Autor

Dr. Fabian von Rabenau

Associate

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18. April 2024

Der Ausrüsterwechsel beim DFB im Spannungsfeld zwischen Unternehmensinteresse, Kapitalmarktrecht und öffentlicher Debatte

Im März gab der Deutsche Fußball-Bund e.V. (DFB) bekannt, dass die Nationalmannschaften ab Januar 2027 vom US-Sportartikelhersteller Nike ausgestattet werden. Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass die Entscheidung, den Ausrüster zu Lasten des deutschen Konkurrenten und langjährigen Partners Adidas zu wechseln, eine politische und öffentliche Debatte ausgelöst hat. Dem DFB wurde unter anderem mangelnder Standortpatriotismus und die Abschaffung von Traditionen vorgeworfen. Neben dem Wechsel des Ausrüsters als solchem bemängelten Beobachter den Zeitpunkt der Veröffentlichung vor zwei wichtigen Länderspielen und vor der anstehenden Europameisterschaft sowie die nach ihrer Wahrnehmung unzureichende Kommunikation mit dem jetzigen Vertragspartner Adidas. Dieser Beitrag nimmt die Diskussion zum Anlass, die Maßnahmen aktien- und kapitalmarktrechtlich einzuordnen und die gesellschaftsrechtlichen Pflichten zu skizzieren.

Hintergrund zur Diskussion um die Beendigung der Zusammenarbeit mit Adidas

Fußball gilt bekanntermaßen als die „schönste Nebensache der Welt“ und lebt vor allem von Emotionen, Traditionspflege und der Identifikation der Fans. Eine herausragende Rolle für die Identifikation zur deutschen Fußballnationalmannschaft lässt sich dabei dem Sportartikelhersteller Adidas zuzuschreiben. Der Zeugwart und Adidas-Gründer Adi Dassler war bereits maßgeblich am Erfolg der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 1954 und am Mythos des „Fritz-Walter-Wetters“ beteiligt, in dem er der Mannschaft durch die Erfindung von Schraubstollen einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem ansonsten überlegenden Finalisten aus Ungarn verschaffen konnte.

Die Auswahl des neuen Ausrüsters verlief im Zuge eines Ausschreibungsverfahrens, an dem sich auch börsennotierte Gesellschaften wie Nike und Adidas beteiligt haben. Die Vertragsparteien schweigen wie üblich über die Vertragsdetails, dennoch soll das Angebot von Nike weit über dem des deutschen Unternehmens gelegen haben, wie u.a. das Handelsblatt berichtete.

Geschäftsführungspflichten

Nach den öffentlichen Diskussionen stellt sich die Frage, ob sich die Geschäftsführung der beim DFB u.a. für Ausrüsterverträge zuständigen DFB GmbH & Co. KG überhaupt gegen den Abschluss des deutlich lukrativeren Ausrüstervertrags mit Nike hätte entscheiden können. Der wirtschaftliche Bereich des DFB wurde in die DFB GmbH & Co. KG ausgegliedert; Alleingesellschafter der geschäftsführenden Komplementärin, der DFB-Verwaltungsgesellschaft mbH, und Kommanditist ist der DFB. Die Entscheidung zum Wechsel des Ausrüsters wurde daher mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung durch die Geschäftsführer der DFB-Verwaltungsgesellschaft mbH getroffen.

Geschäftsführer und Vorstände unterliegen bei der Leitung des Unternehmens den gesellschaftsrechtlichen Anforderungen. Da die einzelne unternehmerische Entscheidung immer eine Abwägung verschiedener Interessen der Stakeholder im Einzelfall darstellt, soll hier ein grundsätzlicher Blick auf die gesellschaftsrechtliche Geschäftsführungspflichten geworfen werden. Geschäftsführer und Vorstände sind grundsätzlich im Rahmen der Business Judgement Rule in ihrer unternehmerischen Entscheidung frei und haben einen großen Ermessenspielraum. Damit lässt sich bereits festhalten, dass die Kritik an der Annahme eines finanziell deutlich besseren Angebotes zu kurz greift.

Unternehmensinteresse

Begrenzt man den Blick zunächst aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive auf die Pflichten des Geschäftsführers, so sind diese nach § 43 Abs. 1 GmbHG verpflichtet, die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Darunter versteht man unter anderem die Verpflichtung, Entscheidungen am Unternehmensinteresse zu orientieren, d.h. die Geschäftsführer dürfen sich nicht von sachfremden Gesichtspunkten wie Eigen- oder Drittinteresse leiten lassen. Im Gegensatz zum Vorstand der Aktiengesellschaft ist der Geschäftsführer allerdings nach § 37 GmbHG an die Weisungen der Gesellschafter gebunden. Der Vorstand der AG leitet das Unternehmen dagegen grundsätzlich weisungsfrei in eigener Verantwortung und ist dabei nach § 93 Abs. 1 AktG ebenfalls an das Wohl der Gesellschaft gebunden, das sich auch am Unternehmensinteresse und dauerhafter Rentabilität zu orientieren hat.

