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Dr. Gregor Staechelin

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8. September 2020

Kabotage-Compliance für Versender in der Transportwirtschaft

Die folgende Darstellung richtet sich an Unternehmen, die Transporte beauftragen (hier: Versender) und versucht, das Thema Kabotage (beschränkt auf den Straßengüterverkehr) zu beleuchten. Insbesondere geht es darum, welche Compliance-Pflichten Versender zur Verhinderung von Kabotage haben und wie Versender das Risiko begrenzen können, ihren Pflichten deshalb nicht nachzukommen, weil Spediteure Kabotage-Regeln zu umgehen versuchen.


Was ist Kabotage?


Kabotage ist zunächst die Erbringung von Transportleistungen innerhalb eines Landes (Binnenverkehr), die von einem ausländischen Transportunternehmen erbracht werden. Der Begriff stammt aus der Seefahrt und meinte ursprünglich Küstenschifffahrt (italienisch:
cabottagio). Sie ist als Ausdruck des Protektionismus prinzipiell verboten.

Zulässige Kabotage


Im Zuge der Liberalisierung der Dienstleistungsfreiheit in der EU ist Kabotage für Verkehrsunternehmen aus EU (und EWR) Mitgliedstaaten teilweise zugelassen. Dies entspricht nicht nur der (jedenfalls teilweisen) Umsetzung der Freiheiten des gemeinsamen Marktes (freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital), sondern folgt auch der ökonomischen wie ökologischen Einsicht, dass Rückfahrten in Form von Leerfahrten nach einem grenzüberschreitenden Transport von einem EU/EWR Mitgliedsland in ein anderes Mitgliedsland nicht der Weisheit letzter Schluss sind.

Geregelt sind die EU Kabotage-Freiheit und ihre Grenzen derzeit in der EU VO Nr. 1072/2009 vom 21.10.2009 (EU Kabotage VO). Hinzu kommen länderspezifische Regeln, in Deutschland die „Verordnung über den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr und den Kabotageverkehr“ vom 28.11.2011 (Deutsche Kabotage VO).

Zulässig ist Kabotage nach der EU Kabotage VO nur, wenn der Verkehrsunternehmer eine sogenannte Gemeinschaftslizenz innehat, die nur Verkehrsunternehmen mit Sitz in der EU oder dem EWR erhalten können. Weiter ist sie nach ihrem Art. 8 nur in den Grenzen der sogenannten „3 in 7“ Regel zulässig. Danach dürfen im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung nach vollständiger Entladung der Güter bis zu drei Kabotage-Beförderungen innerhalb von 7 Tagen mit demselben Fahrzeug durchgeführt werden. Die Kabotage-Beförderungen können entweder nur in einem Mitgliedstaat oder auch in mehreren Mitgliedsstaaten durchgeführt werden. Im letzten Fall - Durchführung in mehreren Mitgliedsstaaten - ist jedoch nur eine Kabotage-Beförderung je Mitgliedsstaat erlaubt und diese muss innerhalb von drei Tagen nach Einfahrt des unbeladenen Fahrzeugs in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats durchgeführt werden. Zum Nachweis sind die Frachtdokumente (CMR-Frachtbrief) des grenzüberschreitenden Transportes und der einzelnen Kabotage-Fahrten mitzuführen.

 

Exkurs: Corona und Kabotage


Wegen der anfänglichen Versorgungsschwierigkeiten im Zuge der Coronakrise haben einzelne EU Mitgliedsstaaten ihre nationalen Kabotage-Regeln vorübergehend gelockert. In Deutschland wurde dies diskutiert aber schließlich verworfen.

Compliance-Pflichten für Versender nach § 7c GüKG

 

Die Kabotage-Regeln adressieren zwar die Verkehrsunternehmen, sind aber von erheblicher Bedeutung auch für Versender, weil § 7c des deutschen Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) diesem sehr weitreichende Compliance-Pflichten auferlegt. So darf der Versender Leistungen aus einem Fracht- oder Speditionsvertrag nicht ausführen lassen, wenn er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass der ausführende Verkehrsunternehmer (1) keine Gemeinschaftslizenz innehat bzw. diese unzulässig verwendet oder (2) unzulässiges Fahrpersonal einsetzt. Die vorherrschende Interpretation und insbesondere auch die des zuständigen Bundesamtes für Güterkraftverkehr (BAG) verstehen unzulässige Kabotage als unzulässige Verwendung einer Gemeinschaftslizenz. Verstößt der Versender gegen seine Pflichten nach § 7c GüKG, so stellt dies nach § 19 Abs. 1a GüKG eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu EUR 20.000,00 sanktioniert werden kann.

