Autor

Dr. Julia Freifrau von Imhoff

Senior Associate

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5. August 2022

Geheimhaltungsbeschluss vs. EV-Beschluss – Ein Wettlauf bei der Zustellung?

  • Briefing

 #Trade Secrets #Art. 9 Geschäftsgeheimnisrichtlinie #Zustellung

Geheimnisschutz über das einstweilige Verfügungsverfahren

Neben einer außergerichtlichen Abmahnung wird die in seinen Rechten verletzte Person in der Praxis häufig ein Interesse daran haben, dem Rechtsverletzer möglichst schnell und effektiv die Aneignung, Nutzung und Offenbarung seiner Geschäftsgeheimnisse gegenüber Dritten zu untersagen. Zu diesem Zweck bietet es sich an, gegen den Rechtsverletzer im Eilrechtsverfahren eine einstweilige Verfügung gem. §§ 935, 940 ZPO (kurz „EV“) zu erwirken. Neben den Hauptanträgen muss der Verletzte als Gläubiger im EV-Verfahren zudem gem. § 16 Abs. 1 Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) einen Antrag auf Geheimhaltung der im Verfahren vorgelegten Geschäftsgeheimnisse stellen. Denn andernfalls bestünde ein hohes Risiko, dass die im Verfahren vorgelegten Geschäftsgeheimnisse mit ihrer Einreichung bei Gericht als nicht länger geheim gehalten eingestuft werden (vgl. zu angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen bereits unseren Beitrag vom 15. Juni 2022). § 16 Abs. 1 GeschGehG dient insofern der Umsetzung einer unionsrechtlichen Vorgabe, nämlich Art. 9 Abs. 1 Geschäftsgeheimnis-RL (RL (EU) 2016/943).

Zustellung der EV erfolgt im Parteibetrieb

Hat der Gläubiger nun den Erlass einer EV beantragt und ist hiermit erfolgreich, wird das zuständige Gericht zunächst per Beschluss über den Antrag auf Geheimhaltung entscheiden und sodann gegen den Rechtsverletzer, hier den Schuldner, eine EV erlassen. Unabhängig davon, ob das Gericht gem. § 937 Abs. 2 i.V.m. 922 Abs. 1 S. 1 ZPO mit Urteilsverfügung oder ohne mündliche Verhandlung (Beschlussverfügung) entschieden hat, ist die wirksame Zustellung der EV anschließend gem. §§ 922 Abs. 2 i.V.m. 936 ZPO Aufgabe des Gläubigers. Denn zwar erfolgt bei einer Urteilsverfügung die Zustellung an beide Parteien zunächst von Amts wegen. Diese Zustellung stellt jedoch keine Vollziehung i.S.v. § 929 Abs. 2 ZPO dar, sodass eine nochmalige Zustellung des Urteils durch den Gläubiger an den Schuldner im Parteibetrieb notwendig ist. Erst mit Zustellung im Parteibetrieb wird die Verfügung schließlich wirksam und zugleich gem. § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen.

Praxisproblem: Bei Erfolg existieren zwei separate Beschlüsse

Sofern über die EV per Beschluss entschieden wird, stellt sich nun jedoch ein praktisches Problem: Es existieren zwei separate Beschlüsse, nämlich sowohl ein Geheimhaltungsbeschluss als auch ein Verfügungsbeschluss. Beide Beschlüsse müssen auf verschiedenem Wege dem Schuldner zugestellt werden: Der Verfügungsbeschluss im Parteibetrieb, der Geheimhaltungsbeschluss e. contrario §§ 922, 936 ZPO i.V.m. §§ 191 ff. ZPO von Amts wegen. In der Praxis wird der Gläubiger die Situation vermeiden wollen, dass der Verfügungsbeschluss samt Anlagen vor dem Geheimhaltungsbeschluss bei dem Schuldner eintrifft. Umgekehrt würde ein zuerst eingetroffener Geheimhaltungsbeschluss für den Schuldner praktisch aus dem „Nichts“ kommen und im luftleeren Raum schweben. Denn dieser hat vorher oftmals keine Kenntnis von der gegen ihn beantragten EV. Es ist daher aus praktischer Sicht sehr empfehlenswert, einen Gleichlauf beider Beschlüsse zu erzielen. Das gestaltet sich jedoch schwierig. Denn zum einen kann nicht sicher prognostiziert werden, wann ein von Amts wegen zugestellter Geheimhaltungsbeschluss beim Schuldner eingeht. Zum anderen hat es der Gläubiger nicht unmittelbar in der Hand, wann der von ihm mit der Zustellung beauftragte Gerichtsvollzieher den Verfügungsbeschluss zustellt.

Praxistipp: Zunächst Zustellung beider Beschlüsse im Parteibetrieb

Der Gesetzgeber hat dieses Praxisproblem bei der Einführung des GeschGehG offensichtlich übersehen. Insofern besteht daher aktuell eine Regelungslücke. Will der Gläubiger dann einen Zustellungsgleichlauf erzielen, sollte er also schnell handeln. Es ist dann ratsam (ggf. nach Rücksprache mit dem jeweiligen Gericht), auch den Geheimhaltungsbeschluss im Parteibetrieb zuzustellen. Im Anschluss hieran sollte dem zuständigen Gericht eine schriftliche Zustellungsmitteilung gemacht werden, verbunden mit der förmlichen Bitte um nochmalige Zustellung des Geheimhaltungsbeschlusses von Amts wegen.

Fazit

Das aufgezeigte Praxisproblem verdeutlicht, dass die aktuellen Regelungen zum Geschäftsgeheimnisgesetz den Rechtsanwender vor praktische Herausforderungen stellen. Es bleibt abzuwarten, ob die bestehenden Regelungslücken zeitnah geschlossen werden, oder sich diesbezüglich zumindest eine gefestigte Rechtsprechungspraxis etablieren wird.

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