Autor

Dr. Angela Knierim

Salary Partnerin

Read More
Autor

Dr. Angela Knierim

Salary Partnerin

Read More

20. Juni 2023

EU-Pharma-Paket: Was ändert sich in der Arzneimittelwerbung?

  • Briefing

Das europäische Arzneimittelrecht wird reformiert. Die EU-Kommission hat am 26. April 2023 einen Vorschlag für eine neue Richtlinie zur Ersetzung des Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel und eine neue Verordnung angenommen, mit der die bestehenden Verordnungen auf dem Gebiet des Arzneimittelrechts geändert werden. Der Entwurf der Richtlinie 2023/0132 (COD) erfindet das Rad nicht neu, enthält aber einige Abweichungen von der bisherigen Rechtslage – so auch im Werberecht.

Hintergrund der geplanten Neuregelung des Werberechts

Mit Blick auf das Werberecht reagiert die Kommission auf zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs. Zum einen wird der Begriff der Arzneimittelwerbung erweitert. Zum anderen ist die Abgabe von Gratismustern von OTC-Arzneimitteln auch an Apotheker nach dem Richtlinienentwurf nunmehr ausdrücklich erlaubt. Außerdem werden die Regelungen für vergleichende Werbung verschärft, wohl um der Bewerbung von Originatoren als „nicht austauschbar“ mit Biosimilars einen Riegel vorzuschieben. Darüber hinaus wird der europäische Fachkreisbegriff erweitert.

Der Entwurf sieht vor, dass dessen werberechtlichen Regelungen der UGP-Richtlinie als lex specialis vorgehen sollen (134. Erwägungsgrund).

Begriff der Arzneimittelwerbung

In Art. 175 Abs. 1 lit. h des Richtlinienentwurfs ist geregelt, dass der Begriff der Arzneimittelwerbung auch eine Werbung in Bezug auf Arzneimittel umfasst, die sich nicht auf bestimmte Arzneimittel bezieht. Dadurch wird der Begriff der Arzneimittelwerbung erweitert und erfasst nunmehr auch die Sortimentswerbung. Damit reagiert die Kommission auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, DocMorris, Rs. C-190/20. Der EuGH hat entschieden, dass eine Werbung, die nicht auf ein bestimmtes Arzneimittel abziele, sondern auf das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel, das von einer Apotheke angeboten werde, nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des Titels VIII der Richtlinie 2001/83/EG falle.

Dem vorausgegangen war eine Vorlage des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von § 7 Abs. 1 HWG (Beschluss vom 20. Februar 2020, Az.: I ZR 214/18). Dem Europäischen Gerichtshof folgend hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Gewinnspielwerbung II (Urteil vom 18. November 2021, Az.: I ZR 214/18) entschieden, dass der Begriff der „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG nicht mit dem Begriff der „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der RL 2001/83/EG übereinstimme, sondern darüber hinausgehe und auch eine Werbung für das gesamte Warensortiment der Apotheke erfasse – es bestehe bei der Sortimentswerbung keine Vollharmonisierung. Mit der Neuregelung würde das strengere nationale Verständnis des Bundesgerichtshofs nun auf Unionsebene kodifiziert und insoweit die Harmonisierung hergestellt.

Abgabe von Gratismustern von OTC-Arzneimitteln an Apotheker

In Art. 185 Abs. 2 des Richtlinienentwurfs ist vorgesehen, dass die Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter bestimmten Bedingungen ausnahmsweise auch an Personen, die zu deren Abgabe berechtigt sind, erfolgen darf. Damit würde klargestellt, dass Gratismuster von OTC-Arzneimitteln auch an Apotheker abgegeben werden dürfen. Das wird damit begründet, dass auch dieser Personengruppe ein frühzeitiges Vertrautmachen mit neuen Produkten ermöglicht werden soll.

