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6. November 2023

„Pool-Ärzte“ sind nicht zwingend selbstständig tätig

  • Briefing

Nicht niedergelassene Zahnärzte, die in Baden-Württemberg an der vertragszahnärztlichen Notdienstversorgung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung als sogenannte „Pool-Ärzte“ teilnehmen, sind nicht immer selbstständig tätig, sondern können unter bestimmten Umständen sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer sein. Das hat das Bundessozialgericht Ende Oktober entschieden.

Der Personalmangel in der ambulanten (zahnärztlichen) Versorgung und insbesondere im (zahnärztlichen) Notdienst hat dazu geführt, dass in einigen Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) und Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) ein Bestand an (Zahn)Ärzten vorgehalten wird, deren Vertreter freiwillig am kassen(zahn)ärztlichen Notdienst teilnehmen. Dabei handelt es sich insbesondere um Privat(zahn)ärzte. Diese „Pool-Ärzte“ sind nicht immer selbstständig tätig, sondern können im Einzelfall Arbeitnehmer sein. Das urteilte das BSG und gab damit letztlich dem Kläger Recht, der zuvor in allen Instanzen unterlegen war.

Zum Sachverhalt

Der klagende Zahnarzt hatte 2017 seine Praxis verkauft und war nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. In den Folgejahren übernahm er Pooüberwiegend am Wochenende Notdienste, die von der beigeladenen KZV Baden-Württemberg organisiert wurden. Sie betrieb ein Notdienstzentrum, in dem sie personelle und sächliche Mittel zur Verfügung stellte. Der Zahnarzt rechnete seine Leistungen nicht individuell patientenbezogen ab, sondern erhielt ein festes Stundenhonorar von der KZV. Nachdem sich der Zahnarzt mit der KZV zerstritten hatte, beschritt er den Rechtsweg. Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund und beide Vorinstanzen sahen den Kläger hinsichtlich seiner Teilnahme am vertragszahnärztlichen Notdienst als selbstständig tätig an. Der BSG entschied hingegen, dass der Zahnarzt in diesem Fall sozialversicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer war.

Die Entscheidung des BSG

Das BSG urteilte, dass eine automatische Selbstständigkeit von Pool-Ärzten nicht angenommen werden könne, sondern auch hier eine Gesamtabwägung der konkreten Umstände vorzunehmen sei. Danach sei der Kläger wegen seiner Eingliederung in die von der KZV organisierten Abläufe beschäftigt. Hierauf habe er keinen entscheidenden, erst recht keinen unternehmerischen Einfluss. Er finde eine von dritter Seite organisierte Struktur vor, in der er sich fremdbestimmt einfüge. Auch sei der Kläger unabhängig von konkreten Behandlungen stundenweise bezahlt worden. Er verfüge bereits nicht über eine Abrechnungsbefugnis, die für das Vertrags(zahn)arztrecht typisch sei. Dass der Kläger bei der konkreten medizinischen Behandlung als Zahnarzt frei und eigenverantwortlich handeln könne, falle nicht entscheidend ins Gewicht. Er sei aufgrund der festen Einbindung in den Arbeitsablauf nicht in der Lage gewesen, das Verhältnis von Aufwand und Ertrag durch eigene Entscheidungen zu beeinflussen. Infolgedessen unterlag der Zahnarzt bei der vorliegenden Notdiensttätigkeit aufgrund abhängiger Beschäftigung der Versicherungspflicht.

Einordnung

Bei dem Urteil handelt es sich konkret um eine Einzelfallentscheidung, die hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf alle Pool-Ärzte überprüft werden muss. Dies hat auch das BSG ausdrücklich betont. Die teils drastischen Reaktionen aus der Ärzteschaft blieben dennoch nicht aus. Die KV Baden-Württemberg und auch andere KVen sehen die ambulante Notfallversorgung gefährdet. In Baden-Württemberg greift nunmehr ein Notfallplan, der vorsieht, dass bis auf Weiteres keine Pool-Ärzte mehr für den Notdienst beschäftigt werden sollen. Die KVen Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen und Saarland wollen zunächst die Entscheidungsgründe abwarten, zeigen sich jedoch bestürzt über die Entscheidung des BSG. An einigen Stellen wurde die Zusammenarbeit mit Pool-Ärzten ebenfalls beendet und die Notdiensttätigkeit daher auf einzelne Standorte komprimiert. Die KV Nordrhein wendet zwar kein Pool-Arzt-System an, überprüft derzeit jedoch, ob die eingesetzten Notdienstvertreter selbstständig tätig seien. Die KV Westfalen-Lippe will den Bereitschaftsdienst mit Poolärzten zunächst fortsetzen. Die übrigen KVen äußerten sich bisher nicht zum Urteil des BSG.

Interessanterweise fällt die Reaktion der KZVen verhaltener aus. Mit Ausnahme der betroffenen KZV Baden-Württemberg äußerte sich keine KZV zur Entscheidung des BSG. Die KZV Baden-Württemberg betonte dabei, dass sich für Patienten und die behandelnden Zahnärzte in den Notfalldienstzentren aufgrund der Entscheidung kurzfristig nichts ändern werde. Man prüfe derzeit noch die rechtlichen Folgen. Die entspanntere Haltung der KZVen könnte an der unterschiedlichen Struktur der kassenzahnärztlichen Versorgung im Vergleich zur kassenärztlichen Versorgung liegen. Die KVen sehen jedenfalls bereits seit Monaten den Gesetzgeber in der Pflicht, Pool-Ärzte von der Sozialversicherungspflicht auszunehmen. Abzuwarten bleibt, ob der Gesetzgeber reagiert, was bereits verschiedentlich gefordert wird.

Die Zusammenfassung beruht auf dem Terminbericht des BSG vom 24. Oktober 2023 (B 12 R 9/21 R). Sobald die Urteilsgründe selbst veröffentlicht sind, werden wir Sie hierzu gerne informieren. Bis dahin sollten betroffene (Zahn)Ärzte kontrollieren, ob sie und ihre Vertreter hinsichtlich des Notdienstes die Grundsätze der Selbstständigkeit einhalten.

Autorin

Victoria Mrozik

Referendarin

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