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Dr. Daniel Tietjen

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24. Juli 2020

COVID-19: Vertrieb von Schutzmasken – Ende der Sonderzulassungs-Praxis des BfArM

Um dem großen Versorgungsengpass bei Mund-Nase-Schutzmasken (MNS) und Partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP) entgegenzuwirken, der aufgrund des COVID-19 Ausbruchs weltweit besteht, hat sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bislang sehr darum bemüht, Sonderzulassungen gemäß § 11 Abs. 1 Medizinproduktegesetz a.F. (MPG) bzw. § 7 Abs. 1 Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) zu erteilen. So konnten Medizinprodukte, bei denen kein Konformitätsbewertungsverfahren gemäß der Richtlinie 93/42/EWG durchgeführt wurde und die deshalb kein gültiges CE-Kennzeichen tragen dürfen, bisher unter bestimmten Voraussetzungen per Sonderzulassung gemäß § 11 Abs. 1 MPG a.F. bzw. § 7 Abs. 1 MPDG in Verkehr gebracht werden. 

Nunmehr hat das BfArM auf Basis der ihm vorliegenden Erkenntnisse entschieden, dass es für MNS-Masken sowie FFP-Masken ohne Ausatemventil mit medizinischer Zweckbestimmung in der aktuellen COVID-19 Pandemiesituation keinen Versorgungsengpass mehr gebe, der eine Sonderzulassung im Interesse der öffentlichen Gesundheit oder der Patientensicherheit/-gesundheit rechtfertigen oder gar notwendig machen würde. Folglich wurde ein zeitlich abgestuftes Ende der Vergabe von Sonderzulassungen gemäß § 11 Abs. 1 MPG a.F. in Deutschland angekündigt:

Hinweise des BfArM zur Verwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen

Für den Vertrieb von FFP-Masken als Persönliche Schutzausrüstung ist eine solche Begrenzung der geschaffenen Möglichkeit der vereinfachten Bereitstellung ohne CE-Kennzeichnung gemäß § 9 Abs. 2 Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV) noch nicht erfolgt. Das Außerkrafttreten dieser Verordnung hängt maßgeblich von der politischen Entscheidung ab, ob die festgestellte epidemische Lage von nationaler Tragweite aufgehoben wird, was bisher noch nicht geschehen ist. 

1. Sonderzulassung von Medizinprodukten

Bei MNS-Masken handelt es sich um Medizinprodukte der Risikoklasse 1, bei denen der Medizinproduktehersteller grundsätzlich ein Konformitätsbewertungsverfahren durchführen muss, wobei eine Benannte Stelle – anders als bei höheren Risikoklassen – nicht einzubeziehen ist. Die MNS-Masken dürfen anschließend nur mit einer CE-Kennzeichnung vertrieben werden.

Wenn Unternehmen solche Masken im Kontext der COVID-19 Pandemie ohne Konformitätsbewer-tungsverfahren/CE-Kennzeichnung in Deutschland in Verkehr bringen wollen, dann konnten sie bisher beim BfArM einen Antrag auf Sonderzulassung gemäß § 11 Abs. 1 MPG a.F. bzw. § 7 MPDG stellen. Voraussetzung dafür war eine erfolgreiche Prüfung der jeweiligen MNS-Maske durch ein anerkanntes Labor hinsichtlich der Anforderungen, die in der Norm DIN EN 14683:2019-6 vorgegeben sind, es sei denn, die Maske war bereits in den USA, Australien, Kanada oder Japan verkehrsfähig. 
Jetzt hat das BfArM diese Sonderzulassungs-Praxis jedoch beendet, da sich in Deutschland die Versorgungslage in Bezug auf medizinische Masken wieder normalisiert hat. Das BfArM wird die aktualisierte Bewertung der Lage für die Antragsbewertung bei allen seit dem 1. Juli 2020 eingehenden An-trägen auf Sonderzulassung nach § 7 Abs. 1 MPDG zugrunde legen und diesen daher grundsätzlich nicht stattgeben. Zudem werden Sonderzulassungen auf Basis von bis zum 30. Juni 2020 eingegangener Anträge in der Regel längstens bis zum 31. August 2020 befristet.  
Fortan muss bei MNS-Masken also wieder ein vollständiges Konformitätsbewertungsverfahren durch-laufen werden, wenn diese in Deutschland mit medizinischer Zweckbestimmung vertrieben werden sollen. Davon abgesehen ist wird es aber weiterhin grundsätzlich möglich sein, solche Masken ohne medizinische Zweckbestimmung als sog. Community Masken zu vertreiben (u.a. für das Tragen in der Öffentlichkeit, um der Maskenpflicht zu genügen), wenn die insoweit maßgeblichen regulatorischen Anforderungen erfüllt sind (insbesondere die des Produktsicherheitsgesetzes und des Textilkennzeichnungsrechts).

