19. März 2020
Unternehmen, die aufgrund der Corona-Krise Liquiditätsprobleme entwickeln, sollen auf staatliche Finanzierungshilfen zurückgreifen können. Die Bundesregierung hat diesbezüglich einen Schutzschild beschlossen, der die Unternehmen mittels Kostensenkungen (durch arbeits-, steuer-, und sozialrechtliche Maßnahmen) sowie kurzfristiger Darlehen in der Krise stabilisieren soll. Weitere Maßnahmen werden derzeit zusätzlich auf Länderebene entwickelt. Dies hat folgenden Hintergrund: Während die nachfolgend im einzelnen beschriebenen Maßnahmen effektive Mittel sind, um die Ausgaben zu verringern, können Zahlungen auf den Kapitaldienst oder aus fortlaufenden Dauerschuldverhältnissen wie Miete und Pacht die Liquidität weiterhin belasten. Der Rückgang des operativen Geschäfts im Zuge der Corona-Krise bietet grundsätzlich, mit Ausnahme von (vor)insolvenzrechtlichen Gestaltungsmitteln, weder ein Sonderkündigungs- noch Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmens. Auch, ob und inwiefern MAC-Klauseln ausgelöst werden, ist von der Gestaltung im Einzelfall abhängig und mit Rechtsunsicherheiten verbunden.
Die Zuführung frischer Liquidität durch Bereitstellung zusätzlicher Kredit-Finanzierungen und die kurzfristige Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bilden wirksame Mittel, die Insolvenz von gesunden Unter-nehmen zumindest Übergangsweise zu vermeiden. Bei ihrer Anwendung und Inanspruchnahme ist jedoch auch Vorsicht geboten und eine enge Abstimmung nötig. Schnelles und zielgerichtetes Eingreifen ist gerade in der Corona-Krise Schlüssel zum Erfolg. Überhastetes Handeln hingegen kann das Gegenteil bewirken. Die Inanspruchnahme von staatlichen Hilfskrediten kann zwar die Liquidität sicherstellen, erhöht im Gegenzug jedoch den Verschuldungsgrad und damit langfristig, über die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht hinaus, die Gefahr einer Überschuldung. Eine professionelle Begleitung durch krisensichere Rechtsexperten aus dem Bereich Restructuring, Corporate, Employment und Finance ist somit unerlässlich.
Die Corona-Kredite der Bundesregierung bauen auf den Förderprogrammen der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) auf und werden durch diese über Kreditinstitute (im Regelfall die Hausbank) an die Unternehmen ausgegeben. Dabei übernimmt die KfW bis zu 80% des Risikos, 20% sind von den jeweiligen Banken zu tragen. Die Risikoübernahme der KfW bildet einen Anreiz für die Banken zur freigiebigen Kreditvergabe innerhalb der Grenzen des Restrisikos.
Auch auf Länderebene wird verstärkt reagiert: Landesregierungen und landeseigene Förderinstitute erleichtern den Zugang zu bestehenden und zusätzlichen Finanzierungsmitteln, um die Liquiditätsversorgung der Unternehmen abzusichern. Die Zusammenarbeit der Aufbau- und Förderbanken mit den Bürgschaftsbanken der einzelnen Bundesländer sollen kurzfristig Kreditlösungen schaffen, um insbesondere kleine bis mittlere Unternehmen zu unterstützen. Zu den jeweiligen länderspezifischen Angeboten beraten wir Sie gerne individuell passend.
Der Bundestag hat in Reaktion auf die Krise am Freitag im Eilverfahren das „Arbeit-für-morgen-Gesetz“ erlassen, das die Schlagkraft des Kurzarbeitergeldes erheblich verstärkt und Unternehmen stark entlastet. Durch das Kurzarbeitergeld können vom Arbeitsausfall betroffene Unternehmen ihre Personalkosten kurzfristig bis auf null fahren – wenn es sein muss. Beschlossen wurde:
Der insolvenz- und strafrechtliche Druck von Großgläubigern wie Finanzämtern und Sozialversicherungsträgern lastet in Krisensituationen besonders stark auf den Schultern der Unternehmen.
