16. Oktober 2019
Das Verwaltungsgericht Berlin (VG Berlin) entschied am 29. September 2019 (VG 27 K 365.18), dass die BILD-Zeitung in Zukunft ihre Online-Livestreams nicht mehr ohne eine rundfunkrechtliche Zulassung betreiben darf. Das Gericht folgt damit der Ansicht der Medienanstalt Berlin Brandenburg (MABB), die (wie auch andere Landesmedienanstalten in ähnlichen Fällen) das Angebot von Livestreams im Internet als zulassungspflichtigen Rundfunk qualifiziert hatte.
In dem zugrundeliegenden Fall beanstandete die MABB im Juli 2018, dass die BILD drei Internet-Video-Formate zum Livestreaming anbot, ohne dafür eine rundfunkrechtliche Sendelizenz eingeholt zu haben. Die Formate sind im Internet über bild.de, facebook und YouTube, teilweise nur einmal wöchentlich für 20 Minuten zugänglich. Bei den Videoformaten handele es sich nach Ansicht der MABB um ein zulassungspflichtiges Rundfunkangebot. Die Medienanstalt untersagte die Veranstaltung und Verbreitung der Streams, sofern nicht ein Antrag auf rundfunkrechtliche Zulassung gestellt werde.
Die BILD wehrte sich gegen diesen Bescheid vor dem VG Berlin. Zusätzlich strengte die BILD ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz an, um die Streams bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens weiterbetreiben zu können. Das VG und das OVG Berlin entschieden im Eilverfahren im Sinne der BILD. Beide Gerichte betonten dabei die unklare und umstrittene Rechtslage. Bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens durfte die BILD die Streams also weiter anbieten.
Im Hauptsacheverfahren obsiegte nunmehr die MABB. Entscheidend war dabei die Frage, ob die Streaming-Angebote der BILD als „Rundfunk“ im Sinne des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) einzuordnen und daher zulassungspflichtig sind. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 RStV ist Rundfunk „ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen.“
Nach Ansicht der MABB liegen diese Voraussetzung bei den BILD Livestreams vor. Die BILD hatte indes angeführt, dass ihre Livestreams nicht im Rahmen eines Sendeplans erschienen und daher nicht als Rundfunk einzuordnen seien. Was unter einem „Sendeplan“ zu verstehen ist, legen weder europäische noch deutsche Regelungen bindend fest. Das VG Berlin erkannte in dem vorliegenden Fall einen Sendeplan. Dieser ergebe sich unter anderem aus der Regelmäßigkeit und Häufigkeit des Angebotes.
Abzuwarten bleibt die genaue Argumentation des VG Berlin, da der Volltext der Entscheidung bislang noch nicht vorliegt.
Das Urteil des VG bringt vorerst etwas Klarheit in ein äußerst umstrittenes Thema. Bis auf weiteres muss davon ausgegangen werden, dass Anbieter eines Online-Streamingdienstes eine Rundfunklizenz einholen müssen, wenn sie Inhalte mit einer gewissen Regelmäßigkeit oder Häufigkeit linear übertragen. Die Anforderungen an die Annahme eines „Sendeplanes“ im rundfunkrechtlichen Sinne müssen vorerst wohl denkbar niedrig angesetzt werden.
Das Urteil bestätigt dabei die Tendenz der Landesmedienanstalten der letzten Jahre, auch von Live-Streaming-Anbietern eine Rundfunklizenz zu verlangen. Aufsehen erregt hatte dies bislang vor allem bei Livestreams von Gaming-Content, sog. „Let’s Play“-Angeboten u.a. auf Plattformen wie Twitch, bei denen das Spielgeschehen live übertragen und kommentiert wird.
Mittlerweile haben eine Reihe von Streaminganbietern Sendelizenzen beantragt und auch erhalten, wie z.B. #heiseshow“ oder „rocketbeans.tv“. Bei Unsicherheiten über die Zulassungspflicht gibt die Checkliste der Landesmedienanstalten zur „ Einordnung von Streaming-Angeboten im Internet“ einige Hinweise, die allerdings nur eine erste Orientierung bieten. Daneben besteht auch die Möglichkeit der Einholung einer sog. Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 20 Abs. 2 S. 3 RStV.
Ob das eher strenge Verständnis der Medienanstalten und des VG Berlin Bestand haben wird, ist nicht sicher. Zum einen könnte das Berufungsgericht anders entscheiden, falls Berufung eingelegt wird. Das VG Berlin hat diese aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung jedenfalls zugelassen.
Zum anderen könnte auch in Zukunft der neue Medienstaatsvertrag (der in seiner neuen Fassung den Rundfunkstaatsvertrag ersetzen wird) abweichende Regelungen enthalten, die eine Rundfunklizenz zumindest für einige Fälle entbehrlich macht. Der aktuell überarbeitete Vorschlag der Rundfunkkommission vom Juli 2019 enthält eine allgemeine Definition des Sendeplanes. Ein Sendeplan ist danach „die auf Dauer angelegte, vom Veranstalter bestimmte und vom Nutzer nicht veränderbare Festlegung der inhaltlichen und zeitlichen Abfolge von Sendungen“. Ob diese Definition mehr Rechtssicherheit bringen würde, erscheint allerdings zweifelhaft. Es erscheint zumindest möglich, für die auf Dauer angelegte Festlegung der Sendung höhere Voraussetzungen als das VG Berlin zu verlangen. So könnte eine lediglich vorliegende Regelmäßigkeit und geringe Häufigkeit von Streaming Angeboten nicht als ausreichend für die Annahme eines Sendeplans verstanden werden.
Darüber hinaus enthält der Entwurf in § 20b eine Ausnahmevorschrift für Rundfunkprogramme,
Beide Ausnahmevorschriften könnten auf Live-Streaming-Angebote und Let’s Plays anwendbar sein. Denkbar wäre aber auch eine Befreiung von der Zulassungspflicht für alle reinen Web-Streamingangebote, wie sie bereits heute in § 20b RStV für Internetradios vorgesehen ist.