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10. November 2022

Der Referentenentwurf zur 11. GWB-Novelle

  • Briefing

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 26. September 2022 den Referentenentwurf (RefE) zur 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgelegt. Laut Bundeswirtschaftsminister Habeck sei es „nicht hinnehmbar, dass es in einigen Bereichen immer noch verkrustete und durch Machtstrukturen geprägte Märkte zum Schaden der Verbraucherinnen und Verbraucher gibt“. Ziel der 11. GWB-Novelle sei es daher, die Befugnisse des Bundeskartellamtes (BKartA) zu stärken, „damit Verbraucherinnen und Verbraucher bessere Qualität zu besseren Preisen erhalten“.


Überblick über die Neuerungen

Der Referentenentwurf zum „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz“ enthält folgende wesentlichen Änderungen:

  • Neue Eingriffsinstrumente nach Sektoruntersuchungen (§§ 32e, 32f RefE),
  • Erleichterungen bei der Vorteilsabschöpfung (§ 34 RefE),
  • Anpassung der Verfahrensvorschriften zur Durchsetzung des Digital Markets Acts (§ 32g RefE).

 

Paradigmenwechsel: Neue Befugnisse im Zusammenhang mit Sektoruntersuchungen

Bereits seit 2005 kann das BKartA zur Identifizierung von Wettbewerbsproblemen Sektoruntersuchungen durchführen. Allerdings gab es bisher nicht die Möglichkeit, konkrete Abhilfemaßnahmen im Anschluss an die Sektoruntersuchung zu ergreifen. Aus diesem Grund wurde immer wieder die Kritik geäußert, die Sektoruntersuchung sei – nicht zuletzt auch wegen der langen Verfahrensdauer – wenig effektiv.

Dies soll sich nun durch die geplante Novelle ändern: In zeitlicher Hinsicht wird die Verfahrensdauer auf 18 Monate beschränkt. Es handelt sich um eine Sollfrist. Im Falle einer längeren Verfahrensdauer hat das BKartA die Gründe dafür bekanntzumachen.

Zudem werden dem BKartA in einer Stufenfolge weitreichende Eingriffsbefugnisse als Folgen von Sektoruntersuchungen eingeräumt, welche unabhängig von der Feststellung eines Rechtsverstoßes sind. Für den Fall, dass das BKartA in einer Sektoruntersuchung eine erhebliche, andauernde oder wiederholte Störung des Wettbewerbs feststellt, kann es Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art anordnen. Als möglichen Anwendungsfall nennt die Gesetzesbegründung ein unabgestimmtes Parallelverhalten in oligopolistischen Märkten, welches zu einheitlichen Preiserhöhungen führt.

In § 32f Abs. 3 RefE werden beispielhaft folgende mögliche Abhilfemaßnahmen genannt:

  • die Gewährung des Zugangs zu Daten, Schnittstellen, Netzen oder sonstigen Einrichtungen,
  • die Belieferung anderer Unternehmen, einschließlich der Einräumung von Nutzungsrechten an geistigem Eigentum,
  • Teilen oder Rückgabe/Neuvergabe von für Geschäftstätigkeiten erforderliche behördliche oder vergleichbare Zulassungen oder Genehmigungen (z.B. Konzessionen),
  • Eingehung oder Aufgabe von Lieferbeziehungen zwischen Unternehmen auf den betroffenen Märkten und auf verschiedenen Marktstufen,
  • Verpflichtung zur Etablierung offener Normen und Standards,
  • Vorgaben zu bestimmten Vertragsformen oder Vertragsgestaltungen einschließlich vertraglicher Regelungen zur Informationsoffenlegung,
  • die organisatorische Trennung von Unternehmens- oder Geschäftsbereichen.

Die zuletzt genannte Abhilfemaßnahme betrifft eine organisatorische Entflechtung und ist mithin bereits sehr weitgehend. Darüber hinaus kommt als ultima ratio die Anordnung einer eigentumsrechtlichen Entflechtung nach § 32f Abs. 4 RefE in Betracht. Dabei besteht für bestandskräftige fusionskontrollrechtliche Freigaben ein fünfjähriger Vertrauensschutz. Nach einer Entflechtungsanordnung besteht für das betroffene Unternehmen in den darauffolgenden fünf Jahren ein Rückerwerbsverbot bezüglich der von der Entflechtung betroffenen Teile des Vermögens. Dieser Aspekt der Novelle wird zum Teil aufgrund des erheblichen Eingriffs in die unternehmerische Freiheit als verfassungswidrig angesehen, zum Teil aber als letztes Mittel für sinnvoll gehalten.

