9. Juli 2020
Am 24. Juni 2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den mit großer Spannung erwarteten Diskussionsentwurf für ein Zweites Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes („Diskussionsentwurf“). Der Entwurf betrifft die Umsetzung der Richtlinie 2019/790 vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt („DSM-RL“). Zugleich sollen die Vorgaben der Richtlinie vom 17. April 2019 mit Vorschriften für die Ausübung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen von Sendeunternehmen und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen („Online-SatCab-RL“) umgesetzt werden. Beide Richtlinien sind bis spätestens 7. Juni 2021 in nationales Recht umzusetzen. Weiter soll das deutsche Urheberrecht an die Vorgaben der „Metall auf Metall“ (Pelham)-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 29. Juli 2919 (Az. C-476/17) angepasst werden. Zu dem Entwurf kann bis zum 31. Juli 2020 Stellung genommen werden.
Die Bestimmungen der DSM-RL zum Leistungsschutzrecht der Presseverleger, der Verlegerbeteiligung und der Schranke des Text und Data Mining (Artt. 3, 4, 15 und 16 DSM-RL), waren bereits Gegenstand eines früheren Diskussionsentwurfs des BMJV vom 15. Januar 2020 (Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts).
Wir stellen eine Auswahl der geplanten Regelungen vor.
Der Diskussionsentwurf sieht insbesondere folgende Neuerungen vor:
Wegen der Fülle des UrhDaG-E können in diesem Beitrag nicht alle Themen besprochen werden. Im Folgenden werden daher ausgewählte Aspekte des UrhDaG-E aufgegriffen.
Der Diskussionsentwurf schränkt den Anwendungsbereich des geplanten Gesetzes nach seinem Sinn und Zweck auf solche Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten (online content-sharing service provider; im Folgenden: OCSSPs) ein, die in Konkurrenz zu „Online-Inhaltediensten“ stehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 4). Dieser Begriff ist unscharf und wird auch nicht näher definiert. Unter Online-Inhaltediensten dürften solche Diensteanbieter zu verstehen sein, die urheberrechtlich geschützte einlizenzierte Inhalte als eigene Inhalte und auf eigene Rechnung anbieten.
Diese den Anwendungsbereich einschränkende Voraussetzung findet sich in der DSM-Richtlinie nicht unmittelbar im Text, sondern in den Erwägungsgründen. Eine solche Fokussierung des UrhDaG-E ist vor dem Hintergrund der erheblichen technischen und finanziellen Anstrengungen, die mit der Umsetzung der Pflichten verbunden sind, begrüßenswert.
Bereits auf EU-Ebene wurde in letzter Minute erkannt, dass Art. 17 DSM-RL nicht ausufern darf, so dass mit heißer Nadel eine Liste nicht erfasster Dienste gestrickt und in den Richtlinientext aufgenommen wurde. Im Einklang mit der DSM-RL sieht auch der Diskussionsentwurf eine Liste von Diensten vor, die ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des UrhDaG-E ausgenommen sein sollen. Diese Liste ist nicht abschließend und bietet in begrenztem Umfang Raum für die Aufnahme weiterer ähnlich gelagerter Dienste.
In systematischer Hinsicht erschiene es sinnvoll, den Anwendungsbereich nicht erst in § 2, sondern gleich zu Beginn des Entwurfes festzulegen.
Der Diskussionsentwurf setzt in § 1 Abs. 1 die von der DSM-RL festgelegte Fiktion einer Nutzungshandlung durch den OCSSP um. Diese Vorschrift bezieht sich zunächst nur auf Werke, allerdings stellt § 22 klar, dass der Entwurf auch auf verwandte Schutzrechte Anwendung finden soll. Es wäre erwägenswert, den Anwendungsbereich zu Beginn klarzustellen.
