5. Juni 2024
Ersatzteilhersteller stehen vor einem Dilemma: Bilden sie das Aussehen der Originalteile inklusive der Marke nach, verletzen sie in der Regel die Marke des Originalherstellers. Ersetzen sie die Originalmarke durch ihre eigene Marke, kann das Ersatzteil wiederum das Design (verwendet als Synonym für Gemeinschaftsgeschmacksmuster) des Originalherstellers verletzen.
Denn die sogenannte „Reparaturklausel“ im Designrecht, nach der sich der Originalhersteller nicht auf den Designschutz berufen kann, gilt nur für solche Ersatzteile, die mit dem Original optisch identisch sind. An dieser Identität fehlt es, wenn der Ersatzteilhersteller anstelle der Marke des Originalherstellers seine eigene Marke auf dem Ersatzteil anbringt.Vermeintlicher Ausweg aus dem Dilemma: Die Herstellung von Ersatzteilen, bei denen der Fahrzeughalter selbst das Markenemblem anbringen kann. Letztere Variante war Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens vor dem EuGH. Der Rechtsstreit, den das Gericht für geistiges Eigentum in Warschau dem EuGH vorgelegt hat, beleuchtet den Interessenkonflikt zwischen Markeninhabern und Ersatzteilverkäufern bei der Ausübung des Rechts auf Reparatur.
Der EuGH befasste sich in dieser aktuellen Entscheidung (Urteil vom 25. Januar 2024, Rs. C-334/22) insbesondere mit der Frage, ob die designrechtliche „Reparaturklausel“ auch auf das Markenrecht anzuwenden bzw. ob diese Klausel bei der Auslegung des Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 Buchstabe a Unionsmarkenverordnung (UMV) zu beachten ist. Daneben betrifft das Vorabentscheidungsersuchen die Auslegung der Schrankenregelung des Art. 14 Abs. 1 Buchstabe c und Abs. 2 UMV, also die Frage, ob die Verwendung des Audi-Emblems als ein erlaubter Hinweis auf die Bestimmung des Ersatzteils anzusehen ist.
Konkret lag der Entscheidung ein Rechtsstreit zwischen Audi als Markeninhaberin und GQ, einer Verkäuferin von Ersatzteilen, als Beklagte zugrunde. Die Beklagte bewarb und verkaufte Kühlergrills, die für ältere Fahrzeugmodelle von Audi aus den 80er und 90er Jahren entworfen und bestimmt waren. Diese Teile wurden von der Beklagten an andere Händler verkauft. Audi bietet diese Ersatzteile selbst nicht mehr an. Die Nachfrage nach solchen Ersatzteilen auf dem polnischen Markt ist jedoch nach wie vor hoch. Kern des Problems: Die von der Beklagten vertriebenen Kühlergrills enthielten eine Halterung für ein Emblem des Automobilherstellers Audi (im Folgenden: Audi-Emblem), wie aus nachfolgenden Abbildungen ersichtlich:
Der EuGH bejahte - entgegen der Auffassung der Generalanwältin-, dass die Voraussetzungen einer Markenverletzung in diesem Fall ohne weiteres vorliegen können. Er qualifiziert die Benutzung des für die Anbringung des Audi-Emblems bestimmten Teils des Kühlergrills, dessen Form mit der Audi-Marke identisch oder ihr ähnlich ist, als Benutzung eines Zeichens im Sinne von Art. 9 Abs. 3 UMV. Diese Benutzung kann, so der EuGH, geeignet sein, die Funktionen, die das Zeichen erfüllt, zu beeinträchtigen. Es sei aber Sache des nationalen Gerichts, zu entscheiden, ob im konkreten Fall eine Doppelidentität, eine Verwechslungsgefahr oder eine Verletzung einer bekannten Marke vorliege.
Hinsichtlich der Auslegungsfrage zu Art. 9 UMV stellt der EuGH erneut klar, dass die für Geschmacksmuster vorgesehene „Reparaturklausel“ des Art. 110 GGMV nicht analog auf das Markenrecht angewendet werden dürfe. Die Reparaturklausel stelle lediglich eine Schranke des Geschmacksmusterschutzes dar, die auf den Markenschutz nicht anwendbar sei. Diese Entscheidung steht im Einklang mit früheren Entscheidungen des Gerichtshofs (z.B. EuGH, Beschluss vom 6 Oktober 2015, Rs. C-500/14 – Ford Motor Company/Wheeltrims srl).
