14. Oktober 2020
Das Bundeskabinett hat am heutigen Tag eine Verlängerung der Möglichkeit beschlossen, Hauptversammlungen virtuell durchzuführen. Dies teilt das Deutsche Aktieninstitut (DAI), das sich hierfür eingesetzt hatte, in seinem Newsletter mit.
Der deutsche Gesetzgeber hatte Ende März 2020 das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht („Covid-19-Gesetz“) verabschiedet. Dies erlaubte es Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, KGaA oder SE, ihre Hauptversammlung unter bestimmten Bedingungen „corona-konform“, also ohne physische Präsenz der Aktionäre und Aktionärsvertreter, durchzuführen. Die Gesellschaften müssen die Hauptversammlung etwa im Internet übertragen und den Aktionären ermöglichen, im Vorfeld Fragen online einzureichen (weitere Einzelheiten hier). Das Covid-19-Gesetz war zunächst bis Ende 2020 befristet, sah allerdings eine Verlängerungsmöglichkeit um ein Jahr vor.
Von dieser Möglichkeit hat das Bundeskabinett nun Gebrauch gemacht und das Covid-19-Gesetz bis zum 31. Dezember 2021 verlängert. In Zeiten täglich steigender Infektionszahlen und zunehmender Risikogebiete, zu denen insbesondere Großstädte, also klassische Orte von Hauptversammlungen zählten, erschien die (zwingende) Durchführung von Präsenzveranstaltungen kaum vorstellbar.
Seit Mitte September 2020 existiert ein entsprechender Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Dieser richtete in seiner Begründung verschiedene Appelle an die Unternehmen:
Gerade im Hinblick auf die Fragemöglichkeit für die Aktionäre – das Pendant zum vorübergehend suspendierten Auskunftsrecht – griff der Entwurf die vielfach geäußerte Kritik insbesondere von Aktionärsschutzvereinigungen auf. Tatsächlich ist der Dialog zwischen Aktionären und Gesellschaft ein prägendes Merkmal des deutschen Aktienrechts und Bestandteil der hiesigen Aktionärsdemokratie. Nach Wahrnehmung und Erfahrung des Verfassers sind die Gesellschaften indes bereits bislang durchaus verantwortungsvoll mit diesem Aspekt umgegangen. Hierfür sprachen auch die oftmals verlängerte Einreichungsfrist und das Verständnis, dass sämtliche oder zumindest möglichst viele Fragen umfassend beantwortet werden.
Mit der Verlängerung des Covid-19-Gesetzes um ein weiteres Jahr schafft der Verordnungsgeber Planungssicherheit insbesondere für solche Gesellschaften, die wegen eines vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahres ihre Hauptversammlung bereits am Anfang des neuen Jahres durchführen möchten. Zugleich profitieren auch die Aktionäre, die ggf. etwa mit einer „pünktlichen“ Gewinnausschüttung rechnen können. Die Entscheidung ist im Hinblick auf das aktuelle Infektionsgeschehen keinesfalls überraschend. Sollte sich die Lage auf absehbare Zeit entspannen, sollten Vorstände und Aufsichtsräte im Rahmen ihres Ermessens die Durchführung einer Präsenzveranstaltung zumindest erwägen. Gegebenenfalls können hier auch die lokalen Infektionszahlen berücksichtigt werden.
Zugleich dürfte im kommenden Jahr der Gedanke an eine Reform der Hauptversammlung an Bedeutung gewinnen. Mit einem reinen Appell an die Unternehmen, wie in dem Referentenentwurf, wird es nicht getan sein. Die vernünftige Begrenzung von Anfechtungsrisiken sollte ebenso eine Rolle spielen wie Nachhaltigkeitsaspekte – sind etwa An- und Abreise von Aktionären aus ganz Deutschland wirklich noch zeitgemäß, wenn sich diese auch aus der Ferne Gehör verschaffen können? Für diese Debatte können die Erfahrungen mit der virtuellen Hauptversammlung wertvolle Impulse liefern.
von Dr. Sebastian Beyer, LL.M. (Auckland) und Nikolaus Plagemann