§ 1 Abs. 2 stellt die Enthaftungsmöglichkeit für OCSSPs vor. Erfüllt der OCSSP die Anforderungen, die das neuartige abgestufte Haftungskonzept an ihn stellt, haftet er nicht für urheberrechtsverletzende Inhalte auf der Plattform. Da der OCSSP nunmehr selbst eine (fingierte) Nutzungshandlung vornimmt, hat er sich zunächst um den Abschluss von Nutzungsrechtsvereinbarungen zu bemühen. Der Entwurf spricht ausdrücklich von einem einseitigen Kontrahierungszwang (Seite 86). Hervorzuheben ist, dass der OCSSP nicht jedermann Angebote unterbreiten muss. Vielmehr hat er die im Inland ansässigen Verwertungsgesellschaften zu kontaktieren und von diesen Nutzungsrechte zu erwerben, soweit sie verfügbar sind. Andere Rechteinhaber, die nicht in Verwertungsgesellschaften organisiert sind, muss der OCSSP nicht proaktiv ansprechen. Insoweit obliegt es dem Rechteinhaber, entsprechende Nutzungsrechte anzubieten (§ 4 Abs. 1). Dies erscheint verhältnismäßig. Art und Inhalt der Nutzungsrechte werden ebenfalls konkretisiert. OCSSPs müssen nur solche Nutzungsrechte erwerben, die (1) für Werkarten gelten, die Nutzer des OCSSP typischerweise hochladen, (2) ein repräsentatives Repertoire umfassen, (3) das Territorium der Bundesrepublik abdecken und (4) eine Nutzung zu angemessenen Bedingungen ermöglichen (§ 4 Abs. 2).
Schließt der OCSSP eine Nutzungsrechtsvereinbarung ab, soll diese auch zugunsten seiner Nutzer gelten, soweit diese nicht kommerziell handeln bzw. keine erheblichen Einnahmen erzielen (§ 9).
Sofern der OCSSP keine Nutzungsrechte erwirbt, etwa weil der Rechteinhaber keine Vereinbarung schließen will oder das unterbreitete Angebot nicht angemessen ist, ist der OCSSP gehalten dafür zu sorgen, unter näher dargelegten Voraussetzungen die Verfügbarkeit urheberrechtsverletzender Inhalte auf der Plattform zu verhindern. Insoweit dürfte der Einsatz von Filtertechnologien– anders als es die Bundesregierung in ihrer Protokollerklärung zur Verabschiedung der DSM-Richtlinie noch beabsichtigte – jedenfalls nicht vollständig auszuschließen sein.
Diese im Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene besonders umstrittenen Regelungen zur Sperrung und Entfernung von Inhalten (Stichworte: „Stay-Down-Verpflichtungen“; „Uploadfilter“) bilden Teil drei des Diskussionsentwurfs und enthalten eine Mitwirkungsobliegenheit der Rechteinhaber. Im Gesetzestext werden die zur Verfügung zu stellenden notwendigen Informationen zwar nicht konkret benannt, aber in der Begründung findet sich die Erläuterung, dass die Art der erforderlichen Informationen von den beim OCSSP eingesetzten Technologien abhängen. Insoweit werden im Bereich audiovisueller Inhalte Referenzdateien für die bereits bekannten Verfahren wie Fingerprinting oder Watermarking gefordert werden dürfen. Wie die erforderlichen Informationen in anderen Bereichen aussehen können, und ob solche Technologien für andere Sachverhalte überhaupt existieren, sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren näher beleuchtet und konkretisiert werden.
Für OCSSPs mit Start-Up-Charakter (das sind Unternehmen, deren Dienste jünger als drei Jahre sind und die einen jährlichen Umsatz von höchstens 10 Millionen Euro erwirtschaften) gelten abgeschwächte Pflichten (§§ 2 Abs. 2, 10 Abs. 2). Bemerkenswert ist die widerlegliche Vermutung zugunsten kleiner OCSSPs (jährlicher Umsatz von höchstens 1 Million Euro), die wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und den mit solchen Verpflichtungen verbundenen erheblichen Kosten Aufwand nicht zur Sperrung verpflichtet sein sollen (§§ 2 Abs. 3, 10 Abs. 3). Es bleibt für diese OCSSPs beim Notice-and-Takedown-Verfahren.
Sperrung und Entfernung von Inhalten stehen zudem unter dem Verhältnismäßigkeitsgebot (§ 1 Abs. 2), so dass eine Maßnahme nur angezeigt ist, soweit dem OCSSP geeignete und wirksame Mittel zur Verfügung stehen, deren Einsatz auch unter Kostengesichtspunkten zumutbar ist.
