10. Dezember 2020
Der Entwurf des sog. Fondsstandortgesetzes sieht eine neue Regelung im Einkommensteuergesetz vor, die ausdrücklich anordnet, dass in diesen Fällen kein geldwerter Vorteil zufließt (§ 19a EStG-E):
„§ 19a
Sondervorschrift für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei Vermögensbeteiligungen
(1) Werden einem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn Vermögensbeteiligungen im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, b und f bis l und Absatz 2 bis 5 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes an dem Unternehmen des Arbeitgebers unentgeltlich oder verbilligt übertragen, unterliegt der Vorteil unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 im Kalenderjahr der Übertragung nicht der Besteuerung nach § 19 und dem Lohnsteuerabzug. Bei der Ermittlung des Vorteils ist der Freibetrag nach § 3 Nummer 39 abzuziehen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. § 39b Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 ist anzuwenden. Die Anschaffungskosten sind mit dem gemeinen Wert der Vermögensbeteiligung anzusetzen.
(2) Die vorläufige Nichtbesteuerung nach Absatz 1 kann im Lohnsteuerabzugsverfahren nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers angewendet werden. Eine Nachholung der vorläufigen Nichtbesteuerung im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer ist ausgeschlossen.
(3) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn das Unternehmen des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung die in Artikel 2 Absatz 1 des Anhangs der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) in der jeweils geltenden Fassung genannten Schwellenwerte nicht überschreitet oder im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat und seine Gründung nicht mehr als zehn Jahre zurückliegt.
(4) Der nach Absatz 1 nicht besteuerte Arbeitslohn unterliegt der Besteuerung nach § 19 und dem Lohnsteuerabzug als sonstiger Bezug, wenn
In den Fällen des Satzes 1 sind für die zu besteuernden Arbeitslöhne § 34 Absatz 1 und § 39b Absatz 3 Satz 9 und 10 entsprechend anzuwenden, wenn seit der Übertragung der Vermögensbeteiligung mindestens drei Jahre vergangen sind. Ist in den Fällen des Satzes 1 der gemeine Wert der Vermögensbeteiligung abzüglich geleisteter Zuzahlungen des Arbeitnehmers bei der verbilligten Übertragung niedriger als der nach Absatz 1 nicht besteuerte Arbeitslohn, so unterliegt nur der gemeine Wert der Vermögensbeteiligung abzüglich geleisteter Zuzahlungen der Besteuerung. In den Fällen des Satzes 3 gilt neben den geleisteten Zuzahlungen nur der tatsächlich besteuerte Arbeitslohn als Anschaffungskosten im Sinne der §§ 17 und 20. Die Sätze 3 und 4 sind nicht anzuwenden, soweit die Wertminderung nicht betrieblich veranlasst ist oder auf einer gesellschaftsrechtlichen Maßnahme, insbesondere einer Ausschüttung oder Einlagerückgewähr, beruht.
„(27) § 19a ist erstmals anzuwenden auf Vermögenbeteiligungen, die nach dem 30. Juni 2021 übertragen werden.“
Die Mechanik der Neuregelung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Wenn der Arbeitnehmer unentgeltlich objektiv werthaltige Anteile erhält, die erst später veräußert werden, dann wird der geldwerte Vorteil erst im Veräußerungszeitpunkt und damit „nachträglich“ als Arbeitslohn besteuert.
Spannend wird es, soweit es um die Wertsteigerung geht, die nach dem Erwerb durch den Arbeitnehmer erreicht wurde und die dann im Veräußerungsfalle realisiert wird. Hier ist zu differenzieren zwischen dem Ursprungswert (Arbeitslohn, siehe zuvor) und den danach gebildeten stillen Reserven.
Arbeitnehmer A soll Ende 2021 unentgeltlich Anteile an der S GmbH bekommen, bei der er angestellt ist. Die Anteile (1,5%) haben dann einen Wert von 100.000 Euro. Später, in 2023, werden alle Anteile an der S GmbH veräußert. Auf die Anteile von A entfällt ein Kaufpreis in Höhe von 300.000 Euro.
Lösung
A würde gern die weiteren 200.000 Euro später steuerschonend realisieren und überlegt, ob er die Anteile nicht zu Beginn in eine private Holding einlegen solle, weil diese dann später fast steuerfrei Veräußerungsgewinne realisieren könne.
Lösung
Kein dry income, Absatz 1 Satz 1
Freibetrag, Absatz 1 Satz 2
Nach Satz 2 ist bei der Ermittlung des Vorteils im Sinne des Satzes 1 der Freibetrag nach § 3 Nummer 39 EStG einmalig abzuziehen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen (vgl. § 3 Nr. 39 S. 2 EStG) vorliegen. Der Freibetrag beträgt nach der Neuregelung 720 Euro.
Sozialversicherungspflicht, Absatz 1 Satz 3
Anschaffungskosten, Absatz 1 Satz 4
Zustimmungserfordernis des Arbeitnehmers, Absatz 2
Gemäß Absatz 2 ist die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich (Satz 1) und wird die Besteuerung (des dry income) auch nicht im Zuge des Einkommensteuerveranlagung erfolgen (Satz 2).
Förderfähiges KMU, Absatz 3
Nachgelagerte Besteuerung als Arbeitslohn, Absatz 4 Satz 1
Der Gesetzentwurf will das Problem des sog. dry income lösen – aber nicht gänzlich auf eine Besteuerung verzichten. Deswegen wird in nachfolgend genannten Fällen die nachgelagerte Besteuerung ausgelöst:
Fünftelregelung, Absatz 4 Satz 2
Danach gilt die Tarifermäßigung gemäß § 34 Absatz 1 EStG, wenn seit der Übertragung der Vermögensbeteiligung mindestens drei Jahre vergangen sind. Die Tarifermäßigung ist bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren anzuwenden.
Die praktische Auswirkung dieser Erleichterung dürfte gerade bei werthaltigen Beteiligungen vergleichsweise gering ausfallen.
Wenn der Wert der Vermögensbeteiligung (einschließlich Zuzahlungen) später bei Besteuerung geringer ist als zu Beginn bei Übertragung, dann wird nur der spätere, geringere Wert der Arbeitslohnbesteuerung zugrunde gelegt.
Anschaffungskosten der Beteiligung, Absatz 4 Satz 4
Der „nachgelagerte Steuerwert“ bildet gleichzeitig die Anschaffungskosten. Das ist nötig, um spätere Wertsteigerungen nicht doppelt zu erfassen.
Der vorläufig nicht besteuerte gemeine Wert der Beteiligung sowie die übrigen Angaben sind vom Arbeitgeber im Lohnkonto aufzuzeichnen. Der Arbeitnehmer wird über die Lohnabrechnung entsprechend informiert. So kann er die steuerliche Behandlung selbst nachvollzeihen.
Anwendungszeitpunkt, § 52 Absatz 27 EStG-E
Die Neuregelung soll gelten ab 1. Juli 2021. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Übertragung der Anteile. Ob damit die zivilrechtliche Wirksamkeit oder der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums gemeint ist, wird nicht ausgeführt. Zutreffend dürfte sein, an den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums anzuknüpfen.
Die Nachversteuerungstatbestände gemäß Absatz 4 dürften nicht in allen Fällen sachgerecht sein.
Auswirkungen auf Gestaltungspraxis?
von mehreren Autoren
von Elnaz Mehrkhah und Dr. Bert Kimpel
von Dr. Bert Kimpel und Elnaz Mehrkhah