16. April 2020

Platform-to-Business-Verordnung als neuer Rechtsrahmen für Anbieter von Online-Vermittlungsplattformen und Online-Suchmaschinen

Das Europäische Parlament hat im April 2019 die  Verordnung (EU) 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten („Platform-to-Business-Verordnung“) erlassen. Das Regelwerk wird ab dem 12. Juli 2020 unmittelbar ohne weitere nationale Umsetzungsakte in den EU-Mitgliedsstaaten gelten und Online-Vermittlungsdiensten und -plattformen umfassende Rechtspflichten auferlegen. Hintergrund des Gesetzgebungsaktes ist der von der Europäischen Kommission avisierte Digitale Binnenmarkt als Wirtschaftsraum der Mitgliedsstaaten in den Bereichen Digitales und Telekommunikation.

Die regulatorische Zielsetzung der Platform-to-Business-Verordnung liegt darin, die Rechte gewerblicher Nutzer zu stärken, die Online-Plattformen nutzen, um Verbraucher mit ihren Waren oder Dienstleistungen zu erreichen. Der Europäische Gesetzgeber adressiert damit die zwischen den Plattformbetreibern sowie gewerblichen Nutzern bestehende Machtasymmetrie. Der Rechtsrahmen enthält unabhängig von den erst bei Überschreiten der Schwelle zur Marktmacht anwendbaren kartellrechtlichen Bestimmungen eine Vielzahl regulatorischer Vorgaben, die beim Betrieb von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen zu beachten sein werden. Zugleich sollen in dieser Form Nachteile für Verbraucher vermieden werden.

Adressaten der Platform-to-Business-Verordnung

Die Platform-to-Business-Verordnung regelt das Verhältnis zwischen den Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten bzw. Online-Suchmaschinen sowie den gewerblichen Nutzern solcher Dienste. Der Begriff umfasst nach der gesetzlichen Definition in Art. 2 Nr. 5 Platform-to-Business-Verordnung digitale Dienste, die es Nutzern ermöglichen, anhand eines Stichworts, einer Spracheingabe, einer Wortgruppe oder einer anderen Eingabe auf Webseiten zu einem beliebigen Thema eine Suche vorzunehmen. Online-Vermittlungsdienste in diesem Sinne müssen darauf ausgerichtet sein, die Anbahnung direkter Transaktionen zwischen den gewerblichen Nutzern und Verbrauchern zu vermitteln. Dies gilt unabhängig davon, wo diese Transaktionen letztlich abgeschlossen werden. Beispiele für Online-Vermittlungsdienste in diesem Sinne sind etwa Preisvergleichsportale oder Handelsplattformen.

Die Anwendbarkeit der Platform-to-Business-Verordnung setzt außerdem voraus, dass die gewerblichen Nutzer, denen die Plattform zur Verfügung gestellt wird, ihre Niederlassung oder ihren Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union haben. Ferner müssen die gewerblichen Nutzer ihre Waren oder Dienstleistungen in der Europäischen Union befindlichen Verbrauchern anbieten. Der Rechtsrahmen setzt also voraus, dass sowohl gewerbliche Nutzer als auch Verbraucher in der Europäischen Union ansässig sind. Auf den Sitz des Plattformbetreibers kommt es demgegenüber nicht an.

Welche Verpflichtungen treffen die Plattformbetreiber?

Die Platform-to-Business-Verordnung enthält einen umfassenden Pflichtenkatalog, der insbesondere Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten trifft. Darüber hinaus enthält die Verordnung Regeln für Anbieter von Online-Suchmaschinen. Die aus der Platform-to-Business-Verordnung resultierenden Rechtspflichten werden im Folgenden exemplarisch dargestellt.

Transparenzanforderungen für Plattformbetreiber-AGB

Ein wesentlicher Regelungsgegenstand sind AGB von Online-Vermittlungsdiensten. Dies adressiert den Umstand, dass im Verhältnis zwischen Plattformbetreibern und den gewerblichen Nutzern in aller Regel keine Individualvereinbarungen ausgehandelt werden, sondern Zugang zum Dienst gegen Hinnahme der vorgegebenen Bestimmungen gewährt wird. Art. 3 Abs. 1 Platform-to-Business-Verordnung enthält eine Vielzahl von Vorgaben für die Ausgestaltung der AGB.

Die AGB sind durch die Anbieter klar und eindeutig zu formulieren und müssen jederzeit leicht verfügbar sein. Diese Vorgaben finden sich im Wesentlichen schon in den deutschen Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von AGB, so dass kein wesentlicher Anpassungsbedarf entstehen wird.

Die Vorschrift enthält aber auch weitergehende Transparenzanforderungen in Form von konkreten Inhaltsvorgaben. So sind etwa die Gründe zu benennen, nach welchen Kriterien Dienste für gewerbliche Nutzer ausgesetzt, beendet oder sonst eingeschränkt werden. Hierbei muss es sich um „legitime Gründe“ handeln. Ein willkürliches Ausschließen von gewerblichen Nutzern durch die Plattformbetreiber soll damit vermieden werden.  Die endgültige Fassung der Bestimmung verzichtet allerdings auf die noch im Kommissionsentwurf enthaltene Formulierung, wonach Plattformbetreiber über die „objektiven Gründe“ für eine Kündigung zu informieren hatten. Hier stellte sich aufgrund der Vorgabe „objektiv“ noch die Frage, ob die Kündigungsgründe einer Angemessenheitsprüfung zu unterziehen sind. Aufgrund des Verzichts auf diese Formulierung verbleibt den Plattformbetreibern ein weiter Ermessensspielraum bei der Festlegung der Kündigungsgründe. Das Transparenzgebot soll lediglich der aus pauschalen Klauseln resultierenden Rechtsunsicherheit für gewerbliche Nutzer entgegenwirken.

