Gestern am 1. Dezember 2020 wurde das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs im Bundesgesetzblatt verkündet und ist damit heute in Kraft getreten.
Ziel der Gesetzesreform ist in erster Linie die Eindämmung von Abmahnmissbrauch und die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands. Es soll der in den vergangenen Jahren stark zugenommenen Praxis der Versendung von Abmahnungen primär zur Erzielung von Gewinnen und Vertragsstrafen durch Unternehmen und Verbände entgegenwirken. Erzielt wird dies insbesondere durch die Einschränkung der Aktivlegitimation, strengere formelle Anforderungen an die Abmahnung, Begrenzung des Aufwendungsersatzes und Stärkung der Rechte des Abgemahnten.
Einschränkung der Aktivlegitimation
- Mitbewerber i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF sollen in Zukunft nur noch aktivlegitimiert sein, wenn sie in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen. Die Regelung zielt auf die Qualifikation des konkreten Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ab. Ausgeschlossen werden sollen Mitarbeiter, die nur wenige Waren zu überteuerten Preisen auf Internetportalen anbieten, erst kürzlich ihr Gewerbe aufgenommen haben oder bei denen bereits das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Je größer die ausgesprochene Anzahl an Abmahnung ist, desto umfangreicher muss die geschäftliche Tätigkeit des Abmahnenden sein.
- Verbände zur Förderung des Wettbewerbs i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF müssen sich fortan in eine Liste der qualifizierten Verbände nach § 8b UWG nF eintragen lassen. Voraussetzung hierfür ist u.a. (i.) eine Anzahl von mindestens 75 Mitgliedsunternehmen, (ii.) der Verbandszweck der Förderung des Wettbewerbs muss durch ausreichende personelle, sachliche und finanzielle Mittel gesichert sein und (iii.) Mitgliedsunternehmen dürfen keine Zuwendungen aus dem Verbandsvermögen erhalten. Die Verschärfung zielt erkennbar darauf ab, dass der Verbandszweck ernsthaft und aus rein ideellen Interessen verfolgt werden muss und die Abmahntätigkeit zumindest keine vorwiegende Einnahmequelle darstellen darf. Praktisch wird dies allerdings geringe Auswirkungen haben, da die meisten klagenden Verbände diese Voraussetzungen bereits erfüllen.
Aufgepasst: Die Änderungen zur Einschränkung der Aktivlegitimation treten erst zum 1. Dezember 2021 in Kraft.
Kodifikation der Missbrauchstatbestände
- Die Regelung ist insofern nicht neu, als dass die missbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen auch bisher bereits in § 8 Abs. 4 UWG aF untersagt war. Nun wurde die tradierte Rechtsprechung wie wiederholt im Wettbewerbsrecht kodifiziert, um das Vorgehen gegen den Abmahnmissbrauch zu erleichtern. In dem neu eingefügten § 8c Abs. 1 UWG nF findet sich die bisherige Regelung, dass die Geltendmachung von Ansprüchen unzulässig ist, wenn sie unter der Berücksichtigung der gesamten Umstände rechtsmissbräuchlich ist. Die Fallgruppen der Rechtsprechung wurden auch insofern gestärkt, als dass die Tatbestandsmäßigkeit im Zweifel für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung sprich. Diese gesetzliche Vermutung kann der Abmahnende jedoch entkräften.
Strengere Anforderungen an den Abmahnenden
- In formeller Hinsicht muss die Abmahnung gemäß § 13 Abs. 2 UWG nF klar und verständlich begründet werden, u.a. durch die Nennung der Identität des Abmahnenden, der Voraussetzungen der Aktivlegitimation, der Konkretisierung der angegriffenen Verletzungshandlung sowie die Aufschlüsselung des Aufwendungsersatzes (Rechtsanwaltskosten) bzw. dass diese ausgeschlossen ist.
- Ausgeschlossen ist der Aufwendungsersatz § 13 Abs. 4 UWG nF zum einen für Abmahnungen von Verstößen im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien. Dieser Ausnahmebereiche zielen darauf ab, dass Abmahnungen insbesondere im E-Commerce ausgesprochen werden, da diese durch den Einsatz von Crawlern automatisiert festgestellt werden können und zahlreiche besondere Informationspflichten bestehen. Erfasst sind insbesondere § 5 TMG (Impressumspflicht), Informationspflichten in Fernabsatzverträgen nach § 312d BGB, die Pflicht zur Widerrufsbelehrung und die Vorschriften der Preisangabenverordnung. Welche weiteren Informations- und Kennzeichnungspflichten von dieser Bereichsausnahme erfasst sein werden, wird jedoch sicherlich wieder die Gerichte beschäftigen. Ausgeschlossen ist der Aufwendungsersatz zum anderen für Abmahnungen von Verstöße gegen die DSGVO und das Bundedatenschutzgesetz durch Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern. Dies trägt den Sorgen von kleinen und mittleren Unternehmen sowie gemeinnützigen Vereinen vor kostenpflichtigen Abmahnungen Rechnung.
- Objektiv unberechtigte oder auch nur formell unzureichende Abmahnungen lösen einen Gegenanspruch des Abgemahnten auf Aufwendungsersatz hinsichtlich seiner Kosten der Rechtsverteidigung aus (§ 13 Abs. 5 UWG nF). Eine entsprechende Vorschrift in § 97a Absatz 4 UrhG hat sich zur Eindämmung des Abmahnmissbrauchs bewährt.
