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11. März 2020

Schienenkartell II

Weiteres Leiturteil des BGH im Bereich des Kartellschadensersatzrechts

Der BGH hat ein weiteres höchst relevantes Urteil im Bereich des Kartellschadensersatzes erlassen, das nunmehr veröffentlicht ist (BGH, KZR 24/17 – Schienenkartell II). Die Entscheidung bringt Klarheit insbesondere im Hinblick auf die jeweiligen Voraussetzungen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität sowie zu den Voraussetzungen eines Grundurteils.

Im Folgenden haben wir die aus unserer Sicht relevantesten Aussagen des BGH zusammengefasst. Der Beitrag schließt mit einer kurzen Analyse des Urteils und einem Ausblick.

Haftungsbegründende Kausalität – Folgerungen aus dem Otis-Urteil des EuGH

Die maßgebliche Klarstellung des BGH betrifft das Merkmal der Betroffenheit, die nach § 286 ZPO zu beurteilen ist:

  • Betroffenheit liege vor, wenn dem Kartellanten ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten ist, das geeignet ist, einen Schaden mittelbar oder unmittelbar des Anspruchstellers zu begründen.
  • Unerheblich für die haftungsbegründende Kausalität sei, ob sich das Kartell auf den konkreten Erwerbsvorgang tatsächlich preissteigernd ausgewirkt hat, d. h. ob dieser kartellbefangen war. Insoweit stellt der BGH seine Rechtsprechung aus dem Urteil Schienenkartell (Urteil vom 11.12.2018, KZR 26/17) klar (Rn. 25 f).

Haftungsausfüllende Kausalität – „Segelanweisung“ des BGH

Im Hinblick auf die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die nach § 287 ZPO zu beurteilen ist, enthält das Urteil des BGH ebenso aufschlussreiche Hinweise, insbesondere für die Anforderungen an den Tatsachenvortrag der Parteien und die Beweiswürdigung durch das Gericht:

  • Die Feststellung, dass ein Schaden entstanden ist und wie hoch dieser ist, könne in der Regel nur auf Basis von Indizien getroffen werden. Insoweit habe der Tatrichter eine gewisse Freiheit im Hinblick auf die Behandlung von Beweisanträgen (Rn. 34, 36).
  • Der Beweis, dass ein Schaden bzw. kein Schaden entstanden ist, werde in aller Regel nicht allein dadurch angetreten werden können, dass für diese Behauptung Sachverständigenbeweis angeboten wird. Es müssten vielmehr auch Anknüpfungstatsachen vorgetragen werden (Rn. 37).
  • Im Rahmen der vom Tatrichter vorzunehmenden Gesamtwürdigung greife eine tatsächliche Vermutung (und kein Anscheinsbeweis), dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise höher waren als sie ohne das Kartell gewesen wären (Rn. 40, so schon BGH, 11.12.2018, KZR 26/17 – Schienenkartell).
  • Bei einem Quoten- und Kundenschutzkartell, wie es das BKartA festgestellt hat, komme diesem Erfahrungssatz eine starke Indizwirkung für ein allgemeines höheres Preisniveau zu. Daraus folge zugleich, dass Gerichte nicht zwingend dazu Feststellungen treffen müssten, dass auch das konkrete Umsatzgeschäft „kartellbefangen“ bzw. preislich überhöht war (Rn. 42, 44 f.).

Auch zu ökonomischen Parteigutachten bzw. gerichtlichen Sachverständigengutachten enthält das Urteil Ausführungen:

  • Die Plausibilität einer Annäherung an den kontrafaktischen Preis durch den Gutachter hänge von der Genauigkeit und der Validität der Beobachtungen auf dem kartellierten Markt und dem Vergleichsmarkt ab. Auch müssen sich Unterschiede zwischen diesen beiden Märkten zuverlässig erfassen lassen können. Allein die Vorlage eines Privatgutachtens bedeute nicht zwingend, dass der Richter ein gerichtliches Sachverständigengutachten einholen muss (Rn. 48).