 

Besonders prekär ist insoweit, dass die geringen Verschuldensanforderungen („oder fahrlässig nicht weiß“) den Versender faktisch dazu zwingen, zumindest stichprobenweise zu kontrollieren, ob der ausführende Verkehrsunternehmer die Kabotage-Regeln einhält, und die Ergebnisse der Stichproben zu dokumentieren und zu archivieren. Wie sich aus Art.  8 Absatz 3 der EU Kabotage VO ergibt, ist der Verkehrsunternehmer verpflichtet, die Dokumente mit zu führen, die die zulässige Ausübung der Kabotage belegen. So dass solche Stichproben praktisch möglich sind.

 

Graubereiche: Wie umgehen mit Umgehungsstrategien der Spediteure?


Die Realität auf deutschen Fernstraßen und an Ladestellen, insbesondere die weite Verbreitung von LKW’s mit Kennzeichen aus osteuropäischen Ländern belehrt aber darüber, dass weit mehr Binnentransporte durch (scheinbar) nicht deutsche Verkehrsunternehmer durchgeführt werden, als man dies aufgrund der relativ strikten Vorgaben für zulässige Kabotage vermuten möchte. Dies liegt daran, dass findige Anbieter Strategien entwickelt haben, mit den Einschränkungen umzugehen. Eine ganz typische ist es, dass ein Verkehrsunternehmer aus dem EU Ausland in Deutschland eine Zweigniederlassung gründet, dieser das Fahrzeug mietweise überlässt und ihr auch das Fahrpersonal stellt. Dies ist nach Art. 17a und 18 der deutschen Kabotage VO offenbar eine zulässige Gestaltung, da Art. 17a klarstellt, dass das die „3 in 7“ Regel als Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht zur Anwendung kommt, wenn der Verkehrsunternehmer eine Niederlassung in Deutschland innehat. Ungeachtet dessen, dass eine Zweigniederlassung nach deutschem Rechtsverständnis eigentlich kein eigenständiges, vom (ausländischen) Hauptunternehmen unabhängiges Rechtssubjekt begründet, wird die Niederlassung dann als deutsches Verkehrsunternehmen angesehen und in die sogenannte Verkehrsunternehmerkartei des BAG aufgenommen 

Um seinen Compliance-Pflichten zu genügen, ist der Versender nach Auskunft des BAG aber in solchen Konstellationen verpflichtet stichprobenweise zu überprüfen, ob tatsächlich die Zweigniederlassung den Transportauftrag ausführt und nicht der Verkehrsunternehmer aus dem Ausland. Dies ergibt sich bestenfalls aus der Gemeinschaftslizenz, dem Versicherungsnachweis nach § 7a GüKG und dem Frachtbrief, die auf die Zweigneiderlassung und nicht auf das ausländische Hauptunternehmen ausgestellt sind, sowie aus einem Nachweis über die mietweise Überlassung des Fahrzeugs.

Andere Umgehungsstrategien sind im Einzelfall zu bewerten, wobei sich das BAG als durchaus auskunftsfreudig zeigt, wenn man dort darlegt, dass man Kabotage-Verstöße verhindern will.

Ausblick


Fachmedien haben jüngst berichtet, dass bei einer Schwerpunktkontrolle des BAG am 20.08.2020 bei 31,5% der kontrollierten Fahrzeuge Verstöße gegen die Kabotage-Regelungen festgestellt wurden. Das zeigt, wie virulent das Thema ist.

Im Kontext des sogenannten Mobilitätspaktes hat die EU nunmehr am 15.07.2020 die Verordnung Nr. 2020/1055 erlassen, die Anpassungen auch der EU Kabotage VO vorsieht. Nach den Erwägungsgründen sollen insbesondere Schlupflöcher geschlossen und die EU-weite Handhabung auch der Kabotage vereinheitlicht werden. Vorgesehen ist insofern, die EU Kabotage-Regelungen mit Wirkung zum 21. Mai 2022 auch auf Fahrzeuge anzuwenden, die ein zulässiges Gesamtgewicht von mindestens 2,5 to haben (bislang 3,5 to). Nach dem neuen Art. 14a zur EU Kabotage VO sollen die Mitgliedsstaaten durch Sanktionsvorschriften auch gegenüber den Versendern (neben Spediteuren, Auftragnehmern und Unterauftragnehmern) sicherstellen, dass die Kabotage-Vorschriften auch eingehalten werden. Ob deswegen der § 7c GüKG verschärft wird, ist noch offen. Nach dem neu geschaffenen Art. 10a der EU Kabotage VO sollen die Mitgliedsstaaten jedenfalls ihre Kontrolldichte in Bezug auf mögliche Kabotage-Verstöße erhöhen. Litauen und Estland haben bereits angekündigt, rechtlich gegen die EU VO Nr. 2020/1055 vorgehen zu wollen.

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