- Auch hinsichtlich der Vereinbarung einer Vertragsstrafe finden sich in § 13a UWG nF neue formelle Anforderungen, die aber im Wesentlichen auf die in der Praxis anerkannten Grundsätze zurückgreifen. Neu ist jedoch, die Fiktion einer angemessenen Vertragsstrafe. Denn der Abgemahnte schuldet auch in dem Fall, dass er eine unangemessen hohe Vertragsstrafe versprochen hat, lediglich die Vertragsstrafe in einer angemessenen Höhe (§ 13a Abs. 4 UWG). Bisher konnte ein Kaufmann wegen § 348 HGB anders als ein Nicht-Kaufmann keine gerichtliche Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB verlangen.
Einschränkung des Fliegenden Gerichtsstands
- Der fliegende Gerichtsstand nach § 32 ZPO führt dazu, dass insbesondere in Marken- oder Wettbewerbsverstößen im Internet auch überall dort ein Gerichtsstand begründet ist, wo die Internetseite, auf der die Rechtsverletzung erfolgt, abgerufen werden kann. Im Ergebnis ist damit in solchen Fällen potentiell jedes Gericht in Deutschland zuständig. Zugleich führte der Fliegende Gerichtsstand auch dazu, dass sich insbesondere in Hamburg, Düsseldorf, Köln und München ein erheblicher Erfahrungsschatz in den Fachkammern angesammelt hat. Natürlich war auch bekannt, welche Gerichte großzügiger mit Dringlichkeitsfristen umgingen oder strengeren Rechtsansichten folgten.
- Ursprünglich sah der Gesetzesentwurf vor, die freie Wahl des Fliegenden Gerichtsstandes insgesamt aufzugeben. Davon ist der Gesetzgeber in der Endfassung allerdings abgerückt und hat den Fliegenden Gerichtsstand nur für Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien abgeschafft, sofern der Beklagte einen allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland hat. Damit ist in den meisten Fällen von Wettbewerbsverstößen im Internet einzig das Gericht des (Wohn)sitzes des Beklagten zuständig.
- Allerdings sieht § 14 Abs. 3 UWG nF eine Verordnungsermächtigung für Zuständigkeitskonzentrationen in Wettbewerbsstreitsachen vor, wie es diese in Sachsen (LG Leipzig und LG Dresden) und Mecklenburg-Vorpommern (LG Rostock) bereits gibt. Auf Grundlage entsprechender Staatsverträge sind diese Konzentrationen auch über Landesgrenzen hinweg möglich wie z.B. bereits jetzt in Patent- und Gebrauchsmusterstreitsachen zwischen Bremen und Hamburg.
Einschätzung
Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs bedient einige Stellschrauben, um die Abmahntätigkeit auf die Fälle begründeter und berechtigter Abmahnungen zu begrenzen. Die Beschränkung der Aktivlegitimation auf „ernsthafte“ Mitbewerber und Verbände ist zu begrüßen. Abgrenzungsschwierigkeiten werden sich jedoch hinsichtlich der Erheblichkeit der eigenen Geschäftstätigkeit des abmahnenden Unternehmens nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF ergeben. Der Einwand der nur unerheblichen Geschäftstätigkeit durch den Abgemahnten drängt sich auf. Die Abmahnung sollte daher bereits einen Vortrag zur Geschäftstätigkeit enthalten.
Zu beachten sind auch die formellen Anforderungen an die Abmahnung nach § 13 Abs. 2 UWG nF. Die Schärfung der Anforderungen an die Darlegung der Verletzungshandlung und die durch diese begründeten Wettbewerbsverstöße werden (auch im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des BVerfG zum rechtlichen Gehör) wünschenswerter Weise Abmahnungen „ins Blaue hinein“ unterbinden. In Verbindung mit einem Gegenanspruch des Abgemahnten wird bei der Verfassung von Abmahnung in Zukunft noch größere Sorgfalt anzuwenden sein.
Unübersichtlich könnte das Erfordernis der Darlegung der Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG nF insbesondere in Fällen mehrfacher Abmahnung identischer Verstöße werden (BGH, Urt. v. 6. Juni 2019, AZ. I ZR 150/19 – Der Novembermann). Hier müsste die Kostenquotelung bereits in der Abmahnung offengelegt werden.
Erfreulich wirtschaftsfreundlich hingegen ist die große Bereichsausnahme für den Aufwendungsersatzanspruch hinsichtlich Abmahnungen für Verstöße im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG nF). Jenseits der in der Gesetzesbegründung genannten Informations- und Kennzeichnungspflichten bleibt jedoch unklar, wie weitreichend diese Bereichsausnahme tatsächlich zu verstehen ist.
Die Einschränkung des Fliegenden Gerichtsstands wird im Ergebnis wohl nicht die befürchteten großen Auswirkungen haben. Zwar wird ein gewisses Taktieren auf Antragstellerseite durch die Auswahl erfolgversprechender Gerichte (hinsichtlich Dringlichkeitsfristen oder durch die Auswahl von „Verbotskammern“) eingeschränkt werden. Der allgemein beklagte Verlust der über Jahre gebildeten Expertise einiger Gerichte ist aufgrund der Möglichkeit der Festlegung einer (sogar länderübergreifenden) Zuständigkeitskonzentration wohl eher nicht zu erwarten. Bis allerdings solche Zuständigkeitskonzentrationen eingeführt werden, ist von einigen Gerichten bisher unbekanntes Terrain zu betreten.
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