Mit der Neuregelung würde das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Juni 2020, ratiopharm, Rs. C-786/18 zu Gratismustern nunmehr ausdrücklich kodifiziert. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs ist Art. 96 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift es pharmazeutischen Unternehmern nicht erlaube, Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben. Dagegen stehe diese Bestimmung der Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker nicht entgegen. Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vorausgegangen war eine Vorlage des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 31. Oktober 2018, Az.: I ZR 235/16 – Apothekenmuster). In der Apothekenmuster-II-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof – dem Europäischen Gerichtshof folgend – sodann entschieden, dass § 47 Abs. 3 AMG unionsrechtskonform dahingehend auszulegen sei, dass (nur) die Abgabe von Gratismustern verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker unzulässig sei (Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Dezember 2020, Az.: I ZR 235/16). Die Abgabe von Gratismustern von OTC-Arzneimitteln an Apotheker sei durch § 47 Abs. 3 AMG hingegen nicht ausgeschlossen (ggf. aber nach § 7 Abs. 1 S. 1 und 2 HWG unzulässig).

Erweiterung der Fachkreise

Des Weiteren wird in den Artt. 175, 180 und 181 des Richtlinienentwurfs die Beschreibung der Fachkreise um Personen, die zur Verabreichung von Arzneimitteln qualifiziert sind, erweitert. Damit würde nun auch Pflegepersonal zu dem europarechtlichen Fachkreisbegriff zählen. Die Erweiterung wird damit begründet, dass auch Personen, die Arzneimittel verabreichen – wie auch die zur Verschreibung und zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Personen – in der Lage sind, aufgrund ihrer Kenntnisse, Ausbildung und Erfahrung die in der Werbung enthaltenen Informationen richtig zu bewerten.

Vergleichende Werbung

Weiterhin verschärft der Richtlinienentwurf die Vorgaben für vergleichende Werbung. In Art. 176 des Richtlinienentwurfs ist vorgesehen, dass die negative Hervorhebung eines anderen Arzneimittels verboten werden soll. Werbung, die suggeriert, ein Arzneimittel sei sicherer oder wirksamer als ein anderes Arzneimittel, wird nach Art. 176 des Richtlinienentwurfs ebenfalls verboten – es sei denn, dies wird in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels nachgewiesen und belegt.

Der 136. Erwägungsgrund erhellt den mit der Verschärfung der vergleichenden Werbung verfolgten Zweck. Danach gilt das Verbot einer vergleichenden Werbung, die nicht anhand der Zusammenfassung der Produktmerkmale des beworbenen Arzneimittels belegt werden kann, explizit auch für Biosimilars. Es sei irreführend, in der Werbung für den Originator darauf hinzuweisen, dass das Biosimilar nicht mit dem Originator oder einem anderen Biosimilar austauschbar sei.

Fazit

Mit den geplanten Neuregelungen des Begriffs der Arzneimittelwerbung und der Abgabe von Gratismustern folgt die Kommission zwei grundlegenden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs. Der Einbezug von Pflegepersonal in den Fachkreisbegriff ist zu begrüßen. In der Folge dürfte der enge Fachkreisbegriff des § 10 Abs. 1 HWG anzupassen sein. Spannend wird sein – vorausgesetzt, der Entwurf kommt wie geplant –, wie die Gerichte die verschärften Vorgaben im Bereich der vergleichenden Werbung in der Praxis auslegen und wie weit bei vergleichender Werbung vom Wortlaut der Fachinformation noch abgewichen werden kann.

Call To Action Arrow Image

Newsletter-Anmeldung

Wählen Sie aus unserem Angebot Ihre Interessen aus!

Jetzt abonnieren
Jetzt abonnieren

Related Insights

Medizinprodukte

Künstlich intelligente Medizinprodukte: Je besser das Produkt, desto schwieriger die Konformitätsbewertung?

27. Oktober 2023
Briefing

von Dr. Angela Knierim

Klicken Sie hier für Details
Patents Technology & Life Sciences

Pharmaceutical patent law in times of crisis: A comparative study – Part 2

23. November 2020
Quick read

von mehreren Autoren

Klicken Sie hier für Details