19. September 2019

Probearbeit und ihre Tücken

Auch Probearbeiter sind über die Unfallversicherung des Arbeitgebers versichert, wenn Sie bei diesem einen „Schnupperarbeitstag“ verbringen. Dies entschied das Bundessozialgericht am 20. August 2019 (Az. B 2 U 1/18 R) und bestätigte dadurch die gleichlautenden Urteile der beiden Vorinstanzen.

Wir haben dieses Urteil zum Anlass genommen, die Thematik „Probearbeit“ in unserem Newsletter genauer zu behandeln. Denn nicht nur die o. g. Entscheidung sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber kennen. Die Vereinbarung eines „Probetages“ / „Schnuppertages“ hat so manche Tücke, die es zwingend zu beachten gilt.

Abgrenzung Probearbeit und Probezeit

Von einem Probetag beziehungsweise Schnuppertag zu unterscheiden ist die Probezeit im Sinne des § 622 Abs. 3 BGB. Während der Probetag dem Unternehmer die Möglichkeit gibt, noch vor Abschluss eines Arbeitsvertrages die persönliche und fachliche Eignung des Bewerbers zu prüfen und ihn darüber hinaus eventuell vom eigenen Unternehmen zu überzeugen, wird die Probezeit innerhalb eines Arbeitsvertrages vereinbart. Für die Probezeit – diese darf die Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten – können die Vertragsparteien eine verkürzte Kündigungsfrist vereinbaren und festlegen, dass eine Kündigung während der Probezeit nicht begründet sein muss. Aufgrund des in diesem Fall bereits abgeschlossenen Arbeitsvertrages bestehen bereits während der Probezeit gegenseitige Ansprüche zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer einen Anspruch auf Arbeitsleistung und dieser wiederum gegenüber seinem Vertragspartner u. a. auf Vergütungsansprüche. Derartige Ansprüche bestehen mangels eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Bewerber und dem Unternehmer während eines Probearbeitstages nicht.

Vereinbarung über einen Probearbeitstag, Vermeidung eines Arbeitsvertrages

Vereinbaren der potenzielle Arbeitgeber und der Bewerber, dass Letzterer einen Tag zur Probe arbeiten soll, ist Vorsicht geboten: Denn allein im Wege der Durchführung der Probearbeit ist es möglich, dass ein Arbeitsvertrag geschlossen wird. Denn dieser kann schon bei einer faktischen Eingliederung des Bewerbers in den Betrieb des Unternehmers zustande kommen. Ein schriftlicher oder auch mündlicher Abschluss eines Arbeitsvertrages ist nicht notwendig. Der konkludente d. h. durch eine Handlung – die Eingliederung – begründete Arbeitsvertrag existiert in der Folge mit all den Ansprüchen, die ein Arbeitnehmer und ein Arbeitgeber regelmäßig haben. Der konkludent abgeschlossene Arbeitsvertrag kann trotz seines formfreien Abschlusses lediglich durch eine (schriftliche) Kündigung beendet werden. Dabei müssen die Parteien mangels einer anderweitigen Vereinbarung die Mindestkündigungsfrist des § 621 Abs. 1 BGB (vier Wochen zum 15. oder zum Monatsletzten) einhalten. Von der Vereinbarung einer Probezeit im Sinne des § 622 Abs. 3 BGB ist ebenfalls (mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung) nicht auszugehen.

Ein Arbeitsvertrag entsteht während einer Probearbeit nicht, solange eine Eingliederung vermieden wird. Der Probearbeiter muss gerade als ein solcher behandelt werden und darf im Unternehmen nicht so auftreten und so behandelt werden, wie ein Arbeitnehmer. Er sollte beispielsweise lediglich unter Aufsicht für einen kurzen Zeitraum kleinere Teilaufgaben erledigen. Er darf keine Verantwortung übernehmen und ihm darf keine Verantwortung übertragen werden.

Während zum Beispiel der probeweise helfende Supermarktverkäufer noch beim Einsortieren von Waren helfen kann, sollte er diese Tätigkeit nicht selbstständig und alleine übernehmen oder autonom die Kunden an der Kasse bedienen. Gleichartiges gilt exemplarisch auch für einen LKW-Fahrer der einen Tag zur Probe arbeitet. So sollte dieser nur auf dem Beifahrersitz des LKW Platz nehmen und nicht gleich eigenständig als Fahrer einen Kundenauftrag erfüllen. Auch sollte ein Probearbeiter keine Bekleidung des Unternehmens tragen und auch für Externe als ein Probearbeiter erkennbar sein. Vereinbaren der Bewerber und das Unternehmen, dass der Probearbeiter für die Probearbeit eine Geldleistung erhalten soll, darf diese auf keinen Fall als Gehalt ausgestaltet und bezeichnet werden. Möglich ist aber beispielsweise die Vereinbarung eines Fahrgeldes als Entschädigungsleistung.

Neue Rechtsprechung: Unfallversicherungsschutz des Probearbeiters

Da der Probearbeiter nicht im Betrieb des potenziellen Arbeitgebers eingegliedert ist, galt er in der Vergangenheit nur unter besonderen Umständen als (über den Betrieb) unfallversichert. Im Falle eines Unfalls haftete bislang grundsätzlich die Haftpflichtversicherung des Probearbeiters und nicht die Versicherung des testenden Unternehmens. Seit der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gilt dieser Grundsatz nicht mehr. So stellte das BSG in seiner (noch nicht veröffentlichten) Entscheidung vom 20. August dieses Jahres fest, dass Probearbeiter regelmäßig „Wie-Beschäftigte“ im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII seien. Diese Bewertung hat zur Folge, dass sie wie Beschäftigte im Sinne des siebten Sozialgesetzbuchs, d.h. wie „normale Arbeitnehmer“, eines Unternehmens über die Unfallversicherung des (potenziellen) Arbeitgebers versichert sind, obwohl sie noch nicht im Betrieb eingegliedert wurden. Denn die Vereinbarung eines Probetages diene – so das Gericht – nicht nur dem Interesse des Probearbeiters, sich dem Unternehmen vorzustellen. Der Probetag stünde auch im Interesse des Unternehmens selbst.

Praxishinweise

Auch Probearbeiter sind nunmehr regelmäßig durch die Unfallversicherung eines Unternehmens geschützt. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass sie behandelt werden können, wie „normale Arbeitnehmer“. Denn die Ausübung eines Probetages kann die Entstehung eines Arbeitsvertrages zur Folge haben. Entscheidend für diese Beurteilung ist die gelebte Praxis.

Hilfreich ist ein Vertrag über einen Probetag zwischen dem potenziellen Arbeitgeber und dem Bewerber. In diesem Vertrag sollte verdeutlicht werden, dass die Parteien derzeit kein Arbeitsverhältnis begründen wollen Falle eines Streits, ob ein Arbeitsvertrag zustande kam oder nicht, hat er jedenfalls indizielle Wirkung.

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