9. Juli 2020

Urlaubsverfall bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern

Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers?

 

Bei den meisten Arbeitgebern hat sich inzwischen herumgesprochen, dass das urlaubsrechtliche Fristenregime zum Verfall von Urlaubsansprüchen nur noch eingreift, wenn der Arbeitgeber zuvor seine Mitwirkungsobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt hat (vgl. BAG, Urteil vom 19.02.2019, 9 AZR 423/16). So muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach richtlinienkonformer Auslegung von § 7 Abs. 3 BUrlG dazu auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht nimmt. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seinen Urlaub im jeweiligen Urlaubsjahr nicht nehmen konnte, ist § 7 Abs. 3 BUrlG nach Maßgabe des EuGHs (Urteil vom 22.11.2011, C-214/10) außerdem dahingehend auszulegen, dass gesetzliche Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit erst 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres erlöschen.

Doch gelten diese Grundsätze auch bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern? – Mit dieser noch nicht abschließend geklärten Frage hatte sich das LAG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 15. Januar 2020 (7 Sa 284/19) und nun, am 07. Juli 2020, auch das BAG (9 AZR 401/19) auseinandergesetzt.

I. Sachverhalt 


Der Arbeitnehmer war seit dem 18. Januar 2016 und bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im Februar 2019 arbeitsunfähig erkrankt. In dem das Arbeitsverhältnis beendigenden Auflösungsvertrag wurde mit dem Arbeitnehmer eine Auszahlung der bestehenden (Rest-)Urlaubstage aus den Jahren 2017 bis 2019 vereinbart; für das Jahr 2016 erfolgte im Vertrag keine Urlaubsabgeltung. Mit seiner Klage begehrte der Arbeitnehmer die Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage aus dem Jahr 2016 und stützte sich dabei darauf, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während seiner Krankheitszeiten nicht auf einen möglichen Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen und damit gegen Unionsrecht verstoßen habe. Die Klage blieb erfolglos.


II. Entscheidung des LAG

Die Berufung des Arbeitnehmers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Nach der Ansicht des LAG Rheinland-Pfalz seien die Resturlaubsansprüche aus dem Jahr 2016 bereits verfallen, sodass der langzeiterkrankte Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung der nicht genommenen Urlaubstage aus dem Jahr 2016 habe. Dies aus zwei Gründen:

  • Mitwirkung des Arbeitgebers kann nicht zur Erfüllung des Urlaubsanspruches führen 
    Im Falle einer Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers könne der Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers durch die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers nicht gefördert werden. Eine Aufforderung des Arbeitgebers könne gerade nicht dazu führen, dass ein langzeiterkrankter Arbeitnehmer seinen Urlaub rechtzeitig vor dem Verfall beantrage. Gleichzeitig könne der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen dessen Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub gewähren – und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer einen Urlaubsantrag stelle oder nicht. Im Ergebnis könne die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers den Arbeitnehmer damit nicht in die Lage zu versetzen, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich zu nehmen.
  • Keine (vorherige) Kenntnis des Arbeitgebers über die konkrete Höhe des Urlaubsanspruches
    Zudem habe bereits das LAG Hamm (24.07.2019 – 5 Sa 676/19) zutreffend darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber während der Langzeiterkrankung eines Arbeitnehmers nicht in der Lage sei, einen konkreten Hinweis hinsichtlich des Verfalls der Urlaubsansprüche zu erteilen. So müsse sich der Arbeitgeber bei der Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten auf einen „konkret“ bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres beziehen und den Anforderungen an eine „völlige Transparenz“ genügen. Eine solche Belehrung könne er jedoch nicht vornehmen, so lange er keine Kenntnis davon habe, ob der Arbeitnehmer im maßgeblichen Kalenderjahr wieder arbeitsfähig werde.

    Das LAG Rheinland-Pfalz hatte die Revision zugelassen.

 

III. Ausblick 


Über das Revisionsverfahren gegen die Entscheidung urteilte nun das BAG (Urteil vom 07.07.2020 – 9 AZR 401/19): Es bedarf der Klärung durch den EuGH, ob der Urlaubsanspruchs nach Ablauf der 15-Monatsfrist auch dann verfällt, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten im Urlaubsjahr nicht erfüllt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätte nehmen können. Ob der EuGH den Verzicht auf die Mitwirkungsobliegenheiten bei Langzeiterkrankten als mit dem Unionsrecht vereinbar ansehen wird, bleibt abzuwarten.

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