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Dr. Gregor Staechelin

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26. Juli 2022

Verbotene Leistungsprämien im Güterkraftverkehr – Risiken auch für Versender?

  • Briefing

Im September 2020 hatten wir in einem Newsletter auf Compliance-Risiken für Versender im Zusammenhang mit Kabotagevorschriften hingewiesen (Versender-Compliance Kabotage). In diesem Beitrag widmen wir uns einem anderen zumindest potentiellen Compliance-Risiko für Auftraggeber von Transporten (Versender), welches sich an eher versteckter Stelle, nämlich in der Fahrpersonal-Verordnung findet.

EU VO 561/2006

Art. 10 (1) der EU VO 561/2006 (idF der EU VO 1054/2020) verbietet es Verkehrsunternehmen, ihre Beschäftigten oder von ihnen eingesetzten Fahrer Zahlungen in Abhängigkeit von der zurückgelegten Strecke, den Frachtmengen oder der Schnelligkeit der Auslieferung zu gewähren, sei es als Löhne oder Prämien. Das Verbot gilt nur dann, wenn solche Leistungsprämien oder leistungsbezogene Vergütungselemente die Sicherheit im Straßenverkehr zu beinträchtigen geeignet sind oder zu Verstößen gegen sonstige Vorschriften der EU VO 561/2006 verleiten. Das Kapitel III dieser VO, in der sich das Verbot findet, richtet sich jedoch an die Verkehrsunternehmen als Normadressaten. Verkehrsunternehmen im Sinne der VO sind nach deren Art. 4 p) nur solche Rechtssubjekte, die selbst eine Beförderung im Straßenverkehr oder im Werkverkehr vornehmen. Das Verbot richtet sich also nicht an den Versender.

Fahrpersonalgesetz

Die genannte EU VO 561/2006 auferlegt es den Mitgliedstaaten der EU nach ihrem Art. 19 (1) geeignete Sanktionsvorschriften zu erlassen, um ihre Vorgaben umzusetzen. Dies hat Deutschland vor allem durch das Fahrpersonalgesetz (FPersG) unternommen. Dieses wiederholt in seinem § 3 im Wesentlichen das Verbot des Art. 10 (1) der EU VO 561/2006. Auch dort betrifft das Verbot denjenigen, der selbst Fahrpersonal einsetzt (Anwendungsbereich nach § 1). Ein Verstoß gegen § 3 ist in § 8 (1) Nr. 1 c) für den Unternehmer bußgeldbewehrt, der ein Mitglied des Fahrpersonals entgegen dieses Verbotes entlohnt. Der Bußgeldtatbestand ist auf den Versender also nicht anwendbar, da dieser das Fahrpersonal ja nicht entlohnt, sondern Transportleistungen des Verkehrsunternehmens einkauft. Dass sich die ordnungswidrigkeitsrechtliche Verantwortung nur an den Verkehrsunternehmer richtet und nicht an dessen Auftraggeber, ist systematisch am Bußgeldtatbestand des § 8a (3) FPersG zu ersehen, der anders als § 8 (1) Nr. 1 c) auch die Versender in die Pflicht nimmt, jedoch bezogen auf die Vereinbarung von Beförderungszeitplänen, die die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten durch das Personal faktisch unmöglich macht. Das Verbot der Löhne und Prämien nach Art. 10 (1) der EU VO 561/2006 bzw. § 3 FPersG ist in dieser sich auch an den Verlader bzw. Versender richtenden Vorschrift nicht aufgenommen.

Fahrpersonalverordnung

Dafür auferlegt es § 20a (2) der FahrpersonalVO in einer Blankettnorm auch den Versendern und Auftraggebern der Verkehrsunternehmen dafür Sorge zu tragen, dass die Vorschriften der EU VO 561/2006 eingehalten werden. Gefordert wird Zusammenarbeit und Abstimmung zur Sicherstellung der Einhaltung der gesamten Vorschriften der EU VO 561/2006 (mithin auch deren Art. 10 (1)). Insoweit hat der Versender und Auftraggeber sich vor Vertragsabschluss und während der Laufzeit in angemessenen Zeitabständen zu vergewissern und darauf hinzuwirken, dass das beauftragte Verkehrsunternehmen von seiner Ausstattung und Organisation her in der Lage ist, die Aufträge konform mit den Vorgaben der EU VO 561/2006 durchzuführen. Die relevante Vorschrift lautet:

㤠20a Verantwortlichkeiten
(1) Die Verkehrsunternehmen sind verpflichtet, ihren Betrieb nach Maßgabe von Artikel 10 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zu organisieren. Dies gilt auch für Fahrten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Drittstaates.
(2) Neben den Verkehrsunternehmen sind auch die mit diesen in geschäftlicher Verbindung stehenden Verlader, Spediteure, Reiseveranstalter, Hauptauftragnehmer, Unterauftragnehmer und Fahrervermittlungsagenturen für die Einhaltung der Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 und der vorliegenden Verordnung verantwortlich. Die an der Beförderungskette beteiligten Unternehmen haben mit dem Ziel, die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten, zusammenzuarbeiten und sich abzustimmen. Der jeweilige Auftraggeber hat dafür Sorge zu tragen, dass das beauftragte Verkehrsunternehmen die Vorschriften einhält. Er hat sich vor dem Vertragsabschluss mit einem Verkehrsunternehmen und während der Vertragslaufzeit in angemessenen Zeitabständen darüber zu vergewissern und darauf hinzuwirken, dass das beauftragte Verkehrsunternehmen aufgrund seiner personellen und sachlichen Ausstattung sowie seiner betrieblichen Organisation in der Lage ist, die vorgesehenen Transportaufträge unter Einhaltung der Vorschriften durchzuführen.“