Der Entwurf setzt die durch die DSM-Richtlinie verpflichtend gewordenen Schranken für Zitate, Kritik und Rezensionen sowie für Karikaturen, Parodien oder Pastiches um (siehe hierzu auch nachfolgend). Die Schranken selbst sollen im Urheberrechtsgesetz eingefügt werden; das UrhDaG-E verweist auf die entsprechenden Vorschriften.
Beachtlich ist eine neue vergütungspflichtige de-minimis Schranke, die die Nutzung von bis zu 20 Sekunden langen Ausschnitten von Filmen oder Tonspuren bzw. Textsnippets von bis zu 1000 Zeichen und Lichtbilder bzw. Grafiken mit einem Datenvolumen von bis zu 250 KByte erlaubnisfrei stellt (§ 6 Abs. 1). Eine solche Schranke findet sich im EU-Recht nicht. Der Diskussionsentwurf setzt sich mit Argumenten einer möglichen Unionsrechtswidrigkeit dieser Schranke auseinander und hält sie dennoch für zulässig, da Art. 17 DSM-RL ein neuartiges Rechtsregime darstelle, das nicht unter die Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG („InfoSoc-RL“) und ihren abschließenden Schrankenkatalog falle (vgl. Seite 34 f.). Es wird spannend sein zu beobachten, ob diese Schranke den Weg in das Gesetz findet.
Innovativ ist der Vorschlag, wonach Nutzer die Möglichkeit erhalten sollen, vor dem Upload der Inhalte diese als rechtmäßig zu kennzeichnen (sogenanntes „Pre-Flagging“). Ein solches Pre-Flagging hätte zur Konsequenz, dass ein Inhalt trotz eines Hinweises eines Rechteinhabers grundsätzlich zunächst nicht gesperrt würde, soweit die jeweilige Kennzeichnung des Inhalts als erlaubte Nutzung nicht offensichtlich unzutreffend ist (§ 12). Rechteinhaber hätten die Möglichkeit, gegen die nicht erfolgte Sperrung eine Beschwerde zu erheben. Eine Verantwortlichkeit des Diensteanbieters schiede für den vorab gekennzeichneten Inhalt bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens aus (§ 16).
Das BMJV erhofft sich mit dieser Regelung, Rechte der Nutzer, wie etwa die Meinungsfreiheit, in angemessenem Rahmen zu schützen (vgl. Seite 90).
Der vorgeschlagene Mechanismus dürfte einen zusätzlichen technischen, administrativen und nicht zuletzt finanziellen Aufwand für OCSSPs darstellen. Fraglich ist auch, ob Rechteinhaber diese Regelung begrüßen. Es bleibt daher abzuwarten, wie diese neuartige Regelung im weiteren Gesetzgebungsverfahren honoriert wird und ob sie den Weg in das Gesetz findet.
Neben den vorgestellten Aspekten enthält der Diskussionsentwurf eine Reihe weiterer Punkte, wie z.B. zu Beschwerdemechanismen, Maßnahmen gegen Missbrauch und außergerichtlicher Streitbeilegung.
In § 51a UrhG-E wird eine neue Schranke für Karikatur, Parodie und Pastiches eingeführt und damit zugleich Art. 17 Abs. 7 lit. b) der DSM-RL umgesetzt, der diese - im Rahmen von Art. 17 DSM-RL - als zwingende Schranke vorsieht. In Art 5. Abs. 3 lit. k der InfoSoc-RL war die Parodieschranke bereits als (optionale) allgemeine Urheberrechtsschranke vorgesehen.
Die Schranke für Karikatur, Parodie und Pastiches hat im deutschen Recht kein unmittelbares Vorbild. Es ist – auch ausweislich der Begründung zum Diskussionsentwurf – zu erwarten, dass bislang über § 24 UrhG erfasste Nutzungen in Zukunft jedenfalls teilweise von § 51a UrhG-E abgedeckt werden. § 24 UrhG soll gestrichen werden.
