30. September 2022
Mit Urteil vom 2. August 2022 hat das Landgericht Stuttgart mehrere Beschlüsse der Hauptversammlung der Heckler & Koch AG aus Oberndorf vom 31. August 2021 für nichtig erklärt.
Vorbemerkung
Das Urteil des Landgericht Stuttgart ergänzt die ohnehin schon reichhaltige Kasuistik der Rechtsfragen rund um die in § 20 AktG geregelten Mitteilungspflichten.
Eingebettet ist die Entscheidung in den Kontext einer Auseinandersetzung zweier Aktionäre der Heckler & Koch AG: Es streiten schon seit mehreren Jahren der vormalige Mehrheitsaktionär sowie die vermeintlich neue Mehrheitsaktionärin – auch über die Wirksamkeit des Mehrheitserwerbs selbst, welchen der vormalige Mehrheitsaktionär wiederholt in Abrede gestellt hat. Ausgetragen wird der Streit vor verschiedenen Gerichten und regelmäßig auch durch Beschlussmängelklagen gegen die Gesellschaft. Gegenstand der hier besprochenen Entscheidung sind mehrere Beschlüsse der Hauptversammlung der Heckler & Koch AG aus dem Jahr 2021, mit denen zum Teil auch Beschlüsse der Hauptversammlung aus dem Vorjahr bestätigt werden sollten, die ebenfalls angefochten worden waren (das entsprechende Verfahren ist derzeit am Oberlandesgericht Stuttgart anhängig).
Sachverhalt
Die vermeintliche Mehrheitsaktionärin, eine Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg, hatte der Heckler & Koch AG gemäß § 20 Abs. 1, und Abs. 4 AktG mitgeteilt, dass sie die Mehrheit der Aktien der Heckler & Koch AG erworben habe und war von der Heckler & Koch AG in der fraglichen Hauptversammlung zur Stimmrechtsausübung zugelassen worden. Aus der ursprünglichen Stimmrechtsmitteilung ging nicht hervor, dass hinter der Aktionärin noch weitere, demzufolge mittelbare, Mehrheitsaktionäre der Heckler & Koch AG standen.
Rechtliche Würdigung
Im Ergebnis ging es daher um die Frage, ob neben der Gesellschaft, die eine Stimmrechtsmitteilung übermittelt hatte, noch weitere mittelbare Aktionäre aufgrund der in § 20 i. V. m. § 16 AktG bestimmten Zurechnungsregeln Stimmrechtsmitteilungen über den Mehrheitserwerb hätten machen müssen. Tatsächlich sind im Juni 2022 weitere Stimmrechtsmitteilungen mit Bezug auf entsprechende Zurechnungstatbestände bei der Heckler & Koch AG eingegangen, die im Bundesanzeiger bekannt gemacht sind.
Das Gericht stellte klar, dass unterlassene Mitteilungen gemäß § 20 Abs. 7 AktG zu einem konzernweiten Rechtsverlust führen − bis die Mitteilungen ordnungsgemäß nachgeholt sind. In Verbindung mit § 16 Abs. 4 AktG können auch natürliche Personen bei direktem oder indirektem Beteiligungserwerb zu einer Mitteilung verpflichtet sein, denn auch sie können die für die Mitteilungspflicht erforderliche Unternehmenseigenschaft besitzen.
Infolge des Rechtsverlusts hätte die vermeintlich neue Mehrheitsaktionärin aus Luxemburg bei der Hauptversammlung 2021 nicht zur Stimmrechtsausübung zugelassen werden dürfen, selbst wenn sie Inhaberin des Mehrheitspakets der Aktien geworden sein sollte. Die Wirksamkeit des Erwerbs der Mehrheitsbeteiligung durch die Aktionärin mit Sitz in Luxemburg, der in dem Verfahren ebenfalls streitig war, ließ das Landgericht Stuttgart offen. Diese Frage konnte dahinstehen, da auch bei einem wirksamen Erwerb die Stimmrechte aufgrund des konzernweiten Rechtsverlusts nicht hätten ausgeübt werden dürfen. Da die Aktionärin bei der Hauptversammlung 2021 nicht zur Stimmrechtsausübung hätte zugelassen werden dürfen, hätte der Versammlungsleiter der Hauptversammlung die Beschlüsse nicht als zustande gekommen werten dürfen. Die betreffenden Beschlüsse der Hauptversammlung waren folgerichtig für nichtig zu erklären.
von Dr. Sebastian Beyer, LL.M. (Auckland) und Nikolaus Plagemann