Zudem wollte das vorlegende Gericht wissen, ob die Benutzung eines identischen oder verwechselbar ähnlichen Zeichens, das wie vorliegend aus einer Halterung zur Anbringung eines Emblems besteht, das eine Unionsmarke wiedergibt, als Hinweis im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Buchst. c UMV angesehen werden kann. Nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. c UMV gewährt eine Unionsmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, diese Marke im geschäftlichen Verkehr zur Identifizierung oder zum Hinweis auf Waren oder Dienstleistungen als die seines Inhabers zu benutzen, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware - insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil - oder einer Dienstleistung erforderlich ist. Würde die Halterung zur Aufnahme des Emblems als ein solcher Hinwies angesehen werden, hätte Audi demnach kein Recht, dagegen vorzugehen.
Der EuGH entschied hierzu, dass die Schrankenregelung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. c UMV im vorliegenden Fall nicht eingreife. Zweck der von dieser Regelung umfassten Benutzung einer Marke sei es, Dritten die Möglichkeit zu geben, den Verkehr in verständlicher und vollständiger Weise über die Bestimmung der von ihm vertriebenen Waren oder Dienstleistungen zu unterrichten. Eine derart privilegierte Bezugnahme auf die Marke des Originalherstellers liege jedoch nicht vor, wenn wie hier die Originalmarke auf der Ware in der Absicht angebracht wird, eine Ware zu vertreiben, die der Originalware möglichst ähnlich ist. Nach Ansicht des EuGH kam es der Beklagten darauf an, mit dem Audi-Emblem den Kühlergrill möglichst originalgetreu nachzubilden und nicht nur auf die Verwendungsmöglichkeit in Audi-Fahrzeugen hinzuweisen. Dieser Fall könne nach Ansicht des EuGH nicht mit der Benutzung der Marke des Originalherstellers als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware als Zubehör oder Ersatzteil gleichgesetzt werden.
„Eine solche Situation, in der ein Unternehmen, das mit dem Inhaber der Marke nicht wirtschaftlich verbunden ist, ein mit dieser Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen auf Ersatzteilen anbringt, ist von der Situation zu unterscheiden, in der ein solches Unternehmen, ohne ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen auf diesen Ersatzteilen anzubringen, diese Marke benutzt, um darauf hinzuweisen, dass diese Ersatzteile dazu bestimmt sind, in die Ware des Inhabers dieser Marke eingebaut zu werden.“ (EuGH, Urteil vom 25 Januar 2024, Rs. C-334/22, Rn. 57).
Dieser „Audi“-Fall des EuGH unterstreicht die Bedeutung der Markenrechte des Herstellers gegenüber dem Vertrieb von Ersatzteilen und Zubehör durch Dritte. Diese Entscheidung wird den Vertrieb von Ersatzteilen in der Union weiterhin erschweren, da Originalmarken nach Auffassung des EuGH auch künftig nur referenzierend verwendet werden dürfen. Ein markenrechtliches Privileg für Ersatzteile, vergleichbar mit der Reparaturklausel für Gemeinschaftsgeschmacksmuster, existiert nach der Rechtsprechung des EuGH weiterhin nicht. Ersatzteilhändler dürfen demnach weiterhin lediglich darauf hinweisen, dass ihre Ersatzteile für Produkte einer bestimmten Marke bestimmt sind. Zeichen, die Originalmarken nachahmen, dürfen auf den Ersatzteilen hingegen nicht verwendet werden, auch nicht in Vorrichtungen wie den hier behandelten, die zur Aufnahme der Originalmarke des Inhabers dienen.
Der EUGH bleibt damit streng und stärkt die Rechte der Markeninhaber. Die Entscheidung steht im Einklang mit der Entscheidungspraxis des BGH (z.B. BGH, Urteil vom 7. März 2019 – I ZR 61/18 – Kühlergrill). Trotz der Notwendigkeit, den Zugang zu Ersatzteilen und das Recht auf Reparatur in einem sich wandelnden rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeld zu gewährleisten, hat das Monopolrecht des Markeninhabers daher weiterhin Vorrang vor der Verkehrsfähigkeit von Ersatzteilen.