Für alle Erscheinungsformen von Karikatur, Parodie und Pastiche ist charakteristisch, dass sie sich an vorbestehende Werke anlehnen, und eine insb. inhaltliche oder künstlerische Auseinandersetzung mit dem Originalwerk enthalten müssen. Dabei ist vor allem die grundrechtlich geschützte Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit zu berücksichtigen. Eine Quellenangabe ist, anders als beim Zitat, nicht erforderlich. Das Pastiche wird in den EU-Urheberrechts-Richtlinien nicht näher definiert. In Literatur in Kunst wird darunter eine „stilistische“ Nachahmung verstanden, im Rahmen des § 51a UrhG-E soll die Schranke auch Übernahmen des Originalwerks erlauben, die weder Karikatur noch Parodie oder Zitat sind. Besondere Relevanz sieht der Diskussionsentwurf im digitalen Umfeld, bei User Generated Content und im Social Web wie Remix, Meme, GIFs, Mashups und Fan Fiction.
§ 23 UrhG-E sieht eine Neufassung des Bearbeitungsrechts vor. Darin tauchen teilweise die bekannten Abgrenzungen zwischen Bearbeitung (§ 23 UrhG) und freier Benutzung (§ 24 UrhG) auf, indem ein „hinreichender Abstand“ zum verwendeten Werk gewahrt werden muss, andernfalls die Einwilligung des Urhebers erforderlich ist. Werden also für sich nicht geschützte Teile eines Werkes entnommen bzw. verwendet, oder „verblassen“ diese Teile vollständig hinter dem Originalwerk, soll auch in Zukunft keine Zustimmung des Urhebers bzw. Rechteinhabers erforderlich sein. Diese Funktion die den Schutzbereich des Urheberrechts betrifft, soll mithin im Rahmen des § 23 UrhG erhalten bleiben. Unverändert sind auch Einschränkungen des Bearbeitungsrechts u.a. für Verfilmung , Ausführung eines Bauplans und die Umgestaltung eines Datenbankwerks. Auch der bislang in § 24 Abs. 2 UrhG enthaltene sog. starre Schutz von Melodien wird beibehalten (§ 23 Abs. 1 S. 2 UrhG-E).
Die „freie Benutzung“ (§ 24 UrhG) wird dagegen gestrichen. Damit will der Gesetzgeber dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29. Juli 2019 (C-476/17 - Pelham GmbH ua/Ralf Hütter u.a. – „Metall auf Metall“) Folge leisten, in dem der EuGH entschieden hatte, dass § 24 UrhG nicht zu einer durch die InfoSoc-RL nicht vorgesehenen Schranke führen dürfe. Soweit § 24 UrhG als Urheberrechtsschranke fungierte, soll diese Funktion durch § 51a UrhG-E „übernommen“ werden.
Eines der erklärten Ziele des Diskussionsentwurfs ist es, die Lizenzierung von Werknutzungen zu erleichtern. Zu diesem Zweck sieht der Diskussionsentwurf Regelungen über „kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung“ als neues Instrument der Lizenzvergabe vor. Im deutschen Recht sind diese bislang unbekannt, Vorbilder des extended collective licensing (ECL) existieren insbesondere in den skandinavischen Ländern.
§ 51 des im Diskussionsentwurf mit enthaltenen Entwurfs für eine Änderung des Verwertungsgesellschaftengesetzes (VGG-E) stellt die zentrale Bestimmung für kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung unabhängig von der Werkgattung dar und setzt die optionale Regelung des Art. 12 DSM-RL um. Danach kann eine repräsentative Verwertungsgesellschaft Rechte für inländische Nutzungen der von ihr wahrgenommenen Nutzungsrechte auch am Werk eines sog. Außenstehenden einräumen. Dies sind Rechteinhaber, deren Werke wahrgenommen werden dürfen, ohne das mit diesen ein vertragliches Wahrnehmungsverhältnis mit der betreffenden Verwertungsgesellschaft besteht (§ 7a VGG-E).
Voraussetzung ist zudem, dass die Einholung einer Lizenz von allen Außenstehenden „unzumutbar“ ist (in der Richtlinie heißt es, die Einholung der Erlaubnis vom Rechteinhaber in jedem Einzelfall müsse „beschwerlich“, „praxisfern“ und „unwahrscheinlich“ sein). Die Nutzung setzt zudem als aufschiebende Bedingung voraus, dass der Außenstehende innerhalb von mindestens drei Monaten seit der (verpflichtenden) öffentlichen Bekanntgabe durch die Verwertungsgesellschaft nicht widersprochen hat (§ 51 Abs. 2 Nr. 6 VGG-E). Als Beispiel nennt der Entwurf Massennutzungen unter anderem auf (Internet-)Plattformen. Widerspricht der Rechteinhaber im Nachhinein, endet die Nutzungsbefugnis mit Wirkung ex nunc. Nutzungen bis zum Widerspruch bleiben rechtmäßig.