Der Vorstand bzw. die Geschäftsführung einer Gesellschaft ist verpflichtet, die Interessen der Stakeholder (u.a. Aktionäre, Arbeitnehmer, Vertragspartner) in einem ausgewogenen Verhältnis zu berücksichtigen, ohne eine der Gruppen oder einzelne Aktionäre übermäßig zu bevorzugen. Hierzu zählen auch die Verpflichtung, die nachhaltige Rentabilität des Unternehmens zu gewährleisten und das Verbot der Verschwendung von Unternehmensvermögen. Geht aus der Satzung der Gesellschaft nichts anderes hervor, besteht der Gesellschaftszweck in der Verfolgung von Gewinnen, selbst wenn andere Primärziele bestimmt sind.

Eine Verpflichtung zur absoluten Gewinnmaximierung besteht deshalb aber nicht und käme einer Einschränkung des unternehmerischen Ermessensspielraums gleich. Unternehmerische Entscheidungen, die zwar zu einer Gewinnminderung gleichzeitig aber beispielsweise zu einer Arbeitsverbesserung und Mitarbeiterzufriedenheit, Nachwuchsförderung, zum gesellschaftlichen Engagement und der Verbesserung der Unternehmensreputation führen, sind nicht pflichtwidrig, sondern sind das Ergebnis einer Abwägung der einzelnen Interessen der Stakeholder. Alle diese Maßnahmen setzen jedoch eine ausreichende Rentabilität voraus, was bedeutet, dass der finanzielle Aspekt eine wesentliche Grundlage der Geschäftsführung darstellt.

Bei jeder unternehmerischen Entscheidung ist eine Einzelfallprüfung unabdingbar. Dennoch bleibt festzuhalten, dass der finanzielle Aspekt eine entscheidende Rolle in der Geschäftsführung spielt und externe Interessen unberücksichtigt bleiben müssen. Auch wenn zuzustimmen ist, dass eine kurzfristige Profitsteigerung nicht das vorrangige Ziel darstellen muss und andere Faktoren zu berücksichtigen sind, ist eine pauschale Kritik an finanzorientierten Entscheidungen überzogen und wird zumindest durch die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben nicht gestützt.

Zeitpunkt der Veröffentlichung

Der Zeitpunkt der Bekanntgabe durch den DFB wurde sehr kritisch betrachtet. Auch die Kommunikation zwischen den Akteuren soll teilweise nur zurückhaltend stattgefunden haben. Der DFB hat nach eigenen Angaben die Verfahrensteilnehmer parallel über die Entscheidung kurz vor der öffentlichen Kommunikation über eine offiziellen Pressemitteilung informiert. Durch die Art und Weise der Kommunikation habe der DFB das Risiko des Insiderhandels minimieren wollen, um die Mitarbeiter der Unternehmen und des Verbands zu schützen (vgl. FAQ zum Vertragsschluss mit Nike v. 26.03.2024).

Insiderinformation nach der MAR

Aus aktien- und kapitalmarktrechtlicher Sicht ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung von Insiderinformationen von erheblicher Bedeutung. Als Insiderinformationen werden nach Art. 7 MAR insbesondere nicht öffentlich bekannte Informationen bezeichnet, die einen oder mehrere Emittenten betreffen und die geeignet wären, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs dieser Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Die Information über den Wechsel eines Ausrüsters kann sich im vorliegenden Fall kursrelevant auf die Aktien von Adidas und Nike auswirken.

Zur Bekämpfung von Insiderhandel verbietet Art. 14 MAR die Vornahme und Empfehlung von Insidergeschäften sowie die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen, wenn die Aktien zum Handel am regulierten Markt in der Union zugelassen sind, unabhängig vom Sitz oder vom Ort der Handlung. Grundsätzlich ist die Gesellschaft nach Art. 17 MAR gesetzlich verpflichtet, für die Veröffentlichung von Insiderinformationen per sog. Ad-hoc-Mitteilung bekanntzugeben.

Rechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen gegenüber Verfahrensteilnehmern

Nach Art. 10 Abs. 1 MAR liegt eine unrechtmäßige Offenlegung vor, wenn ein Insider die Information gegenüber einer anderen Person offenlegt, es sei denn, die Offenlegung geschieht im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben. Insiderinformationen gelten ab dem Zeitpunkt als offengelegt, an dem der Empfänger in die Lage versetzt wird, sich ohne wesentliche Schwierigkeiten Kenntnis von der Insiderinformation zu verschaffen. Die Offenlegung von Informationen im Rahmen der Berufsausübung ist daher nicht kategorisch verboten, muss aber nach Ansicht des EuGH im Einzelfall unerlässlich und verhältnismäßig sein.

