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9. März 2020

Bundesjustizministerium stellt „Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“ vor

Erhebliche Verschärfung der Unternehmenssanktionen // Hoher Preis für Milderungsfaktoren

Am 22. August 2019 hat die Bundesjustizministerin den seit langem erwarteten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität vorgestellt. Den Entwurf selbst hat das Ministerium allerding bislang noch nicht veröffentlicht. Aus dem bislang bekannten Inhalt wird aber bereits jetzt klar, dass Unternehmen im Falle von unternehmensbezogenen Gesetzesverstößen von Mitarbeitern und/oder Unternehmensorganen mit schärferen Sanktionen rechnen müssen. Allerdings sollen auch umfangreiche Compliance-Bemühungen der Unternehmen mit Rabatten in der Sanktionszumessung honoriert werden.

Im Folgenden sollen die bereits bekannten Regelungen des Entwurfes kurz kommentiert werden:

1. VERBANDSSTRAFTATEN

Bislang können Unternehmen in Deutschland „nur“ nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht sanktioniert werden. Ein Unternehmensstrafrecht, wie zum Beispiel in den USA oder Frankreich, existiert in Deutschland nicht. Dementsprechend hat die Diskussion über die Schaffung eines auf Unternehmen zugeschnittenen Verbandsstrafrechts nicht zuletzt auch aus dogmatischen Gründen Tradition. Denn die an einem einheitlichen Regelungsregime orientierte Ahndung von Verkehrsvergehen einerseits und die Sanktionierung von Kartellverstößen, korruptivem Verhalten, Steuerdelikten etc. andererseits wird als unangemessen empfunden. Nach dem jüngsten Entwurf soll eine Verbandssanktion dann verhängt werden können, wenn Straftaten begangen werden, durch die unternehmensbezogene Pflichten verletzt oder das Unternehmen bereichert wird/ bereichert werden sollte. Auch Auslandstaten von Unternehmen mit Sitz in Deutschland sollen zukünftig sanktioniert werden können. Das Opportunitätsprinzip des Ordnungswidrigkeitenrechts soll durch das im Strafprozessrecht herrschende Legalitätsprinzip ersetzt werden. Demnach wird es zukünftig eine Pflicht der Strafverfolgungsorgane geben, gegen Unternehmen vorzugehen. Dies wird – wie nicht zuletzt die aktuelle Berichterstattung über die Überlastung der deutschen Justizbehörden zeigt – auch die Ermittlungsbehörden vor erhebliche Herausforderungen stellen.

2. ERHEBLICHE ANHEBUNG DES SANKTIONSRAHMENS

Der bislang für Unternehmen geltende Bußgeldrahmen in Höhe von maximal EUR 10 Millionen wird nach dem Entwurf auf bis zu 10 % des Jahresumsatzes eines Unternehmens ausgeweitet, sofern sein Jahresumsatz größer als EUR 100 Millionen ist. Es wären daher auch in Deutschland die im US-Sanktionenrecht üblichen und gefürchteten „Milliardenstrafen“ gegen Unternehmen möglich. Der Entwurf sieht aktuell sogar auch die Zwangsauflösung des betroffenen Unternehmens als mögliche Sanktion vor. Da die Leidtragenden einer solchen Sanktion jedoch in erster Linie unbeteiligte Arbeitnehmer, Aktionäre, Geschäftspartner usw. wären, wird diese Regelung von vielen Seiten kritisiert, so dass abzuwarten bleibt, ob sie das Gesetzgebungsverfahren übersteht.

Der Gewinn, den das Unternehmen durch den betreffenden Regelverstoß erzielt hat, soll auch weiterhin abgeschöpft werden könnewn, allerdings nach den Regelungen der strafprozessualen Einziehung, welche die Auskehrung des inkriminierten Gewinns an Geschädigte ermöglicht. Darüber hinaus sollen die delinquenten Unternehmen in einem Verbandssanktionsregister aufgelistet werden können.