2. Sonderzulassung von medizinischen FFP-Masken ohne Atemventil

Bei FFP-Masken handelt es sich demgegenüber nicht um Medizinprodukte, sondern um Persönliche Schutzausrüstung (PSA), für die grundsätzlich ein Konformitätsbewertungsverfahren gemäß der PSA-Verordnung (EU) 2016/425 in Kooperation mit einer Benannten Stelle (Baumusterprüfung) durchge-führt werden muss. Nur dann dürfen die Masken nach der PSA-Verordnung CE-gekennzeichnet wer-den und sind in der Europäischen Union frei verkehrsfähig. 

Die Anwendung der Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen für die Sonderzulassung von Medizin-produkten gemäß § 11 Abs. 1 MPG a.F. bzw. § 7 Abs. 1 MPDG wurde vorübergehend zur Behebung des akuten Mangels von Schutzmasken auch auf FFP-Masken ohne Ausatemventil erweitert, wenn diese keine CE-Kennzeichnung gemäß PSA-Verordnung (EU) 2016/425 haben und als Medizinprodukte in Verkehr gebracht werden sollen. Auch diese Sonderzulassungsmöglichkeit wird mangels eines Versorgungsengpasses gleichlaufend zu den MNS-Masken eingestellt.

 

3. Sonderzulassung von (nicht-medizinischen) FFP-Masken als persönliche Schutzausrüstung 

Im Rahmen der aktuellen COVID-19 Pandemie wurde mit Blick auf die Empfehlung der EU-Kommission vom 13. März 2020 auf nationaler Ebene die Regelung des § 9 MedBVSV statuiert, die eine vereinfachte Bereitstellung von FFP-Masken zum Zwecke des Infektionsschutzes auch ohne CE-Kennzeichnung ermöglicht, unabhängig von der Möglichkeit, eine Sonderzulassung beim BfArM für FFP-Masken ohne Ausatemventil zu beantragen. Dabei ist neben der Bestätigung der zuständigen Marktüberwachungsbehörde nach § 24 Abs. 1 Produktsicherheitsgesetz entweder die Verkehrsfähig-keit in den Staaten Amerika, Kanada oder Japan oder aber die Einhaltung des einheitlichen aktuellen Prüfgrundsatzes der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik notwendige Voraussetzung: 

Prüfgrundsatz für Corona SARS-Cov-2 Pandemie Atemschutzmasken 

Trotz der besseren Versorgungslage findet die Regelung des § 9 MedBVSV nach wie vor Anwen-dung, hängt sie doch über § 10 MedBVSV i.V.m. § 5 Abs. 4 S. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) maßgeblich von der erfolgten Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite ab. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist mit einer Aufhebung durch den Bundestag jedenfalls nicht unmittelbar zu rechnen. Wenngleich es Stimmen aus dem Bundestag gibt, die eine Aufhebung fordern, sprechen sich die Regierungsfraktionen generell gegen eine Aufhebung aus:

Streit um Aufhebung der epidemischen Lage 

Spätestens mit Ablauf des 31. März 2021 wird die MedBVSV gemäß § 5 Abs. 4 S. 1 IfSG jedoch außer Kraft treten. 

Fazit 

Sofern MNS- und/oder FFP-Masken bislang nur im Rahmen der COVID-19 bedingten Ausnahmeregelungen vertrieben wurden, sollten spätestens jetzt die erforderlichen Konformitätsbewertungsverfahren nachgeholt werden, um die Masken auch dann noch vertreiben zu dürfen, wenn der normale Rechtsrahmen wieder maßgeblich ist. Es ist auch an alle weiteren regulatorischen Anforderungen zu denken (u.a. an die Vertriebsanzeige beim DIMDI gemäß § 25 MPG und ggf. an die Bestellung eines Authorized Representative, wenn der Medizinproduktehersteller seinen Sitz außerhalb der Europäischen Union hat).

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