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22. November 2023

Abweichende Anforderungen an die Fortführungsprognose für Start-ups? OLG Düsseldorf bestätigt eigene Rechtsprechung

  • Briefing

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat mit einem aktuellen Urteil (27.07.2023 – 12 U 59/22) seine eigene Rechtsprechung bestätigt, nach der die regulären Anforderungskriterien an die Überschuldungsprüfung bei Start-ups nicht uneingeschränkt Anwendung finden können.

Hintergrund – Kriterien der Überschuldungsprüfung

Nach § 19 der Insolvenzverordnung ist eine Gesellschaft überschuldet, wenn ihr Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (sog. positive Fortführungsprognose).

Die Überschuldungsprüfung ist demnach zweistufig: Bei positiver Fortführungsprognose entfällt die Überschuldung. Nur bei fehlender positiver Fortführungsprognose ist die rechnerische Überschuldung der Gesellschaft anhand eines Überschuldungsstatus, der strukturell einer Bilanz ähnelt, zu ermitteln.

Die positive Fortführungsprognose soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe als subjektive Grundvoraussetzung enthalten. In objektiver Hinsicht bedarf es der aus einem aussagekräftigen Unternehmenskonzept herzuleitenden Lebensfähigkeit des Unternehmens. Dem schlüssigen und realisierbaren Unternehmenskonzept müsse laut Bundesgerichtshof grundsätzlich ein Ertrags- und Finanzplan zugrunde liegen, der für einen angemessenen Prognosezeitraum aufzustellen sei.

Die Erfüllung dieser Kriterien ist allerdings gerade für Start-ups teilweise schwer bis unmöglich darstellbar, sodass Geschäftsführern solcher Unternehmen bei Insolvenz Haftungsansprüche drohen.

OLG Düsseldorf – Abweichende Anforderungskriterien bei Start-up-Unternehmen

Zu diesem Themenkomplex hat das OLG Düsseldorf in einer viel beachteten Entscheidung im Sommer 2021 (Beschluss vom 20.7.2021 – 12 W 7/21) entschieden, dass die regulären Anforderungskriterien an Überschuldungsprüfung bei Start-ups nicht uneingeschränkt anwendbar sein sollen.

Einerseits komme es bei der Bewertung einer positiven Fortführungsprognose von Start-ups auf die Frage nach der Ertragskraft (Selbstfinanzierungskraft) nicht als Voraussetzung einer positiven Fortführungsprognose an. Hintergrund sei der Umstand, dass diese Art von Unternehmen für einen längeren Zeitraum in der Anfangsphase nicht ertragsfähig ist. Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist für das OLG Düsseldorf die Zahlungsfähigkeitsprognose, wobei die liquiden Mittel auch von Dritten zur Verfügung gestellt werden können.

Zudem soll ein Geschäftsführer eines Start-up von einer positiven Prognose ausgehen dürfen, wenn ein finanzkräftiger Investor das Unternehmen bereits in der Vergangenheit mit erheblichen Beträgen finanziell unterstützt und seinen Willen bekundet, in der Gründungsphase bei Vorlage einer nachvollziehbaren Planung und Nachweis des Finanzbedarfs jeweils weitere Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, solange ein nachvollziehbares operatives Konzept vorliegt, das irgendwann eine Ertragsfähigkeit des Unternehmens erwarten lässt, und nicht konkret wahrscheinlich ist, dass der Finanzierer das Start-up-Unternehmen nicht weiterfinanzieren wird.

Schließlich sei ein rechtlich gesicherter und damit einklagbarer Anspruch auf die Finanzierungsbeiträge für die positive Fortbestehensprognose nicht erforderlich.

Beschluss OLG Düsseldorf vom 27.07.2023 – 12 U 59/22

Mit seinem aktuellen Beschluss vom 27.07.2023 bestätigt das OLG Düsseldorf seine vorherige Rechtsprechung ausdrücklich und tritt damit auch vereinzelt geäußerten Vorbehalten entgegen.

Bei Start-ups sei maßgeblich, ob das Unternehmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der Lage ist, seine im Prognosezeitraum fälligen Zahlungsverpflichtungen zu decken.

Im Ergebnis der Entscheidung kam es dennoch zu einer Haftung des Geschäftsführers. Das Gericht betonte, dass als Grundlage der Beurteilung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fordern sei, dass eine nachvollziehbare, realistische (Finanz-)Planung mit einem operativen Konzept vorliegt, das die geplante Etablierung der Geschäftsidee eines Start-ups erfolgversprechend erscheinen lässt.

Ein solches Konzept lag im durch das OLG entschiedenen Fall nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Für Geschäftsführer von Start-up- ist es demnach entscheidend, Liquiditätsprognosen und operative Konzepte laufend zu erstellen und mit den jeweiligen Investoren in kurzen zeitlichen Abständen abzustimmen.

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