3. MILDERUNGSFAKTOREN

Sofern Unternehmen mit den Strafverfolgungsbehörden in einem Ermittlungsverfahren kooperieren und die Regelverstöße unternehmensintern aufklären, sollen sie einen Rabatt von maximal 50 % der ansonsten zu verhängenden Strafe erhalten. Allerdings sind die Vorrausetzungen für die Reduzierung der Sanktion sehr streng und folgen den nachfolgenden Prinzipien:

  • Erfolgsprinzip: Die unternehmensinterne Ermittlung muss erfolgreich gewesen sein, d.h. zur Aufklärung des Regelverstoßes beigetragen haben.
  • Kooperationsprinzip:  Das Unternehmen muss ununterbrochen und uneingeschränkt mit den Verfolgungsbehörden kooperieren.
  • Transparenzprinzip: Die im Wege der unternehmensinternen Ermittlung erhobenen Unterlagen müssen den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden.
  • Fair-Trial-Prinzip: Die unternehmensinterne Ermittlung muss fair ablaufen. Zum Beispiel müssen Arbeitnehmer auf ein Aussageverweigerungsrecht hingewiesen werden und sie müssen die Möglichkeit haben, selbst einen Anwalt oder den Betriebsrat zu den Befragungen hinzuziehen.
  • Rechtmäßigkeitsprinzip: Die unternehmensinterne Erhebung muss in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht insbesondere dem Datenschutzrecht erfolgen.

Nach erster Betrachtung ist die Milderung der Sanktionen von nur maximal 50 % verglichen mit dem notwendigen Ermittlungsaufwand der Unternehmen sowie dem Erfordernis, vollumfänglich mit den Behörden zu kooperieren und insbesondere alle erhobenen Unterlagen auszuhändigen, als unverhältnismäßig einzustufen.

4. VERFAHRENSRECHTE DER UNTERNEHMEN

  Letztlich sollen Unternehmen Verfahrensrechte im Sanktionsverfahren erhalten. Ob dieser Zweck jedoch mit dem bisherigen Entwurf erreicht wird, ist mehr als zweifelhaft. Denn die Unterlagen aus unternehmensinternen Ermittlungen sollen weiterhin beschlagnahmt werden dürfen und ein Beschlagnahmeverbot erst dann greifen, wenn das Unternehmen eine Beschuldigtenstellung innehat. Dies bildet aber im Wesentlichen die derzeitige Situation nach der Jones-Day Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab, die aus Sicht vieler Strafrechtsexperten die Verfahrensrechte des Unternehmens nur unzureichend gewährleistet.

5. EINSCHÄTZUNG UND PRAXISHINWEIS

Der Entwurf des Bundesjustizministeriums und das darin vorgesehene Sanktionsregime für Unternehmen wirkt nicht nur bedrohlich, sondern ist er auch. Er suggeriert das Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“, lässt jedoch die für die Umsetzung dieses Prinzips notwendige Rechtsklarheit und Vorhersehbarkeit vermissen. Den Unternehmen wird zwar die Möglichkeit eingeräumt, die Strafe zu mildern. Der Aufwand hierfür, insbesondere auch die Kosten, ist jedoch immens, zumal ein Rabatt wegen des Erfolgsprinzips auch nicht garantiert ist. Auch die Verfahrensrechte sowohl des Unternehmens als auch der Unternehmensangehörigen sind bislang nur unzureichend ausgestaltet. Unternehmen sollten den Gesetzentwurf zum Anlass nehmen, ihre präventiven Compliance-Bemühungen auf den Prüfstand zu stellen und weiter zu intensivieren, damit es zu Rechtsverstößen und der Anwendbarkeit der kommenden staatlichen Sanktionsinstrumente gar nicht erst kommt. Dass präventive Compliance-Maßnahmen im Rahmen eines angemessenen Compliance- Management-Systems bußgeldmindernd wirken, auch wenn sie im Einzelfall nicht gegriffen haben, hatte der Bundesgerichtshof in einer vielbeachteten Entscheidung schon im Jahr 2017 festgehalten.

Zur PDF-Version: Bundesjustizministerium stellt „Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“ vor

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