Autor

Isabel Bäumer

Senior Associate

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26. August 2021

Das Ende zentraler Whistleblowing-Kanäle? EU-Kommission erteilt der Einrichtung konzernweiter Hinweisgebersysteme eine Absage

  • Briefing

Die EU-Kommission hat eine Stellungnahme veröffentlicht, aus der sich ergibt, dass ein konzernweites Hinweisgebersystem unzulässig ist und jede Legaleinheit mit wenigstens 50 Mitarbeitern ein eigenes System implementieren muss.

Ausgangslage

Der überwiegende Teil der weltweit tätigen Großunternehmen hat bereits ein Whistleblowing-System etabliert. Dabei ist es üblich, sowohl den Meldekanal als auch die Koordination und Bearbeitung eingehender Hinweise einer zentralen Stelle – in der Regel der Compliance-Abteilung – zu überlassen. Die Vorteile einer solchen Organisation des Whistleblowings sind aus Sicht der Unternehmen vielfältig: Die Compliance-Abteilung erhält einen umfassenden Überblick über mögliches Fehlverhalten im gesamten Konzern, sie kann effizienter arbeiten und muss weniger Personal für die Bearbeitung von Hinweisen zur Verfügung stellen. Die Erwartung der Unternehmen, dass diese zentralen Whistleblowing-Systeme ausreichend seien, hat die EU-Kommission nun unerwartet stark enttäuscht.

Stellungnahme der EU-Kommission

Die EU-Kommission hat in ihrer Stellungnahme klargestellt, dass zwingend jede „Legal Entity“ mit mehr als 49 Mitarbeitern ein eigenes Whistleblowing-System bereitstellen muss. Nach Auffassung der EU-Kommission sei der Wortlaut der Richtlinie insoweit eindeutig. Als Argumente führt sie zudem die Gewährleistung der Effizienz der Meldewege sowie für länderübergreifende Konzerne die voraussichtlich abweichende Umsetzung der EU-Richtlinie auf nationaler Ebene an (z.B. eine kürzere Frist für die Eingangsbestätigung).

Immerhin: Mittelgroße Tochtergesellschaften (50 bis 249 Mitarbeiter) sollen ihre Ressourcen jedenfalls teilweise bündeln dürfen. Danach kann die Entgegennahme von Meldungen und die Durchführung von Untersuchungen einer Tochtergesellschaft für mehrere Legaleinheiten übertragen werden. Außerdem sollen mittelgroße Tochtergesellschaften von den Untersuchungskapazitäten der Muttergesellschaft profitieren können. Dies gelte jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Meldekanäle der Tochtergesellschaft bestehen bleiben, der Whistleblower über die Abgabe informiert wird und damit einverstanden ist. Die Verantwortung dafür, dem Whistleblower eine Rückmeldung zu geben und das gemeldete Fehlverhalten abzustellen oder zu sanktionieren, verbleibt in beiden Fällen bei der betroffenen Gesellschaft.

Schließlich dämpfte die EU-Kommission auch die Hoffnungen hinsichtlich der Möglichkeiten des „Outsourcing“ von Whistleblowing-Meldungen innerhalb des Konzerns. Soweit die Richtlinie explizit vorsieht, dass Meldekanäle intern oder extern von einem Dritten bereitgestellt werden können, vertritt die EU-Kommission die Auffassung, dass Legaleinheiten innerhalb eines Konzerns nicht „Dritte“ im Sinne der EU-Richtlinie seien.

Kritik

Die Stellungnahme der EU-Kommission überzeugt nicht und erscheint wirklichkeitsfremd. Die Effizienz der Meldewege, die hierdurch gestärkt werden soll, wird tatsächlich torpediert. Unternehmen, die nun in jeder Tochtergesellschaft ab 50 Mitarbeitern eine dezentrale Meldestelle einführen, werden hierfür im Ergebnis zusätzliche personelle Ressourcen zur Verfügung stellen und einen bürokratischen Mehraufwand leisten müssen, ohne dass dies dem Schutz der Whistleblower dienlich wäre. Tatsächlich ist durch die dezentrale Organisation sogar ein geringerer Schutz der Whistleblower denkbar. Diese sehen sich unter Umständen einem höheren Risiko ausgesetzt, sofort identifiziert zu werden, da sich innerhalb der (kleineren) Tochtergesellschaft zwangsläufig schneller Rückschlüsse auf die Identität des Whistleblowers ziehen lassen. Außerdem sieht das deutsche Recht durchaus vor, Konzerngesellschaften als „Dritte“ zu qualifizieren.

Praxishinweise

Die Stellungnahme der EU-Kommission ist für die Gerichte nicht bindend und es bleibt abzuwarten, ob es gelingen wird, die nationalen Gesetzgeber von flexibleren Lösungsansätzen zu überzeugen. Bis Ende dieses Jahres haben die Mitgliedstaaten noch Zeit, die europäischen Vorgaben in nationales Recht umzusetzen.

Dennoch gilt, dass große Konzerntöchter (ab 250 Mitarbeitern) schon jetzt eine eigene Melde- und Untersuchungsstelle einrichten sollten, die Meldungen unabhängig von den anderen Legaleinheiten des Konzerns bearbeiten kann. Für mittelgroße Gesellschaften lohnt es sich derzeit, sich noch zu gedulden, bis das nationale Umsetzungsgesetz verabschiedet wurde, da für sie die Pflicht zur Einrichtung ohnehin erst ab dem 17. Dezember 2023 gelten soll.

Konzerne, deren Gesellschaftsstruktur aus einer Vielzahl an mittelgroßen Tochtergesellschaften besteht, sollten für sich abwägen, ob das Outsourcing der Whistleblowing-Kanäle an einen konzernfremden Dritten nicht die kostenschonendere Variante darstellt.

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