23. April 2020
Als erstes Gericht hat das Verwaltungsgericht Hamburg am 21. April 2020 (Az. 3E 1675/20 VG Hamburg) einem Einzelhändler – vorläufig – gestattet auch Verkaufsflächen zu öffnen, die nicht auf 800 qm beschränkt sind. Das Oberverwaltungsgericht hat laut ersten Pressemeldungen aber bereits am 22. April 2020 eine Zwischenverfügung erlassen, dass die Beschränkung doch angewendet wird - zumindest bis zur Entscheidung über den Eilantrag, die für den 30. April 2020 erwartet werde.
Die Hamburger Corona-Verordnung in der Fassung der jüngsten Lockerung verbietet den Betrieb von Einzelhandelsgeschäften, deren Verkaufsfläche nicht auf 800 qm begrenzt ist. Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass das Verbot der Öffnung von größeren Verkaufsfläche gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Grundgesetz) verstößt. Die Differenzierung nach der Größe der Verkaufsfläche sei für die Gewährleistung des Infektionsschutzes nicht geeignet. Die für kleinere Geschäfte geltenden Infektionsschutzmaßnahmen könnte in gleicher Weise in auch in großflächigeren Einzelhandelsbetrieben sichergestellt werden. Die Anziehungskraft des Einzelhandels hänge nicht von der Größe der Verkaufsfläche ab, sondern von der Attraktivität des Angebots. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beschränkung der Verkaufsfläche geeignet ist, weniger Menschen anzulocken. Gerade Einzelhandel, der größere Flächen benötige (wie Möbel- oder Autohandel) ziehe typischerweise weniger Menschen an, als eine Ansammlung attraktiver kleinerer Geschäfte. Die Differenzierung sei zudem nicht erforderlich, weil mildere Mittel denkbar seien, wie z.B. Regelungen des Fußgängerverkehrs, die den Mindestabstand sichern.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig und kann vom Hamburgischen Oberverwaltungsgericht aufgehoben werden. Da in den anderen Bundesländern überwiegend ähnliche Beschränkungen des Einzelhandels gelten, hat das Verfahren Bedeutung über Hamburg hinaus. Allerdings hatten das Oberverwaltungsgericht Greifswald (Az. KM 333/20 OVG) und das Oberverwaltungsgericht Berlin (Az. OVG 11 S 22/20 und OVG 11 S 23/20) das undifferenzierte, umfassende Öffnungsverbot bestätigt. Die strenge Anwendung des Verhältnismäßigkeitsmaßstabes durch das Verwaltungsgericht Hamburg, hätte Auswirkungen für die Prüfung staatlicher Beschränkungen zum Schutz gegen die Covid-19 Pandemie auch in anderen Bereichen. Besondere Brisanz kann sich für den Einzelnen daraus ergeben, dass staatliche Maßnahmen, die rechtswidrig sind, häufig vorrangig angegriffen werden müssen, bevor Erstattungsansprüche infrage kommen. Die Zwischenverfügung des Hamburgischen Oberverwaltungsgericht vom 22. April 2020 deutet jedoch darauf hin, dass die Beschränkung des Einzelhandels, der nicht auf 800 qm Verkaufsfläche begrenzt ist, doch bestätigt werden könnte.
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