Im Einzelfall ist bei der Offenlegung daher zu prüfen, ob das Weitergabeinteresse des Insiders das Interesse an der Wahrung des gleichberechtigten Informationszugangs überwiegt. Die Offenlegung des Ergebnisses des Ausschreibungsverfahren gegenüber den Verfahrensteilnehmer weist damit gewisse Ähnlichkeiten zur Marktsondierung nach Art. 11 MAR auf, die eine explizite Ausnahme zur unrechtmäßigen Bekanntmachung darstellt. Diese Wertung, die Bedeutung der Bekanntgabe des Ausschreibungsergebnisses und des Vertragsabschlusses führen zu einem erhöhten Offenlegungsinteresse.

Öffentliche Bekanntmachung

Ob sich die Offenlegung hingegen an eine bestimmte Person oder sogar an eine unbestimmte Gruppe richtet, ist für das Verbot ohne Belang. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Insiderinformation einer breiten Anlegeröffentlichkeit und damit einer unbestimmten Zahl von Personen zugänglich gemacht wird und daher alle Anleger Kenntnis von der Information erlangen können, wodurch die Informationsasymmetrien beseitigt werden. Eine Information verliert durch die Veröffentlichung ihre Eigenschaft als Insiderinformation und fällt daher nicht unter das Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung. Es ist dabei – auch nach der Verwaltungspraxis der BaFin – unerheblich, ob die Information durch den Emittent durch eine Ad-hoc Mitteilung oder auf sonstige Weise veröffentlicht wurde. Nach Ansicht der BaFin sind dabei beispielweise die Veröffentlichung durch eine Lokalpresse, sozialen Medien, auf einer Pressekonferenz oder auf der Internetseite des Unternehmens allerdings unzureichend, es sei denn, die überregionale Presse nimmt diese Information auf und verbreitet sie weiter. Wann eine Insiderinformation öffentlich bekannt ist und ab welcher Größe eine breite Kapitalmarktöffentlichkeit gegeben ist, muss jeweils aus objektiver Sicht im Einzelfall beurteilt werden.

Wird die Insiderinformation öffentlich bekannt, verliert sie ihre Qualifikation als Insiderinformation, so dass das Risiko für Arbeitnehmer und Unternehmen, Insidergeschäfte zu begehen oder Dritten zu empfehlen sowie unrechtmäßig bekannt zu geben, z.B. durch Weitergabe der Information an einen Unbeteiligten, faktisch beseitigt wird. Die Sanktionen für Verstöße gegen das Verbot des Marktmissbrauchs sind nicht unerheblich, so stellt § 119 Abs. 3 WpHG diese Straftaten mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren für die Täter unter Strafe. Gleichzeitig kann die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten durch Leistungspersonen gemäß § 30 OWiG zur erheblichen Bußgeldzahlungen für das Unternehmen führen. Schließlich ist die BaFin zu verwaltungsrechtlichen Sanktionsmaßnahmen befugt (z. Bsp. Untersagung von Geschäften, Sicherstellung/Beschlagnahmung von Gegenständen vgl. §§ 6, 7 WpHG), die sie nach § 125 Abs. 1 Satz 1 WpHG auf der Internetseite bekannt zu machen hat (sog. Naming and Shaming).

Der Umgang mit Insiderinformationen birgt durchaus Risiken, weshalb auch Dritte zur Minimierung der Risiken ein Interesse an der Veröffentlichung haben können und das Argument des DFB insofern nicht von der Hand zu weisen ist. Im Gegensatz zum Emittenten besteht jedoch für andere Insider keine Veröffentlichungspflicht der Insiderinformation. Grundsätzlich ist auch die Veröffentlichung durch Dritte eine wegen des Offenlegungsverbots nach Art. 14 lit. c) MAR mit Risiken verbundene Maßnahme, da die BaFin für die öffentliche Bekanntgabe hohe Hürden aufstellt.

Fazit

Die Aufregung um den Wechsel des Ausrüsters der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft und der Zeitpunkt der Veröffentlichung lässt sich wegen des Traditionsbewusstseins vieler Fußballfans und Medien nachvollziehen. Aus der Brille des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts gilt es, neben dem Standortpatriotismus allerdings auch noch andere Interessen und Vorgaben zu berücksichtigen. Der Umgang und die Einstufung von möglichen Insiderinformationen kann für Unternehmen und Personen durch hohe Bußgeldandrohungen enorme Fallstricke darstellen, sodass eine frühzeitige Veröffentlichung Vorteilhaft sein kann. Eine Verpflichtung zur Veröffentlichung besteht hingegen nur für den Emittenten. Ebenso ist die Geschäftsführung dem Unternehmensinteresse verpflichtet, die ggf. der Abwägung mannigfaltiger Interessen der verschiedenen Stakeholder bedarf. Im Bereich des Gesellschaftsrechts ist der finanzielle Aspekt dabei regelmäßig ein maßgeblicher Faktor in der Geschäftsführung.

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