Voraussetzungen eines Grundurteils – mehr Leistungsurteile?

Aufschlussreich sind schließlich auch die Ausführungen des BGH zu den Voraussetzungen eines Grundurteils:

  • Voraussetzung eines Grundurteils sei, dass ein Schaden wahrscheinlich entstanden ist. Hierfür soll es aber nicht ausreichen, dass es den Erfahrungssatz gibt, dass Kartelle zu höheren Preisen führen (siehe hierzu oben). Vielmehr sei bereits für ein Grundurteil eine umfassende Gesamtwürdigung in Bezug auf den Schaden erforderlich (Rn. 52).
  • Auch sei für die Frage, ob ein Grundurteil erlassen werden soll, relevant, ob es zu einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses komme. Da auch für ein Grundurteil eine umfassende Gesamtwürdigung vorzunehmen sei, könne eine einheitliche Entscheidung über Grund und Höhe geboten sein (Rn. 54 f.).

Kurzanalyse und Konsequenzen für die Praxis

  • Das Urteil ist zu begrüßen, da es Klarheit im Hinblick auf die Voraussetzungen der haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität sowie die Voraussetzungen eines Grundurteils bringt.
  • Das Merkmal der Betroffenheit im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität wird erheblich an Bedeutung verlieren. Es ist jedenfalls ausreichend darzulegen, dass die bezogene Ware abstrakt in den sachlichen, räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich des Kartells fällt. Dies gilt unabhängig davon, ob ein unmittelbarer oder mittelbarer Bezug vorliegt oder ob vom Kartellaußenseiter bezogen wurde. Aber auch entferntere Schäden – man denke an den Zinsschaden in der EuGH-Rechtssache Otis – begründen die Betroffenheit. Insbesondere ist es nicht mehr erforderlich, eine konkrete Kartellbefangenheit darzulegen und ggf. zu beweisen. Der BGH setzt damit die Otis-Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 12.12.2019, C-435/18), nach der jeder kausale Schaden ersatzfähig ist (und es insbesondere keines Schutzzweckzusammenhangs zwischen dem Kartellrechtsverstoß und dem Schaden bedarf), konsequent um. Danach kommt es nicht auf die adäquate Kausalität an.
  • Das Urteil könnte dahingehend verstanden werden, dass die Bestimmung der Betroffenheit (aber auch der Passivlegitimation) nur in den Fällen durch das Unionsrecht vorgegeben sein soll, in denen auch ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV und nicht lediglich gegen § 1 GWB gegeben ist (Rn. 23). Dies erschiene uns insbesondere im Hinblick auf die Harmonisierung bzw. Angleichung des deutschen Kartellverbots an das EU-Kartellverbot nicht konsequent.
  • Das Urteil des BGH legt es nahe, dass von einem allgemein überhöhten Preisniveau auch auf den Schadenseintritt in Bezug auf das konkrete Erwerbsgeschäft geschlossen werden kann, ohne dass zu Letzterem gesonderte Feststellungen getroffen werden müssten. Allerdings betont der BGH auch, dass seine Ausführungen vor dem Hintergrund des konkret durch das BKartA festgestellten Quoten- und Kundenschutzkartells zu verstehen sind. Ob diese Erwägungen daher auch in Schadensersatzprozessen wegen anderer Kartelle greifen, dürfte insbesondere von den Feststellungen des Bundeskartellamts im Bußgeldbescheid bzw. dem konkreten Kartell und den Marktbedingungen abhängen. Für Preiskartelle dürften die Ausführungen aber erst recht gelten.
  • Es sind in Zukunft mehr Leistungsurteile zu erwarten, denn die Voraussetzungen, unter denen ein Grundurteil erlassen werden kann, entsprechen in der Regel denjenigen eines Leistungsurteils (umfassende Abwägung aller Umstände in Bezug auf den Schaden). Eine solche Entwicklung wäre u. E. zu begrüßen.
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