Wer als Unternehmer (hier iS von Versender oder Auftraggeber) entgegen § 20a Absatz 2 Satz 3 nicht dafür Sorge trägt, dass das beauftragte Verkehrsunternehmen die Vorschriften der EU VO 561/2006, also auch deren Art. 10 (1), einhält, handelt zudem auch ordnungswidrig nach § 21 (1) Nr. 14 der FahrpersonalVO und riskiert ein Bußgeld von bis zu EUR 30.000,00 (§ 8 (1, 2) Fahrpersonalgesetz iV mit § 21 (1) FahrpersonalVO).

Wie leider nicht ganz selten, lässt der Gesetz- und Verordnungsgeber die Normadressaten hinsichtlich genauerer Beschreibung von deren Pflichten alleine. Was kann oder sollte ein Versender also tun? Neben einer vertraglichen Verpflichtung des Verkehrsunternehmers die Vorgaben des Art. 10 (1) EU VO 561/2006 bzw. § 3 FPersG einzuhalten, kommen hier regelmäßige Audits durch den Versender in Frage, ggf. auch die Einsicht in exemplarische (anonymisierte) Arbeitsverträge. Findet man Vergütungselemente vor, die an die zurückgelegte Strecke, die Frachtmengen oder die Schnelligkeit der Auslieferung anknüpfen, so muss noch beurteilt werden, ob diese auch geeignet sind, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu beeinträchtigen oder zu Verstößen gegen andere Vorschriften der EU VO 561/2006 zur Harmonisierung von Sozialvorschriften im Straßenverkehr verleiten. Eine Rechtsprechungsrecherche zur Reichweite der Pflichten des Versenders in Bezug auf die Einhaltung des Verbots nach Art. 10 (1) EU VO 561/2006 und des § 3 FPersG hat lediglich eine Entscheidung des Bay. Verwaltungsgerichtshofes zu Tage gefördert, der entschieden hat, dass auf der Rechtsgrundlage des § 4 (3) Satz 1 Nr. 1 FPersG ein Hauptauftragnehmer als an der Beförderungskette beteiligtes Unternehmen verpflichtet ist, der Aufsichtsbehörde Auskünfte zu erteilen, welche die Wahrnehmung der Verantwortlichkeit dieses Unternehmens für die Einhaltung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr nach § 20a (2) FPersV betreffen (Urteil vom 25.10.2018, Az. 22 B 17.1382, Quelle – juris). Dieses Urteil hat allerdings das Bundesverwaltungsgericht am 17.06.2020 aufgehoben (Az. 8 C 2/19, Quelle juris). Einzelheiten dazu, wozu der ursprüngliche Auftraggeber, also der Versender hier verpflichtet ist, lassen sich in den beiden Entscheidungen nicht finden.

Güterkraftverkehrsgesetz

Das GüKG auferlegt dem Versender in seinem § 7c bestimmte Pflichten in Zusammenhang mit der Compliance der beauftragten Frachtführer bzw. Spediteure. Diese Pflichten betreffen aber nicht die Compliance mit der EU VO 561/2006, dem Fahrpersonalgesetz oder der FahrpersonalVO.

MiLoG

Eine Vergütung des Fahrpersonals nach zurückgelegter Strecke, Menge der beförderten Ware oder Schnelligkeit der Auslieferung kann theoretisch auch zum Unterlaufen des gesetzlichen Mindestlohnanspruches führen. Insoweit besteht das Risiko einer Auftraggeberhaftung nach MiLoG und AEntG, soweit der Versender die beauftragte Lieferung von Waren einem Dritten schuldet und dafür ein Verkehrsunternehmen einsetzt, welches durch entsprechende Vergütung tatsächlich unter Mindestlohn zahlt.

Praxishinweis

Risiken, die daraus resultieren, dass von Versendern eingesetzte Verkehrsunternehmen (oder deren Subunternehmer) nicht die Vorgaben des Art. 10 (1) EU VO 561/2006 einhalten, resultieren lediglich aus der FahrpersonalVO. Dies sollte aber ausreichender Grund sein, die im dortigen § 20a für den Versender statuierten und bußgeldbewehrten Pflichten ernst zu nehmen, vertragliche Vorkehrungen zu treffen und die eingesetzten Verkehrsunternehmen nicht nur vor Vertragsschluss zu auditieren, sondern bei Dauerbeziehungen auch danach gelegentlich zu überprüfen. Die Ergebnisse sind zu dokumentieren.

 

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