar ist. Dies ist letztlich eine Frage des konkreten Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung.

    • Die „schwerwiegende Veränderung“ könnte derzeit in der außergewöhnlich hohen Inflation infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zu sehen sein, die für die Parteien so nicht vorhersehbar war. Der Ukraine-Krieg ist eine weltpolitisch herausfordernde Situation, die zu massiven wirtschaftlichen Veränderungen geführt hat, insbesondere zu einer künstlichen Verknappung von primären Energieträgern. Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 313 BGB ist, dass die Parteien den Umstand, der die schwerwiegende Veränderung darstellt, zur Geschäftsgrundlage gemacht haben. Das heißt konkret, die Parteien müssten eine dauerhaft niedrige Inflation als Geschäftsgrundlage des Mietvertrages angenommen haben und bei Vertragsschluss von diesem Umstand ausgegangen sein.

      Die Vereinbarung einer Indexklausel ist jedoch ein Indiz dafür, dass die Parteien das Risiko einer hohen Inflation bei Vertragsschluss berücksichtigt haben. Sie wollten durch die Indexklausel einer möglichen Entwertung der Miete vorbeugen und haben aus diesem Grund bewusst eine Indexierung der Miete vorgesehen.
      Sinn und Zweck einer Indexklausel ist es, das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis zu erhalten und inflations- (wie ggf. auch deflations-) bedingte Veränderungen auszugleichen, d.h. den Wert der Miete über die Dauer des Mietverhältnisses zu sichern, indem der Mietzins an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst wird. Dabei gehört es zum typischen Risiko langfristiger Verträge, dass sich eine Indexklausel während der gesamten Mietzeit zeitweise zugunsten der einen oder der anderen Partei auswirken kann. Dass die Inflation derzeit höher ist als bei Vertragsschluss vorhersehbar war, ändert grundsätzlich nichts an der von den Parteien vorgenommenen Risikoverteilung, dass der Mieter das Risiko einer (auch hohen) Inflation trägt wie auch der Vermieter seinerseits das einer Deflation.

      Selbst wenn man zu dem – aus juristischer Sicht nur schwer begründbarem - Ergebnis käme, dass eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage zu bejahen sei, müsste der Mieter noch darlegen, dass das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung durch die aktuelle Situation derart gestört ist, dass die Grenze des von ihm übernommenen Risikos überschritten und ihm nicht mehr zumutbar ist. Da es allerdings dem Mieter eines Gewerberaummietvertrages häufig unbenommen bleibt, entsprechend der hohen Inflation seine eigenen Preise gegenüber seinen Kunden zu erhöhen (z.B. durch Erhöhung von Preisen im Einzelhandel oder durch Erhöhung von Übernachtungspreisen in Hotels usw.), dürfte dem Mieter das Argument, dass die aktuelle Situation für ihn unzumutbar sei, nur in extremen Ausnahmefällen greifen.

      Fazit

      Bereits aus der bloßen Vereinbarung einer Indexklausel lässt sich stichhaltig ableiten, dass die Parteien eines Mietvertrages das Risiko einer Inflation respektive Deflation – anders als den Ausbruch der COVID-19-Pandemie – -antizipiert und vertraglich geregelt haben, was allein schon den Anwendungsbereich von § 313 BGB ausschließen dürfte. Die Indexklausel ist genau für den Umstand vereinbart worden, der derzeit eingetreten ist. Insofern dürfte es aus juristischer Sicht äußerst schwierig werden, den Anwendungsbereich der Indexklausel unter Heranziehung von § 313 BGB einzuschränken.
      Auch wenn die Rechtslage für die Vermieter diesmal deutlich besser sein dürfte als während der COVID-19-Pandemie, werden sie sich dennoch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob sie ihren Anspruch auf Mietanpassung unter Rückgriff auf die einschlägigen Indexklauseln uneingeschränkt durchsetzen können. Die aktuelle Lebenswirklichkeit zeigt, dass die Durchsetzung der Indexklausel für nicht wenige Mieter mit existenzbedrohenden Folgen einhergeht. Die aus einer Insolvenz des Mieters resultierenden wirtschaftlichen Folgen – Abschreibung von Mietrückständen, Kosten der Folgevermietung, reduzierte Miethöhe bei Abschluss neuer Mietverträge – können weitaus gravierender sein, als eine Indexanpassung auszusetzen oder zu stunden. Insofern werden sich viele wirtschaftlich vernünftig denkende Vermieter veranlasst sehen, kreative Einzellösungen mit ihren Mietern zu vereinbaren. Hierzu können Aussetzungen der Indexierung, Obergrenzen von Anpassungen, Stundungen von Mieterhöhungen und ähnliche Lösungen gehören. Und da Juristen bekanntlich für jedes Problem eine Lösung finden, wird sich auch diese Situation für beide Parteien zufriedenstellend lösen lassen.

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