3. Dezember 2020

Zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats in der Wartezeit

Der heutige Beitrag beschäftigt sich mir den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung zur Kündigung in der Wartezeit vor dem Hintergrund eines aktuellen Urteils des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 11. August 2020, Az. 5 Sa 66/20).

 

I. Einleitung 

Kündigungen in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses gelten allgemein als unproblematisch. In dieser sogenannten Wartezeit findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Der Arbeitgeber kann daher auch ohne das Vorliegen eines Kündigungsgrundes eine wirksame Kündigung aussprechen. Um hier Restrisiken auszuschließen, ist der Arbeitgeber in der Praxis regelmäßig gut darin beraten, sich bezüglich der Kündigungsgründe bedeckt zu halten.

Muss vor der Kündigung jedoch ein Betriebsrat angehört werden, gestaltet sich die Angelegenheit komplizierter. Eine ordnungsgemäße Anhörung setzt nach § 102 Abs. 1 BetrVG voraus, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitteilt. Da der Arbeitgeber in den ersten sechs Monaten allerdings keinen „echten“ Grund für eine Kündigung benötigt (und ein solcher oftmals auch nicht existiert), steht der Arbeitgeber schnell vor einem Dilemma: Teilt er dem Betriebsrat „zu wenig“ mit, könnte dies einer ordnungsgemäßen Anhörung entgegenstehen und die Kündigung so aus rein formalen Gründen unwirksam sein. Teilt er dem Betriebsrat „zu viel“ mit, könnte er sich in einem Kündigungsschutzprozess schnell mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, dass die gegenüber dem Betriebsrat gemachten Angaben nicht der Realität entsprechen (oder zumindest nicht beweisbar sind).

Was also soll man dem Betriebsrat mitteilen, um die vermeintlich rechtssichere Kündigung innerhalb der Wartezeit nicht zu gefährden?

II. Leiturteil des BAG

Grundsätzlich wurde diese Frage bereits vom Bundesarbeitsgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2013 (Urteil vom 12. September 2013, Az. 6 AZR 121/12) geklärt: Hiernach soll der Arbeitgeber grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich in der Wartezeit auf ein sogenanntes „personenbezogenes Werturteil“ zu beschränken. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat also lediglich sinngemäß mit, dass er subjektiv mit dem Arbeitnehmer „unzufrieden“ ist und deshalb kündigen möchte, bedarf es keiner weiteren Begründung dieses Urteils. Sobald der Arbeitgeber eine Kündigung jedoch mit (substantiierbaren) Tatsachen stützen möchte, erfordert eine ordnungsgemäße Anhörung regelmäßig, dass dem Betriebsrat die entsprechenden Tatsachen vollständig und richtig mitgeteilt werden – „Fehlinformationen“ können hier schnell eine fehlerhafte Anhörung und so die Unwirksamkeit der Kündigung bedeuten.

III. Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern

Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 11. August 2020, Az. 5 Sa 66/20) veranschaulicht, wie dieser Ansatz in der Praxis von den Arbeitsgerichten gelebt wird:

Im vom Landesarbeitsgericht entschiedenem Fall, klagte eine Arbeitnehmerin gegen die von ihrer Arbeitgeberin ausgesprochenen Kündigung in der Wartezeit. In der Betriebsratsanhörung begründete die Arbeitgeberin ihren Kündigungsentschluss wie folgt:

Der Arbeitnehmer genügt nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung leider nicht unseren Anforderungen“.

Vor dem Landesarbeitsgericht argumentierte die Arbeitnehmerin nun, dass es nicht dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Anhörung genügen würde, wenn der Arbeitgeber nicht auch die Tatsachen mitteilen würde, die den Arbeitgeber zu dieser Bewertung veranlasst hätten. Zumindest hätte auch eine Information über die im Arbeitszeugnis attestierten positiven Eigenschaften der Arbeitnehmerin erfolgen müssen, damit sich der Betriebsrat auf dieser Grundlage für eine Weiterbeschäftigung hätte einsetzen können.

Das Landesarbeitsgericht folgte dieser Argumentation nicht. Stattdessen legte es die bereits oben geschilderte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde und prüfte die konkret genutzte Formulierung daraufhin, ob es sich bei dieser um ein personenbezogenes Werturteil handelte. Da das Landesarbeitsgericht im konkreten Fall ein solches personenbezogenes Werturteil annahm, konnte der Arbeitgeber jede weitere Angabe zu den Beweggründen dieses Urteils unterlassen. Die Klage wurde dementsprechend abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern reiht sich hierbei in die Rechtsprechung des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 14. Januar 2016, Az. 18 Sa 21/15) und des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13.12.2018, Az. 5 Sa 220/18) ein. Arbeitsgerichte prüfen regelmäßig die vom Arbeitgeber konkret genutzte Formulierung daraufhin, ob dieser lediglich ein Werturteil entnommen werden kann. Hierbei kann eine unbedachte Formulierung schnell zu einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung führen. So sieht das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in der Formulierung „entspricht nicht den Anforderungen“ ein Werturteil, während schon die (mündliche) Formulierung von „schlechten Arbeitsleistungen“ nach der Ansicht des LAG Baden-Württemberg eine Tatsachenbehauptung darstellen kann – mit der Folge, dass über die Arbeitsleistungen und die Grundlage für deren Einstufung als „Schlechtleistung“ entsprechend unterrichtet werden muss.

IV. Praxistipp

Bei der Anhörung des Betriebsrats zu einer geplanten Kündigung in der Wartezeit sollte ein besonderes Augenmerk auf die konkrete Formulierung des „Kündigungsgrundes“ gelegt werden. Sicher ist eine solche Formulierung regelmäßig nur dann, wenn sich aus dieser ausschließlich ein Werturteil ergibt.

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