12. September 2022
Die Verordnung (EU) 2015/2283 (Novel Food-VO) legt die geltenden Regeln für das Inverkehrbringen von neuartigen Lebensmitteln in der EU fest. Im Mittelpunkt dieser Regelungen steht ein ausführliches Zulassungsverfahren durch die Europäischen Kommission unter Beteiligung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Die EFSA bewertet dabei alle Merkmale des neuartigen Lebensmittels, die ein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit darstellen können. Für Produkte mit Cannabidiol (CBD) sind bereits über 150 Anträge auf Bewertung bei der EFSA eingegangen, von denen aktuell 19 Anträge eingehenden Bewertungen unterzogen werden (vgl. Insight vom 25. April 2022). Am 7. Juni 2022 veröffentlichte die EFSA eine Stellungnahme, wonach Bewertungen zu CBD als neuartiges Lebensmittel bis zum Vorliegen neuer Daten ausgesetzt werden. Damit stehen die Zulassungsverfahren für Produkte mit CBD erst einmal still.
Die Aussetzung der Bewertungen begründet die EFSA damit, dass die Sicherheit von CBD als neuartiges Lebensmittel nach derzeitigen Erkenntnissen nicht festgestellt werden könne. So habe man eine Reihe von Sicherheitsrisken für die menschliche Gesundheit im Zusammenhang mit der Aufnahme von CBD ermittelt. Aufgrund von Datenlücken und Unsicherheiten sei eine angemessene Bewertung dieser Risken aktuell aber unmöglich. So fehle es generell an ausreichenden Daten über die Wirkungen von CBD auf die Leber, den Magen-Darm-Trakt, das endokrine System, das Nervensystem und das psychische Wohlbefinden. Die durchgeführten menschlichen Studien seien angesichts der parallelen Medikation oder im Falle von Epidyolex sogar aufgrund der eigenen therapeutischen Anwendung nicht vollends aussagekräftig. Dazu komme, dass es weiterhin unklar sei, ob die bei Tierversuchen festgestellten schädlichen Wirkungen auf die Fortpflanzung in gleicher Weise auch bei Menschen auftreten.
Die Entscheidung der EFSA, Bewertungen bei unklarer Datenlage auszusetzen, ist per se nicht ungewöhnlich und dürfte im Ergebnis auch mit dem strengen Prüfungsmaßstab zusammenhängen. Während beim Einsatz von CBD in Arzneimitteln etwaige unerwünschte Wirkungen jedenfalls dann noch toleriert werden können, wenn ein medizinischer Nutzen überwiegt, gilt für CBD in (neuartigen) Lebensmitteln ein anderer Maßstab: Der Konsum von neuartigen Lebensmitteln darf mit keinerlei Sicherheitsrisiken einhergehen. Letztere Feststellung war auf Basis der aktuellen Datenlage für die Experten der EFSA jedoch noch nicht möglich.
Die Entscheidung der EFSA zur Aussetzung der Bewertung ist nicht mit der Einstufung von CBD als unsicheres neuartiges Lebensmittel gleichzusetzen. Vielmehr spielt die EFSA nun den Ball wieder zu den Antragstellern zurück. Es liegt in deren Verantwortung, vorhandene Datenlücken zu schließen und auf die Anfragen der EFSA zu reagieren. Dennoch stößt die Entscheidung der EFSA in der Branche erstmal auf Ernüchterung. Angesichts der umfassenden Datenlücken wird es einige Zeit dauern, bis etwaige Forschungen angestoßen und klinische Studien durchgeführt sind. Die Kooperationsbereitschaft der EFSA mit den Antragstellern gibt jedoch Grund zur Hoffnung. Und, die Einstufung von CBD als neuartiges Lebensmittel bleibt weiterhin möglich!
Autoren: Dr. Daniel Tietjen, Christoph Behm