Autor

Dr. Johannes Alexander Höft

Salary Partner

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28. Juni 2019

Arbeitsunfälle Externer auf dem Betriebsgelände: Der Betriebsrat muss nicht alles wissen

Der heutige Beitrag beschäftigt sich mit einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats bezüglich Arbeitsunfällen Externer auf dem Betriebsgelände. Das BAG hat den Umfang der Informationspflicht des Arbeitgebers klar abgesteckt und dabei einem zu weitreichenden Informationsbegehren des Betriebsrats eine Absage erteilt.


I. Einleitung

Arbeitsunfälle, die eine Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters von mehr als drei Tagen nach sich ziehen, muss der Arbeitgeber der Berufsgenossenschaft anzeigen. Diese – innerhalb von drei Tagen zu erstattende – Anzeige an die Berufsgenossenschaft hat neben dem Arbeitgeber auch der Betriebsrat zu unterschreiben (§ 193 Abs. 1, 3 SGB VII). Außerdem ist dem Betriebsrat eine Kopie der Anzeige zu überlassen (§ 89 Abs. 6 BetrVG). Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht kann mit einem Bußgeld bis zu einer Höhe von EUR 10.000 geahndet werden.

Unstreitig gilt dies für Arbeitsunfälle Interner, also betriebsangehöriger Mitarbeiter sowie Leiharbeitnehmer (bei Letzteren ist die Anzeige sowohl vom Verleiher als auch vom Entleiher zu erstatten). Unklar war bisher, wie sich der Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen Externer zu verhalten hat, also auf dem Betriebsgelände eingesetzte Mitarbeiter von Fremdfirmen, die auf der Grundlage eines Werk- oder Dienstvertrags tätig werden. Das BAG hatte sich nun erstmalig mit dieser Frage zu befassen und hat dabei klare Antworten gefunden.

II. Sachverhalt

Die von ihrem Betriebsrat in Anspruch genommene Arbeitgeberin erbringt Kurier- und Expressdienste. Auf dem Betriebsgelände der Arbeitgeberin sind im Rahmen von Werk- und Dienstverträgen auch Mitarbeiter von Fremdfirmen tätig. Bei der Beladung von Paletten mittels eines Handhubwagens kam es im Abstand weniger Tage zu zwei Arbeitsunfällen von Fremdfirmen-Mitarbeitern, die jeweils eine mehr als dreitägige Krankschreibung nach sich zogen. Einer schlug sich das Schienbein auf, einer erlitt einen Muskelfaserriss.

Der Betriebsrat verlangte daraufhin von der Arbeitgeberin, ihm die beiden erstatteten Unfallanzeigen an die Berufsgenossenschaft zu überlassen, ihm außerdem in solchen Fällen alle zukünftigen Unfallanzeigen vor der Übersendung an die Berufsgenossenschaft zur Kenntnisnahme und Unterschrift vorzulegen und ihn darüber hinaus umfassend über jeden Arbeitsunfall Externer detailliert zu unterrichten. Die Unterrichtung sollte neben Unfallzeitpunkt, Unfallort, Unfallhergang und erlittener Verletzung auch die persönlichen Daten der verletzten Externen sowie deren Arbeitgeber beinhalten. Die Arbeitgeberin lehnte das Verlangen des Betriebsrats ab und argumentierte, dem Betriebsrat stünden all diese Informations- und Vorlagerechte nur in Bezug auf die Mitarbeiter der Arbeitgeberin, nicht aber bezüglich Mitarbeitern von Fremdfirmen zu. Bei Arbeitsunfällen Externer bestehe bereits keine Anzeigepflicht der Arbeitgeberin.

Die Vorinstanzen sind der Argumentation der Arbeitgeberin gefolgt und haben die darauf gerichteten Anträge des Betriebsrats insgesamt abgewiesen. Auch in letzter Instanz vor dem BAG hatte der Betriebsrat nur teilweise Erfolg (Beschluss vom 12.03.2019 – 1 ABR 48/17).

