14. September 2022
Die internationale Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing hat gemeinsam mit der Kommunikationsagentur Edelman Smithfield eine exklusive Umfrage zu Rezeption und Umsetzung des Gesetzes zur dauerhaften Einführung der virtuellen Hauptversammlung durchgeführt. Für die Studie wurden 230 Unternehmen ausgewählt – namentlich sämtliche DAX-, MDAX- und SDAX-Emittenten sowie die 70 weiteren nach Marktkapitalisierung größten Unternehmen aus dem Prime Standard.
Die Teilnahmequote lag mit 82 Unternehmen (37 %) hoch, was auf eine hohe praktische Relevanz der neuen rechtlichen Möglichkeiten schließen lässt.
53 % der Unternehmen ziehen die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung in Zukunft in Betracht. Rund drei Viertel dieser Unternehmen wollen die Möglichkeit einer virtuellen Hauptversammlung situativ einsetzen und flexibel zwischen virtueller und Präsenzversammlung wählen. Gut die Hälfte der Unternehmen hat angegeben, dass sie bei der Entscheidung für oder gegen eine virtuelle Hauptversammlung zunächst die Etablierung einer Best Practice abwarten wollen. Von diesen Unternehmen haben gut die Hälfte angegeben, dass sie als Vergleichsmaßstab auf sämtliche börsennotierte Gesellschaften achten. Für die übrigen Börsensegmente scheint der DAX40 somit keine besondere Vorbildfunktion zu haben.
Das sich aus der Studie ergebende vielseitige Bild zeigt, dass die Unternehmen das Gesetz nicht als den großen Wurf bewerten, den sie sich als ideal gewünscht hätten, aber dennoch bereit sind, die neuen Möglichkeiten zu nutzen und zu erproben. Damit bewahrheitet sich nicht, was eine Vielzahl von Aktionärsvertretern befürchtet hatte: dass das neue Gesetz als „totes Recht“ auf Ablehnung von Seiten der Unternehmen stößt.
Gerade zu diesem frühen Zeitpunkt, zu dem die Bewertung vielfach noch nicht abgeschlossen sein dürfte, bietet die Studie den zahlreichen Unternehmen, welche die neuen Möglichkeiten derzeit mit ihren Rechtsabteilungen, Vorständen und Versammlungsleitern sondieren, nützliche Orientierungspunkte. Die aussagekräftige Beantwortung der auf einzelne Aspekte der neuen gesetzlichen Regelungen bezogenen Fragen gibt bereits erste belastbare Indikatoren zu einer künftigen Best Practice. Zwar besteht im Umgang mit Einzelfragen der neuen gesetzlichen Regelungen vielfach noch Unsicherheit. Die rechtlichen und tatsächlichen Fragen, die auch Gegenstand der Studie sind, sind allerdings nicht unlösbar und bilden die Grundlage eines sich fortentwickelnden, zukunftsfähigen Hauptversammlungsformats und einer im Entstehen begriffenen Best Practice. Das eingefangene Meinungsspektrum legt zudem weitergehenden Reformbedarf im Aktienrecht, insbesondere beim Beschlussmängelrecht, offen. Somit kommt der Studie auch vor diesem Hintergrund ein erheblicher rechtspolitischer Aussagewert zu.
von Dennis Sagner und Anika M Paul
von Dennis Sagner und Anika M Paul
von mehreren Autoren