30. Juni 2020
In einem jüngst veröffentlichten Beschluss vom 26. Mai 2020 des LG München I (AZ 5 HK O 6378/20) ist klargestellt worden, dass die Entscheidung des Vorstands für die Durchführung einer Hauptversammlung als „virtuelle“ Hauptversammlung eine Ermessensentscheidung und als solche im Hinblick auf Ermessensfehlgebrauch gerichtlich überprüfbar ist.
Im konkreten Fall begehrte eine Aktionärin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, der Gesellschaft einstweilen die Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung zu untersagen. Das Gericht lehnte eine einstweilige Verfügung ab und verwies die Aktionärin stattdessen auf die Anfechtung der auf einer solchen Versammlung gefassten Beschlüsse. So sei eine Anfechtbarkeit der Beschlüsse etwa im Falle eines Ermessensfehlgebrauchs denkbar. Dieser könne sich beispielsweise bei überschaubarer Teilnehmerzahl einer physischen Hauptversammlung (etwa bei Gesellschaften mit kleinem Aktionärskreis) ergeben. Eine solche Anfechtung sei auch nicht durch § 1 Abs. 7 COVID-19-Gesetz ausgeschlossen.
Auch vor dem Hintergrund dieser Entscheidung empfiehlt es sich, die Abwägungen des Vorstands zur Form der Hauptversammlung im entsprechenden Einberufungsbeschluss zu dokumentieren und in diese Abwägung neben der pandemiebedingten Gefährdungslage einerseits auch die Verkürzung der Aktionärsrechte durch das COVID-19-Gesetz andererseits einzustellen.
Interessant ist ferner, dass das LG München I in seiner Entscheidung das Recht des Aktionärs anführt, auch auf der virtuellen Hauptversammlung Gegenanträge zu stellen, was sogar für Geschäftsordnungsanträge erwogen wird. Dies ist einerseits mit der Gesetzesbegründung zum COVID-19-Gesetz schwerlich vereinbar, zum anderen zeigt auch die Praxis im DAX, dass Gegenanträge weit überwiegend auf virtuellen Hauptversammlungen nicht berücksichtigt werden.
von Dr. Oliver Rothley und Tobias Kraut