III. Entscheidung

Das BAG hat klargestellt, dass eine Anzeigepflicht nach § 193 SGB VII stets nur in Bezug auf eigene Mitarbeiter besteht, jedoch nicht für im Rahmen eines Werk- oder Dienstvertrages tätiges Fremdpersonal. Dies gilt auch dann, wenn sich der Unfall auf dem eigenen Betriebsgelände ereignet hat. Verunfallt der Mitarbeiter eines Fremddienstleisters, so trifft nur den Fremddienstleister die Anzeigepflicht gegenüber der Berufsgenossenschaft.

Weiterhin sei die Arbeitgeberin auch nicht verpflichtet, sich die von den Fremddienstleistern gegenüber der Berufsgenossenschaft erstatteten Unfallanzeigen vorlegen zu lassen, um diese sodann an den Betriebsrat weiterzuleiten.

Allerdings hat das BAG einen allgemeinen Informationsanspruch des Betriebsrats hinsichtlich auf dem Betriebsgelände vorgefallener Arbeitsunfälle bejaht, unabhängig davon, ob es sich bei den Verletzten um interne oder externe Mitarbeiter handele. Der Betriebsrat habe die Aufgabe und Pflicht, sich für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb einzusetzen. Hierfür sei die Kenntnis aller Arbeitsunfälle unerlässlich, denn zur Unfallverhütung gehöre stets auch das „Lernen aus dem Unfall“ für die Zukunft. Da Fremdfirmen-Mitarbeiter auf dem Betriebsgelände häufig dieselbe Infrastruktur und dieselben Betriebsmittel nutzten, kämen Erkenntnisse aus Arbeitsunfällen Externer auch der Unfallverhütung der eigenen Mitarbeiter zugute.

Für diesen Zweck genüge es jedoch, wenn der Betriebsrat die unfallbezogenen Informationen erhalte, d.h. Unfallzeitpunkt, Unfallstelle, Unfallhergang und erlittene Verletzung. Die seitens des Betriebsrats darüber hinaus begehrten persönlichen Daten des verletzten Fremdfirmen-Mitarbeiters seien dagegen nicht erforderlich.

IV. Praxishinweise

Das BAG macht einerseits klare Vorgaben zur Informationspflicht des Arbeitgebers und setzt andererseits dem Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats Grenzen.

In Bezug auf Arbeitsunfälle von Fremdpersonal kann der Betriebsrat nur diejenigen Informationen beanspruchen, die Auswirkungen auf die eigenen Mitarbeiter haben können (Stichwort „Lernen aus dem Unfall“). Auch ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, sich Unfallanzeigen von Fremdfirmen zu besorgen.

Gleichwohl ist der Arbeitgeber gehalten, alle Arbeitsunfälle, die sich auf dem Betriebsgelände oder unter Nutzung betrieblicher Infrastruktur ereignen, zu dokumentieren, unabhängig davon, ob es sich um Unfälle interner oder externer Mitarbeiter handelt. Hierbei sind auch die Konsequenzen des Arbeitsunfalls (erlittene Verletzung, Dauer der Arbeitsunfähigkeit) nachzuhalten. Bei Arbeitsunfällen externer Mitarbeiter wird sich der Arbeitgeber die Informationen oftmals von der Fremdfirma besorgen müssen. Hierfür kann es sich anbieten, einen entsprechenden Informationsanspruch direkt in die Verträge mit Fremdfirmen aufzunehmen.

In jedem Fall ist es empfehlenswert, eine Checkliste Arbeitsunfall vorzuhalten, an der sich Vorgesetzte, Schicht- oder Teamleiter orientieren können, damit sichergestellt ist, dass bei Arbeitsunfällen richtig reagiert, dokumentiert und eskaliert wird und im Nachgang keine Anzeige- oder Informationspflichten verletzt werden. Bußgeldrisiken können so vermieden werden.

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