Angesichts der aktuellen Corona-Krise sollen seitens der Finanzämter steuerliche Hilfsangebote gestellt werden. Zur Sicherung der Liquiditätslage soll laut Bundesministerium für Finanzen (BMF) die Möglichkeit der Herabsetzung von Steuervorauszahlungen verbessert werden, damit die ausstehende Steuerbelastung für das 2. Quartal 2020 an die in kürzester Zeit gesunkene Ertragserwartung angepasst wird. Dieser Antrag sollte mit einem Antrag auf zinslose „technische“ Stundung kombiniert werden, um die (insolvenzrechtliche) Fälligkeit zu beseitigen. Hinsichtlich der Stundung können die Finanzämter die üblichen Stundungszinsen in Höhe von 0,5 Prozent im Monat im Einzelfall teilweise oder ganz verzichten. Die hierfür erforderliche Abstimmung mit den Ländern wurde bereits durch das BMF eingeleitet. Ferner soll es seitens der Finanzverwaltung bei unmittelbarer Betroffenheit des Unternehmens bis Ende des Jahres 2020 einen Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahme und Säumniszuschläge geben.
Hinsichtlich fälliger Sozialversicherungsbeiträge kann zudem unter den Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB IV mittels eines Stundungsantrags deren Fälligkeit kurzfristig beseitigt werden, wenn sich das Unternehmen aufgrund der Corona-Krise in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befindet.
Durch einen Gesetzesentwurf (Gesetzesentwurf des Bundeskabinetts zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 23. März 2020, CorInsAG) soll darüber hinaus die Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO und nach § 42 Abs. 2 BGB temporär bis zum 30. September 2020 ausgesetzt werden (zudem besteht eine Verordnungsermächtigung zur Verlängerung der Aussetzung bis zum 31. März 2021). Dies soll nicht gelten, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Corona-Krise beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zah-lungsunfähigkeit zu beseitigen. Die Beweislast soll bei demjenigen liegen, der sich auf das Bestehen der Antragspflicht beruft. Eine weitere Entlastung soll darin liegen, dass bei bestehender Zahlungsfähigkeit zum 31. Dezember 2019 vermutet wird, dass die spätere Insolvenzreife auf den Folgen der Corona-Krise beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Zweck der Beweiserleichterung zugunsten des Antragspflichtigen soll es sein, diesen von den Nachweis- und Prognoseschwierigkeiten effektiv zu entlasten. Eine Widerlegung der Vermutung soll nur dann in Betracht kommen, wenn kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Corona-Krise nicht kausal für die Insolvenzreife war und dass die Beseitigung einer eingetretenen Insolvenzreife nicht wird gelingen könne. Auf Grund des mit dem Gesetz verfolgten Zwecks, sind insoweit höchste Anforderungen im Rahmen einer Widerlegung der Vermutung zu stellen. Auch wenn die Regelung folglich schuldnerfreundlich ausgestaltet ist, sind die Geschäftsleiter nicht davon entbunden, für den (späteren) Nachweis der Anknüpfung der Aussetzung an die Corona-Krise aus betriebswirtschaftlicher Vorsorge eine hinreichende Dokumentation zur nachhaltigen Vermeidung späterer Haftungs- und Prozessrisiken zu erstellen.
Die Handlungsfähigkeit von Unternehmen und damit überhaupt erst die Möglichkeit zur Fortführung des Geschäftsbetriebs (auch im Rahmen einer Sanierung), soll durch die teilweise Aufhebung der Sanktionierung für verbotene Zahlungen (vgl. insbesondere § 64 GmbHG, § 92 AktG) durch die Geschäftsleitung gesichert werden. Dafür gelten Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar.
Zur systemischen Aufrechterhaltung des Wirtschaftsverkehrs soll zudem ein weitreichender Schutz des Leistungsaustausches vor der Gefahr insolvenzrechtlicher Rückabwicklungen im Wege der Insolvenzanfechtung geschaffen werden. Kongruente Deckungen sollen nur noch unter der verschärften Bedingung anfechtbar sein, dass den Vertragspartnern als potentiellen Anfechtungsgegnern bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Die Anforderungen an die Kenntnis sind dabei bewusst erhöht worden, um die Risiken marktüblicher Transaktionen zu reduzieren.