Den Sonderfall kollektiver Lizenzen für nicht verfügbare, d.h. nicht oder nicht mehr auf üblichen Vertriebswegen erhältlichen Werken (einschließlich vergriffener Werke) zugunsten von sogenannten Kulturerbe-Einrichtungen wie z.B. öffentliche Museen, Bibliotheken oder Einrichtungen des Filmerbes regeln die §§ 51b und c VGG-E (vgl. Artt. 8–10 DSM-RL). Näheres kann in einer Rechtsverordnung geregelt werden. Diese Bestimmungen sollen die aktuell für vergriffene Werke geltenden §§51 ff. VGG ersetzen.
Die Regelungen gelten entsprechend für die verwandten Schutzrechte des UrhG wie z.B. wissenschaftliche Ausgaben, Lichtbilder, Darbietungen ausübender Künstler oder Tonträger (§ 51f. VGG-E).
Flankierende Bestimmungen zugunsten von Kulturerbe-Einrichtungen enthalten die §§ 61dff UrhG-E für die Nutzung nicht verfügbarer Werke, wenn keine repräsentative Verwertungsgesellschaft die Rechte für die Nutzung der jeweiligen Art von Werken wahrnimmt, und daher kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung nicht vergeben werden können. Insoweit wird die öffentliche Zugänglichmachung und diesbezügliche Vervielfältigung gesetzlich erlaubt (s. dazu Art 8 Abs. 2 DSM-RL). Auch diese Regelungen kämen für verwandte Schutzrechte jeweils entsprechend zur Anwendung.
Die Bestimmungen der DSM-RL betreffend die „faire Vergütung“ der Urheber und ausübenden Künstler (Artt. 18 ff. DSM-RL) liegen bereits auffallend nahe an den bereits bestehenden Regelungen des deutschen Rechts (§§ 32 ff. UrhG). Der Diskussionsentwurf sieht eine Reihe von punktuellen und redaktionellen Anpassungen an die DSM-RL vor, enthält aber auch wichtige Neuerungen. Soweit die bestehenden Regelungen zugunsten der Urheber einen höheren Schutzstandard als die DSM-RL bieten, sieht der Diskussionsentwurf keinen Änderungsbedarf, da die Richtlinie insoweit nur eine Mindestharmonisierung bezwecke.
In § 32 Abs. 2 S. 3 UrhG-E betreffend die “angemessene Vergütung“ soll grundsätzlich jede Nutzungsmöglichkeit des Vertragspartners gesondert zu berücksichtigen sein, es sei denn eine Pauschalvergütung ist durch Besonderheiten der Branche gerechtfertigt. So soll der Grundsatz einer anteiligen, verhältnismäßigen Beteiligung des Kreativen an den Verwertungserlösen hervorgehoben werden.
Der Nachvergütungsanspruch nach § 32a UrhG (sog. Bestsellerparagraph) setzt aktuell noch ein „auffälliges Missverhältnis“ voraus. Mit § 32a UrhG-E wird die Schwelle für die Nachvergütung des Urhebers abgesenkt und soll dem Kreativen künftig ein Nachvergütungsanspruch schon dann zustehen, wenn sich die ursprünglich vereinbarte Vergütung als „unverhältnismäßig niedrig“ im Verhältnis zu dem Verwertungserfolg des Vertragspartners (bzw. Dritter in der weiteren Lizenzkette) erweist. Die mögliche Haftung weiterer Verwerter in der Lizenzkette bleibt bestehen, wird allerdings angepasst: Nach geltendem Recht haftet der Vertragspartner nur soweit auf Nachvergütung, wie sich das Missverhältnis zur Vergütung des Kreativen aus seinen eigenen Erträgen und Vorteilen ergibt (§ 32a Absatz 1 und 2 UrhG). Für ein Missverhältnis, dass sich erst in der weiteren Lizenzkette ergibt, haften die Unterlizenznehmer dem Urheber oder ausübenden Künstler unmittelbar, wobei in diesem Fall die Haftung des Vertragspartners entfällt (§ 32a Abs. 2 Satz 3 UrhG). Diese Haftungsbefreiung soll mit §32a UrhG-E entfallen, und der direkte Vertragspartner könnte in Zukunft auch wegen nachgelagerter Verwertungserfolge in Anspruch genommen werden. Für solche Fälle wird es oft naheliegen, dass die Vertragsparteien Regelungen eines Ausgleichs im Innenverhältnis vorsehen.