Weiter müssen AGB Informationen enthalten über zusätzliche Vertriebskanäle oder etwaige Partnerprogramme, über die der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten, die vom gewerblichen Nutzer angebotenen Waren und Dienstleistungen vermarkten können. Die Verordnung nennt hier exemplarisch andere Websites, Softwareanwendungen oder sonstige Vermittlungsdienste.

Als weitere Restriktionen sieht die Verordnung vor, dass gewerbliche Nutzer über jedwede Änderungen der AGB 15 Tage vor Umsetzung einer Änderung zu informieren sind und der gewerbliche Nutzer sich innerhalb dieser Frist vom Vertrag lösen kann. Rückwirkende Änderungen sind nur zu Gunsten der gewerblichen Nutzer zulässig.

Implementierung eines Beschwerdemanagementsystems

Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten sind dazu verpflichtet, ein internes Beschwerdemanagementsystem zu implementieren. Dieses muss dazu geeignet sein, Beschwerden gewerblicher Nutzer innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens zu bearbeiten, Art. 11 Abs. 1 der Platform-to-Business-Verordnung. Das Beschwerdemanagementsystem muss leicht zugänglich und kostenlos verfügbar sein. Weiter sind Anbieter dazu verpflichtet, die Wirksamkeit des Beschwerdemanagementsystems zu evaluieren und die ausgewerteten Ergebnisse, einschließlich der Anzahl der Beschwerden sowie die durchschnittliche Bearbeitungszeit samt aggregierter Informationen über die Ergebnisse der Beschwerden öffentlich verfügbar zu machen. Überdies sind die gewerblichen Nutzer in den AGB über das Beschwerdemanagementsystem zu informieren.

Differenzierende Behandlung eigener Angebote

Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 der Platform-to-Business-Verordnung verpflichtet Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen, in den AGB jegliche differenzierte Behandlung von eigenen Waren und Dienstleistungen gegenüber den Angeboten der gewerblichen Nutzer nachvollziehbar zu machen. Die Erläuterungen beziehen sich auf die wichtigsten wirtschaftlichen, geschäftlichen oder rechtlichen Erwägungen, die der differenzierten Behandlung zugrunde liegen. Ein Selbstbegünstigungsverbot enthält die Vorschrift demgegenüber nicht.

Transparenzanforderungen beim Einsatz von Rankings

Sowohl Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten als auch Anbieter von Online-Suchmaschinen haben Transparenzanforderungen beim Einsatz von Rankings einzuhalten. Rankings meint dabei die Auflistung der von gewerblichen Nutzern angebotenen Waren oder Dienstleistungen, nach den vom Plattformbetreiber festgelegten Kriterien. Die Anbieter dürfen Kriterien nicht willkürlich festsetzen und müssen die Parameter für die Gewichtung in den AGB nachvollziehbar darstellen. Vor dem Hintergrund, dass die Regelungen für die Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und für Anbieter von Online-Suchmaschinen nicht gleichlautend sind, bestehen Unklarheiten hinsichtlich des Umfangs der Verpflichtungen. Die Europäische Kommission beabsichtigt, die Rechtsunsicherheiten über den Erlass von Leitlinien für die Umsetzung der festgelegten Transparenzanforderungen zu adressieren.

Sanktionsmöglichkeiten und Auswirkungen für die Anbieter

Die Platform-to-Business-Verordnung adressiert die zwischen Plattformbetreibern und gewerblichen Nutzern bestehende Machtasymmetrie und dient der Vermeidung unlauterer Verhaltensweisen der Plattformbetreiber. Sanktionsmöglichkeiten sieht die Verordnung selbst nicht vor. Nach Art. 15 Abs. 2 der Platform-to-Business-Verordnung sollen die Mitgliedsstaaten „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende“ Mechanismen zur Durchsetzung der Bestimmungen erlassen.

Diesbezüglich kommen insbesondere Bußgeldvorschriften in Betracht. Darüber hinaus statuiert Art. 14 Abs. 1 der Platform-to-Business-Verordnung ein Klagerecht von Organisationen und Verbände, die ein berechtigtes Interesse an der Vertretung gewerblicher Nutzer haben. Insofern können die Bestimmungen der Verordnung nicht nur von Mitwerbern, sondern auch von qualifizierten Organisationen wettbewerbsrechtlich durchgesetzt werden.

Anbieter sollten deshalb frühzeitig damit beginnen, die Bestimmungen der Verordnung umzusetzen, insbesondere die betreffenden Kriterien für Rankings und Eigenbegünstigung herauszuarbeiten, die AGB anzupassen und ein Beschwerdemanagementsystem zu implementieren.

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