Zusätzlich erstreckt sich der Anfechtungsschutz auf einen Numerus clausus an handelsüblichen inkongruenten Deckungen. Im Übrigen bleibt die Anfechtung inkongruenter Deckungen unberührt.
Das geplante CorInsAG sieht im Rahmen eines Moratoriums ferner einen temporären Kündigungsschutz (laut Gesetzesentwurf nur bis zum 30. Juni 2022) in Bezug auf Mietverträge für Corona-bedingten Zahlungsverzug vor.
Das CorInsAG incentiviert des Weiteren die Bereitstellung neuen Fremdkapitals als Sanierungsfinanzierung für Unternehmen wie folgt:
Zahlungen auf den Kapitaldienst von Kreditgebern, die den Kredit erst nach Beginn des Aussetzungszeitraums ausgereicht haben, werden bis zum 30. September 2023 von der Anfechtung ausgenommen, indem das Tatbestandsmerkmal der Gläubigerbenachteiligung gesetzlich negiert wird. Bloße Novationen oder Prolongationen sind vom Anfechtungsprivileg ausgenommen. Die anfechtungsrechtliche Privilegierung der Rückzahlung von Krisenkrediten umfasst dabei sowohl Nichtgesellschafter als auch Gesellschafter, deren Krisenkredite systemkonform auch nicht ipso iure in den Rang von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zurücktreten. Fremdkapitalgebern werden dabei auch Geber anderer Leistungserbringungen auf Ziel, wie Warenkreditgeber, gleichgestellt.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht kürzer ist, als der gesetzliche Ausschluss der Annahme einer Gläubigerbenachteiligung bei Rückzahlungen. Es besteht daher ein Schutz erfolgter Rückzahlung vor einer etwaigen Insolvenzanfechtung, nicht aber ein Schutz vor einem Insolvenzverfahren selbst, sodass das Risiko eines Verlustes der verbleibenden Darlehensforderung selbstverständlich verbleibt.
Darüber hinaus werden die Sicherungsmöglichkeiten der Nichtgesellschafter als „Krisenfinanzierer“ verbessert, indem auch die Bestellung von Sicherheiten für neue Darlehen als per se nicht gläubigerbenachteiligend qualifiziert wird (gilt nicht für die Besicherung von Gesellschafterdarlehen).
Der Gesetzesentwurf trägt den Unsicherheiten hinsichtlich der weiteren Unternehmensentwicklung und den daraus resultierenden potentiellen Haftungsrisiken für die Kreditgeber weiter dadurch Rechnung, dass die Kreditgewährung und deren Besicherungen im Aussetzungszeitraum nicht als sittenwidriger Beitrag der Kreditgeber zur Insolvenzverschleppung anzusehen ist.
Der persönliche Anwendungsbereich der dargestellten Schutz- und Anreizmaßnahmen ist dabei nicht auf juristische Personen beschränkt, sondern gilt ebenso gegenüber Personengesellschaften sowie natürlichen Personen. Des Weiteren wird der sachliche Anwendungsbereich auf Schuldner erweitert, die noch nicht materiell insolvent sind.
Unberücksichtigt blieb bis zur Vorlage des Entwurfs zum CorInsAG, dass die vorgesehenen Corona-Hilfen zwar geeignet sind, kurzfristig Liquiditätsengpässe zu beseitigen, zugleich durch die Aufnahme neuen Fremdkapitals jedoch neue Verbindlichkeiten entstehen, die zu einer möglichen Überschuldung beitragen können. Auch die Suspendierung des automatischen Rangrücktritts für Krisen-Gesellschafterdarlehen könnte sich damit als zweischneidig herausstellen. Es verbleibt die Gefahr einer materiellen Insolvenz im Zeitraum nach Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und vor der planmäßigen Rückführung des Darlehens, sodass mit Blick auf die Insolvenzgründe nach wie vor große Vorsicht geboten ist.
Wir haben für Sie umfassende Informationen und Handlungsempfehlungen zu zahlreichen rechtlichen Implikationen im Kontext der Coronavirus-Pandemie zusammengestellt: Coronavirus - Antworten zu rechtlichen Implikationen
von mehreren Autoren
von mehreren Autoren