Die Auskunfts- und Rechenschaftspflichten der geltenden §§ 32d, 32e UrhG werden in §§ 32d, 32 e UrhG-E neu gefasst und an die Transparenzregelungen der DSM-RL angepasst (Art. 19 DSM-RL). Danach hat der Vertragspartner dem Urheber im Falle einer entgeltlichen Lizenzierung nunmehr unaufgefordert mindestens einmal jährlich Auskunft über Umfang, Erträge und Vorteile aus der Werknutzung zu erteilen. Dies soll wie bislang auf Grundlage der Informationen erfolgen, die im Rahmen eines ordnungsgemäß geführten Geschäftsbetriebes üblicherweise vorhanden sind, einschließlich der Namen der Sublizenznehmer. Die Auskunftsplicht ist zeitlich auf den Zeitraum der wesentlichen Werknutzung beschränkt. Rechenschaft ist nur auf Verlangen des Urhebers abzulegen. Die Pflicht zu Auskunft und Rechenschaft entfällt unverändert, wenn der Urheber einen nur nachrangigen Beitrag geleistet hat (es sei denn die Informationen werden für eine Vertragsanpassung benötigt), oder die Erteilung anderweitig unverhältnismäßig wäre. So soll etwa bei Filmen keine gesonderte Auskunft über die Verwertung von Clips, Trailern und Stills erforderlich sein.
Der Urheber kann nach §32e UrhG-E Auskunft und Rechenschaft auch von weiteren (Sub-)Lizenznehmern in der Lizenzkette verlangen. Jedoch besteht dieser Anspruch nur mehr subsidiär, wenn der unmittelbare Vertragspartner über diese Informationen nicht verfügt.
Die Vorschriften sind zwingend und können - anders als nach heute geltendem Recht - auch nicht durch Kollektivvereinbarung (Tarifvertrag oder gemeinsame Vergütungsregel) zum Nachteil des Urhebers abgeändert werden.
In zeitlicher Hinsicht sollen die Vorschriften in der am 7. Juni 2021 geltenden Fassung ab dem 7. Juni 2022 auch auf vor dem 7. Juni 2021 geschlossene Verträge anzuwenden sein (§ 133 Abs. 3 UrhG-E).
Ohne direkten Bezug zu den Regelungen der DSM-RL sieht der Diskussionsentwurf zudem die Umsetzung der Online-Sat-Cab-RL vor. Diese erfolgt insbesondere durch Anpassungen der §§ 20b und 87 UrhG und die Einführung eines neuen § 20c UrhG-E und § 20d UrhG-E. Damit wird zugleich der technischen Entwicklung Rechnung getragen, dass Radio- und TV-Programme häufig auch über das Internet verbreitet werden.
§ 20c UrhG-E sieht vor, dass für bestimmte Programminhalte künftig das Ursprungslandprinzip gilt. Demnach müssen die Sendeunternehmen für solche programmbegleitenden Internet-Angebote (sowohl als zeitgleicher Live-Stream wie auch als zeitlich begrenzter Abruf, z.B. aus Mediatheken) die Rechte nur noch für den EU-Mitgliedstaat erwerben, in dem der Sender seinen Sitz hat. Dies gilt bei Hörfunkprogrammen uneingeschränkt, bei TV-Programmen indes nur für eigenfinanzierte Eigenproduktion, und Nachrichten, nicht aber für anders finanzierte Produktionen und Sportveranstaltungen.
