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Dr. Martin Bartlik, LL.M. (McGill)

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27. März 2020

News Alert: Bundestag setzt Recht auf Kündigung wegen Mietrückstandes aus

Der Bundestag hat heute ein Gesetz verabschiedet, wonach Kündigungen von Mietverträgen über Wohnraum und Gewerberaum bis 30. Juni 2022 ausgeschlossen sind, wenn diese Kündigung auf einem Mietrückstand beruht, der zwischen 1. April 2020 und 30. Juni 2020 entstanden ist und der Mieter die Miete wegen den Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht leistet. Durch Rechtsverordnung kann der vorbezeichnete Zeitraum zunächst bis 30. September 2020 und sodann noch weitergehend verlängert werden, wenn das soziale Leben und die wirtschaftliche Tätigkeit durch das Corona-Virus weiterhin in erheblichem Maße beeinträchtigt bleiben.

Dem Mieter obliegt gegenüber dem Vermieter die Pflicht, den Zusammenhang zwischen der CoronaPandemie und der Nichtzahlung glaubhaft zu machen. Zur Glaubhaftmachung kann sich der Mieter entsprechender Nachweise, einer Versicherung an Eides Statt oder sonst geeigneter Mittel bedienen. Geeignete Mittel können insbesondere der Nachweis der Antragstellung beziehungsweise die Bescheinigung über die Gewährung staatlicher Leistungen, Bescheinigungen über Ertragsausfall, die Tatsache, dass der Betrieb des Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung des Corona-Virus durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist, was bekanntlich insbesondere auf Gaststätten und Hotels, deren Betrieb zumindest für touristische Zwecke in vielen Bundesländern untersagt ist, zutrifft.

Das Gesetz sieht lediglich eine Einschränkung des Kündigungsrechts für Mietrückstände bis 30. Juni 2022 vor. Wenn die Mietrückstände aus April bis Juni 2020 bis dahin noch in nennenswertem Umfang – das ist regelmäßig in Höhe von zwei Monatsmieten – nicht ausgeglichen sind, lebt das Kündigungsrecht wieder auf.

Rechtstechnisch betrachtet bleiben die Mieter weiterhin verpflichtet, auch zwischen 1. April 2020 und 30. Juni 2020 die Mieten zum jeweiligen Fälligkeitstermin zu zahlen. Dies hat weitere gravierende Folgen. Die Mieter bleiben beispielsweise verpflichtet, auf die rückständige Miete Verzugszinsen zu zahlen. Bei einem gesetzlichen Verzugszinssatz von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz belaufen sich die Verzugszinsen auf 8,17 % p.a. Hat der Vermieter zudem eine Mietsicherheit vom Mieter erhalten, kann sich der Vermieter zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes durch Inanspruchnahme der Mietsicherheit schadlos halten. Allerdings scheint dieser Aspekt in der Eile des Gesetzgebungsverfahrens möglicherweise übersehen worden sein, sodass nicht völlig auszuschließen ist, dass Gerichte eine Inanspruchnahme einer Mietsicherheit unter Hinweis auf den Sinn und Zweck des Gesetzes zurückweisen werden. Da in Gewerberaummietverhältnissen Mietsicherheiten oft durch selbstschuldnerische Bürgschaften auf erstes Anfordern geleistet werden, sollten sich Banken und Versicherungen, die derartige Bürgschaften in der Vergangenheit gestellt haben, gleichwohl auf verstärkte Inanspruchnahmen einstellen. Aus Mietersicht hat dies gravierende Folgen, da er dann von zwei Seiten in die Zange genommen werden wird: Vermieter, die sich aus der Mietsicherheit befriedigt haben, haben gegen den Mieter regelmäßig einen vertraglich vereinbarten Anspruch darauf, dass der Mieter die Bürgschaft wieder auffüllt. Die Bürgin, die auf die Bürgschaft hin geleistet hat, hat ebenfalls einen Ausgleichsanspruch gegen den Mieter in Höhe der geleisteten Zahlung. Und solange der Mieter seine Ausgleichsverpflichtung gegenüber der Bürgin nicht erfüllt hat, wird ihm dieses sicherlich keine weitere Bürgschaft zur Erfüllung der Auffüllungspflicht gegenüber dem Vermieter leisten.

Damit zeigt sich die mögliche Schwäche des Gesetzes: Die Beschränkung des Kündigungsrechts erstreckt sich nur auf eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Andere Kündigungsrechte bleiben unberührt, so beispielsweise, wenn der Mieter eine in Anspruch genommene Mietsicherheit nicht wieder auffüllt. Eine Kündigung droht dem Mieter ferner, wenn in einem Mietvertrag eine Betriebspflicht vereinbart wurde und der Mieter hiergegen verstößt. Üblicherweise werden Betriebspflichten als eine Kardinalpflicht des Mieters ausgestaltet. Ein Verstoß hiergegen kann im Einzelfall einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Eine solche Kündigung hätte weitreichende Folgen, weil der Vermieter zusätzlich auch Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die Betriebspflicht verlangen könnte. Der Schadensersatz könnte beispielsweise in der Differenz einer niedrigeren Miete aufgrund einer Folgevermietung bestehen und umfasst ferner die Fortleistung der vertraglich vereinbarten Miete bis zur üblicherweise zu erwartenden Nachvermietung, im worst case bis zum Ende der Vertragslaufzeit. Will ein Mieter dieses Risiko vermeiden, ist er verpflichtet, den geschäftlichen Betrieb zwingend aufrecht zu erhalten, auch wenn dies wirtschaftlich keinen Sinn macht.

Die Situation, in der sich Mieter und Vermieter aktuell wiederfinden, ist äußerst kompliziert. Leider so kompliziert, dass auch der Gesetzgeber in der Kürze der Zeit nicht alle Facetten durchdacht hat. Mietvertragsparteien sind gut beraten, gemeinsam eine Lösung zu suchen und die Entscheidung nicht später Gerichten zu überlassen. Abgesehen davon, dass kaum vorherzusehen ist, wie Gerichte in Zukunft über die Vorgänge aus dieser Krisenzeit urteilen werden, dürften sie stark überlastet sein, so dass es Jahre brauchen wird, bis Entscheidungen gefällt werden. Die Mieter sollten stattdessen auf die staatlichen Unterstützungen zugreifen und sich mit ihren Vermietern über verbleibende Mietanpassungen möglichst einigen.

 

Wir haben für Sie umfassende Informationen und Handlungsempfehlungen zu zahlreichen rechtlichen Implikationen im Kontext der Coronavirus-Pandemie zusammengestellt: Coronavirus - Antworten zu rechtlichen Implikationen

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