Diese geplanten Neuerungen weisen Parallelen zu den konzeptionellen Überlegungen der Europäischen Kommission zu einem „New Competition Tool“ auf. Die Kommission hat mangels Gesetzgebungskompetenz der Europäischen Union dieses Vorhaben seinerzeit aufgegeben und stattdessen den Digital Markets Acts (DMA) auf den Weg gebracht. In anderen Ländern, z.B. im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten, haben die Wettbewerbsbehörden bereits ähnliche Befugnisse. Für das deutsche Recht stellt dies dagegen eine deutliche Kehrtwende dar.

Die zuvor in § 39a GWB normierte Möglichkeit des Erlasses einer Anmeldeverfügung ist nun in § 32f Abs. 2 RefE überführt worden. Dabei wurde die Beschränkung auf Unternehmen, die in dem betroffenen Wirtschaftszweig einen Anteil von mindestens 15 % am Angebot oder an der Nachfrage von Waren oder Dienstleistungen in Deutschland haben, gestrichen. Außerdem wurden die Umsatzkriterien angepasst. Nach entsprechender Verfügung des BKartA müssen Zusammenschlüsse angemeldet werden, wenn der Erwerber im letzten Geschäftsjahr Umsatzerlöse im Inland von mehr als EUR 50 Mio. und das zu erwerbende Unternehmen im letzten Geschäftsjahr im Inland mehr als EUR 500.000 Umsatz erzielt hat.


Erleichterte Vorteilsabschöpfung

Des Weiteren sieht der Referentenentwurf eine Reform der Vorteilsabschöpfung gemäß § 34 RefE vor. Bislang bestehen bei der Vorteilsabschöpfung hohe Anwendungshürden, da für die Bestimmung des durch einen Kartellrechtsverstoß erlangten Vorteils komplexe ökonomische Analysen notwendig sind und sich die Beweisführung in der Praxis entsprechend schwierig gestaltet. Die Anwendung soll nun in zweierlei Hinsicht erleichtert werden: Es wird eine gesetzliche Vermutung normiert, dass einem Unternehmen durch den nachgewiesenen Kartellrechtsverstoß ein wirtschaftlicher Vorteil entstanden ist und dass sich dieser Vorteil auf 1 % der Inlandsumsätze mit den kartellierten Produkten oder Dienstleistungen beläuft. Eine Widerlegung der Vermutung soll nur möglich sein, wenn das Unternehmen nachweist, dass es im Abschöpfungszeitraum weltweit (also nicht nur im Inland) insgesamt (d.h. nicht nur mit den kartellierten Produkten oder Dienstleistungen) keinen Gewinn in entsprechender Höhe erzielt hat. Diese hohen Widerlegungsanforderungen führen, vor allem für international oder auf mehreren Produktmärkten tätige Unternehmen, dazu, dass die Vermutung de facto unwiderlegbar ist. Zudem sieht der Referentenentwurf eine Streichung des Verschuldenserfordernisses vor.


Durchsetzung des Digital Markets Act

In § 32g RefE werden die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass das BKartA die Kommission bei der Durchsetzung des DMA unterstützen kann und Untersuchungen im Hinblick auf Verstöße gegen Art. 5, 6 und 7 DMA vornehmen kann. Ferner wird die im DMA vorgesehene Möglichkeit seiner zivilrechtlichen Durchsetzung (sog. private enforcement) geschaffen, in dem die Vorschriften zum Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch sowie zum Kartellschadensersatz (§§ 33, 33a GWB) auf Verstöße gegen Art. 5, 6 und 7 DMA erweitert werden.


Ausblick

Es wird mit einem zügigen Gesetzgebungsverfahren gerechnet, da das Bundeswirtschaftsministerium bereits angekündigt hat, noch in dieser Legislaturperiode eine weitere GWB-Novelle auf den Weg zu bringen. Mit dieser wird beabsichtigt, weitere Punkte der im Februar vorgelegten wettbewerbspolitischen Agenda mit 10 Punkten für nachhaltigen Wettbewerb umzusetzen. So soll mehr Rechtssicherheit für Kooperationen von Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit geschaffen und ein stärkerer Verbraucherschutz sichergestellt werden. Mit Spannung bleibt jedoch erstmal abzuwarten, ob die 11. GWB-Novelle in der Form des Referentenentwurfs umgesetzt wird, vor allem, ob die geplanten Regelungen zur eigentumsrechtlichen Entflechtung Einzug in das GWB finden werden, da diesbezügliche bisherige Versuche gescheitert sind.

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