Für sog. Weitersendedienste – insb. internetbasierte Over-the-top-Dienste (OTTs) - wird die Klärung der erforderlichen Urheber- und Leistungsschutzrechte erleichtert, in-dem der Rechteerwerb nur noch zentral über Verwertungsgesellschaften erfolgt („technologieneutrale Ausgestaltung der Kabelweitersendung“), § 20b und § 87 UrhG-E. Ausgenommen sind nach § 20b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 indes Weitersenderechte an solchen Programmen, deren Erstsendung ausschließlich über das Internet erfolgt. Für die Weitersendung über das offene Internet, also insbesondere bei OTTs, sind gemäß § 20b Abs. 1a UrhG-E Schutzmaßnahmen gegen die unbefugte Nutzung der weitergesendeten Inhalte erforderlich, d.h. die Weitersendung darf ausschließlich an berechtigte Nutzer in einer gesicherten Umgebung erfolgen.
Mit § 20d UrhG-E regelt der Diskussionsentwurf schließlich für das Verfahren der sog. Direkteinspeisung, dass hierbei ein gemeinsamer Akt der öffentlichen Wiedergabe von Sendeunternehmen und Signalverteiler vorliegt. Eine Direkteinspeisung ist gegeben, wenn das Sendeunternehmen seine Programmsignale an einen Signalverteiler übermittelt, ohne sie gleichzeitig selbst öffentlich wiederzugeben.
In zeitlicher Hinsicht ist § 20c UrhG-E auf Verträge über ergänzende Online-Dienste, die vor dem 7. Juni 2021 geschlossen wurden, erst ab dem 7. Juni 2023 anzuwenden; § 20d ist auf Verträge über die Direkteinspeisung, die vor dem 7. Juni 2021 geschlossen wurden, erst ab dem 7. Juni 2025 anzuwenden (§ 137r Urhg-E).
Reproduktionen visueller Werke, die gemeinfrei sind, erhalten künftig keinen Leistungsschutz mehr (§ 68 UrhG-E). Das betrifft etwa bloße Lichtbilder von gemeinfreien Werken der bildenden Kunst und führt zu einer jedenfalls teilweisen Aufhebung der aktuellen Rechtsprechung des BGH (I ZR 104/17 – Museumsfotos). Unverändert kann aber ein Schutz der Fotografie als Werk im Sinne des § 2 UrhG entstehen, wenn diese selbst die Schwelle zum Urheberrechtsschutz überschreitet.
Das bereits bestehende Rückrufsrecht wegen Nichtausübung (§41 UrhG) wird an § 20 DSM-RL angepasst, der auch einen teilweisen Rückruf ermöglicht. Demnach kann der Urheber entweder nur die Ausschließlichkeit oder das Nutzungsrecht insgesamt zurückrufen (§ 41 Abs. 1 S. 1 UrhG-E). Mit dem Rückruf wandelt sich das Nutzungsrecht des Lizenznehmers entsprechend in ein nur einfaches (nicht-ausschließliches) Nutzungsrecht, oder es erlischt insgesamt.
Mit dem Diskussionsentwurf hat das BMJV einen in Teilbereichen überraschenden und mutigen Vorschlag zur Umsetzung der DSM-RL unterbreitet. Insbesondere mit den Regelungen zum UrhDaG-E hat es den Gestaltungsspielraum, den Art. 17 DSM-RLbietet, kreativ ausgenutzt.
Die am Urheberrecht interessierten Kreise haben die Möglichkeit, bis zum 31. Juli 2020 zu diesem Diskussionsentwurf Stellung zu nehmen. Mit Blick auf die kurze Zeit bis zur Umsetzung im Juni 2021 kommt dem vorliegenden Entwurf bereits erhebliche Bedeutung zu. Zurücklehnen und auf den Referentenentwurf warten, ist daher nicht angezeigt. Es ist zu erwarten, dass die vielen durchaus überraschenden Vorschläge kontroverse Diskussionen hervorrufen werden und zu einer lebhaften Debatte im weiteren Gesetzgebungsverfahren führen werden.
Philipp Koehler und Gregor Schmid beleuchten die wichtigsten Aspekte des neuen EU-Gesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act)
von Dr. Gregor Schmid, LL.M. (Cambridge) und Philipp Koehler
von Dr. Gregor Schmid, LL.M. (Cambridge) und Philipp Koehler